Alex O`Loughlin German FanClub
  Untie these hands 5
 
24. Braves Mädchen
Doppelhochzeit?
"Wie meinst du das?" rutscht es mir heraus.
"Weißt du, Kate, ich habe nachgedacht", sagt Jackie zu mir.
Oh man, da hatte jemand in den Bergen wohl zu viel Zeit für sich und nicht genügend zu tun.
"Wenn du verheiratet wärst, dann könnte es dir doch egal sein, ob dieser Typ dich findet oder nicht", erzählt mir Jackie ihre Gedanken. "Ich meine, dann würdest du ihm sowieso nicht mehr gehören. Dann gehörst du zu deinem Mann. Und den Typen wärst du los." Sie strahlt mich an, als hätte sie soeben das achte Weltwunder entdeckt. "Meinst du nicht?"
Jackies Idee ist völlig absurd. Es steht außer Frage, dass ich jemals heiraten werde. Obwohl... ich zugeben muss... irgendwie ist ihre Idee auch gut... Aber... Nein! Was für ein Quatsch! Emilio würde mich auch dann nicht in Ruhe lassen. Dessen bin ich mir sicher.
"Jackie, ich denke nicht...", will ich anfangen zu reden.
"Sag jetzt nichts!" unterbricht sie mich sofort. "Denk doch erstmal darüber nach. Schlaf eine Nacht darüber."
"Aber Jackie, da ist niemand, dem ich das zumuten wollen würde", sage ich zu ihr.
"Och, ich bin mir sicher, Alex würde da mitmachen", grinst sie mich an. "Wie gesagt, Doppelhochzeit."

Ich verdrehe meine Augen. Jackie hat Ideen! Auf so etwas muss man (in diesem Fall: Frau) erstmal kommen!
"Du hast aber noch nicht mit deinem Bruder über deine Idee gesprochen, oder?" will ich wissen.
"Nein", antwortet sie und ich bin irgendwie erleichtert. Nicht, dass er noch denkt, ich bin völlig verrückt oder so! Die Sache am Flughafen hat ja schon gereicht.
"Aber ich werde es noch", grinst Jackie plötzlich breit.
"Nein, wirst du nicht!" sage ich etwas lauter. So viel zum Thema: entspannt den Sonnenuntergang genießen. Da ist wohl gerade nichts draus geworden. "Außerdem bringst du erstmal dein eigenes Liebesleben in Ordnung", füge ich dann leiser hinzu.
"Okay", nickt Jackie. "Aber wenn ich damit fertig bin, dann kümmere ich mich um eures." Sie steht auf. Und ich folge ihrem Beispiel.
"Ich rede nachher gleich mit Mike", sagt Jackie und wir gehen langsam zurück. "Und du kommst morgen Abend mit in die Berge, oder? Ich will da mit den beiden auf keinen Fall wieder alleine hin!"
"Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist", versuche ich sie zu bremsen.
"Aber du hast doch schon zugesagt", mault Jackie. "Und ich habe mich schon so gefreut." Sie wirft mir einen dieser Das-kannst-du-als-Freundin-mir-nicht-abschlagen-Blicke zu. Und so nicke ich ergeben.

"Braves Mädchen", grinst Jackie mich wieder an.
Wir gehen schweigend zur Straße zurück. Jackie sieht auf ihre Uhr.
"Alex kommt mich in zehn Minuten bei dir abholen", sagt sie.
Und gleich beginnt mein Herz wieder zu rasen. Wie kann es denn sein, dass nur der Gedanke an einen Mann dieses Gefühl in mir auslöst? Das Kribbeln im Bauch... Das ist doch verrückt!
Die Sonne ist nun völlig untergegangen und nur das Licht der Straßenlaternen weist uns den Weg.
Ich sehe mich um - und bleibe erstarrt stehen. Ist da hinten nicht jemand? An dem Hauseingang hinter meinem? Ist das nicht dieselbe Gestalt, die ich schon vor ein paar Tagen nachts an der Straßenlaterne gesehen habe? Mit der Schirmmütze?
"Kate? Was ist los?" ist Jackie ebenfalls stehen geblieben und sieht mich fragend an.
"Da...", flüstere ich und deute auf den Eingang.
Jackie dreht sich um - doch da ist niemand mehr.
Liegt es wirklich an mir? Werde ich langsam verrückt? Spielt mir meine Fantasie solche Streiche?
Ein Auto biegt in die Straße ein.

"Das ist Alex", sagt Jackie, und ihre Stimme klingt völlig erleichtert.
Sein Auto hält neben uns.
"Gute Nacht, Jackie", will ich mich schnell verabschieden.
"Du kannst doch schnell Hallo sagen", sieht Jackie mich an und hakt sich bei mir unter.
Na super. Vielen Dank auch. Ich wollte Alex heute eigentlich nicht begegnen.
Doch schon macht er den Motor aus und steigt aus dem Auto.
"Hi", sieht er mich an.
"Hi", grüße ich zurück.
Jackie sieht von ihm zu mir. Und wieder zu ihm. Und zu mir. Und zu ihm.
"Ihr zwei seid eigenartig", stellt sie dann fest und lässt mich los. "Wir sehen uns morgen, Süße." Sie umarmt mich. "Wann hast du hier Schluss?" Sie deutet auf das Café.
"Gegen acht", antworte ich ihr.
"Dann holen wir dich gegen neun ab", sagt sie. "Dann kannst du noch schnell duschen und packen." Damit ist für Jackie das Gespräch wohl beendet, denn sie steigt auf der Beifahrerseite ein.

Und Alex und ich bleiben allein auf dem Gehweg zurück.
"Hör mal, ich muss auch nicht mitkommen", sage ich leise zu ihm und vermeide es ihn anzusehen.
Alex kommt zwei Schritte auf mich zu und bleibt dicht vor mir stehen. Nun hebe ich doch fragend mein Gesicht an.
"Ich habe dich vermisst", höre ich ihn leise sagen. Und seine Hand umfasst meine.
Ich spüre das Kribbeln, das in meiner Hand beginnt und durch den ganzen Körper zieht. Und die Wärme, die von seiner Hand ausgeht. Gerade war mir doch ein wenig kalt geworden. Nun ist das Gegenteil der Fall.
Mein Herz macht einen Sprung. Er hat mich vermisst! Hat er gesagt. Gerade eben.
"Und du kommst morgen mit, ja?" fragt er.
Ich kann nur stumm nicken. Ich habe ihn auch vermisst. Seine Augen... Im Moment sind sie wieder grün. Ich erinnere mich daran, wie ich durch seine Haare gestrichen habe. Und ich würde es so gern wieder tun. Ich erinnere mich an seine Lippen.
Alex lächelt mich zaghaft an - und ich lächle zurück. Dann beugt er sich vor und küsst mich. Einfach so. Und ich kann gar nicht sagen, was für ein tolles Gefühl das ist! In Worten kaum auszudrücken!

"Bis morgen", sagt er dann leise dicht an meinem Ohr.
Und ich erschauere. "Bis morgen", flüstern meine Lippen.
Alex lächelt mich noch einmal mit diesem umwerfenden Lächeln an. Ja, in Wirklichkeit ist es noch umwerfender als auf dem Bildschirm.
Dann lässt er mich los und steigt zu Jackie ins Auto, die mir - grinsend von einem Ohr bis zum anderen - zuwinkt. Ich winke zurück.
Und als das Auto losfährt, hole ich schnell meinen Schlüssel heraus und schließe auf. Dann höre ich plötzlich Schritte. Schwere Schritte. Ganz nah bei mir. Und noch schneller näher kommend. Hastig ziehe ich den Schlüssel ab und schließe die Tür hinter mir. Ich trete einen Schritt von der Tür weg und sehe durch die Glasscheibe, wie ein Schatten vor der Tür stehen bleibt. Dann höre ich, wie jemand an der Tür rüttelt. Doch diese ist von außen ohne Schlüssel nicht zu öffnen.
Ich höre ein leises Fluchen, dann entfernt sich der Schatten wieder. Die Schritte werden leiser, doch plötzlich stoppen sie abrupt.
Panisch laufe ich nach oben in meine Wohnung. Gehe hinein und schließe alles hinter mir ab. Und gehe ans Fenster. Doch da ist niemand zu sehen. So sehr ich auch zu allen Seiten hinausblicke, es ist weder auf der rechten noch auf der linken Straßenseite jemand zu sehen. Was also war das gerade eben? Oder wer?
Hat er mich gefunden?

25. Immer noch diese Idee
Die Nacht ist relativ kurz. Ich kann kaum einschlafen. Höre auf jedes Geräusch. Laufe oft zum Fenster. Aber da ist niemand mehr. Habe ich mir das alles nur eingebildet gestern Abend? Auch der Tag verläuft recht ereignislos. Die Arbeit ist wie immer. Dieselben Gesichter, dieselben Kunden. Josh hat heute Morgen beschlossen, das Café schon eine Stunde früher zu schließen. Er bekommt Besuch von seinem Bruder. Und als Inhaber kann er ja tun und lassen was er will.
Für mich ist das nur gut, da habe ich noch ein wenig mehr Zeit für mich. Frisch geduscht, angezogen und fertig gepackt warte ich kurz vor neun, dass ich Alex´ Auto um die Ecke kommen sehe. Und dann ist es auch endlich soweit. Ich greife nach der Tasche und verlasse meine Wohnung. Laufe schnell hinunter und sobald Alex das Auto zum Stehen bringt, steige ich ein. Ich habe gesehen, dass der Beifahrersitz leer ist.
"Hey", begrüßt er mich verwirrt. "Du hast es aber eilig."
Ich will nur nicht zu lange allein auf der Straße stehen. Aber das muss er nicht wissen. Ich drehe mich um, um Jackie und Mike zu begrüßen. Doch der Rücksitz ist leer. Nun bin ich es, die verwirrt aussieht.

"Jackie und Mike sind kurz nach vier schon los", erzählt Alex mir. "Wenn wir ankommen, ist es schon dunkel. Die zwei bauen die Zelte auf und ich hoffe, wenn wir da sind, gibt´s was zu essen." Er fährt los. "Oder willst du nicht mit mir allein im Auto sitzen?"
"Du wirst mich ja nicht gleich entführen, oder?" versuche ich einen Witz zu machen. Aber weder ich noch Alex lachen.
"Du brauchst bei mir keine Angst zu haben", sagt Alex leise, schaltet einen Gang höher und greift nach meiner Hand. Im ersten Moment spanne ich mich total an. Zu greifbar ist plötzlich wieder dieser Abend. An dem Emilio mich abgeholt hat. Und von dem ich nie wieder zurückgekehrt bin.
Doch das hier ist nicht Emilio.
Zaghaft sehe ich zu Alex. Der lächelt mich an. Und sein Lächeln wirkt einfach nur beruhigend. Ich lächle zurück. Und irgendwie ist die Welt gerade völlig in Ordnung.

Eine Stunde später fährt Alex in eine Seitenstraße. Vor uns sind schon seit einiger Zeit immer mehr Berge aufgetaucht. Es ist mehr ein Weg als eine Straße, die durch einen kleinen Wald zu einem Berg hinführt. Und dann kann ich in der Dunkelheit ein Licht ausmachen.
"Da sind sie ja endlich", sagt Alex, der das Licht wohl auch gerade entdeckt hat. Je näher wir kommen, desto deutlicher wird, dass es sich um ein Lagerfeuer handelt.
Alex parkt den Wagen neben dem anderen. Vermutlich dem von Mike. Und wir steigen aus.
"Da seid ihr ja endlich", fällt Jackie mir um den Hals. "Ich hab schon gedacht, du wolltest wirklich nicht mitkommen und Alex muss dich höchstpersönlich einpacken. Die Anordnung hatte er nämlich von mir." Sie grinst mich an.
"Nein, sie war sofort abfahrbereit", sagt Alex und holt unsere Taschen aus dem Auto.
"Welches?" sieht er seine Schwester dann an und deutet auf die zwei Zelte.
"Naja, wenn es euch nichts ausmacht, würden Mike und ich gern in einem schlafen", sieht Jackie mich abwartend an.
Wieso habe ich nichts anderes erwartet?

"Ich hoffe, ihr habt wenigstens an zwei getrennte Schlafsäcke gedacht", brummt Alex seine Schwester an und bringt seine und meine Tasche in das Zelt, das Mike ihm zeigt.
"Ihr habt geredet?" ziehe ich Jackie ein Stück weg von den beiden Männern.
"Ja", nickt Jackie. "Wir hatten ja seit vier Zeit."
"Und?" Mein Gott, warum müssen manche Leute sich alles aus der Nase ziehen lassen?
"Mike zieht zu mir", grinst sie plötzlich.
"Na, siehst du", sage ich zu ihr. "Dann hat sich das auch geklärt."
"Jap", sagt Jackie. "Und hast du über meine Idee mal nachgedacht?"
Diese Idee? Diese verrückte Idee? Zu heiraten? Nein, ganz sicher nicht.
"Jackie, das ist keine Lösung für alles", sage ich zu ihr und will zum Feuer zurück gehen.
"Ich habe schon mit Alex geredet", hält Jackie mich jedoch zurück.
Ich bleibe stehen und drehe mich zu ihr um. "Du hast was?" Glücklicherweise ist es dunkel. So sieht niemand, dass aus meinem Gesicht sämtliche Farbe weicht.
"Alex ist mein bester Freund", versucht Jackie sich zu entschuldigen. "Ich rede mit ihm über alles."
"Aber doch nicht darüber!" sage ich entsetzt.

Am liebsten würde ich sofort wieder nach Hause fahren.
"Jackie!" ruft Alex nach seiner Schwester. Die Männer stehen am Feuer und sehen zu uns. Alex sieht nicht gerade glücklich aus. Wahrscheinlich hat er mitbekommen, worüber wir geredet haben.
"Na super, jetzt seid ihr beide sauer", sagt Jackie leise und geht zum Feuer.
Wie? Beide sauer? Das heißt, Alex ist sauer, weil sie ihm das vorgeschlagen hat? Und wieso bringt sie dann nichts von dieser fixen Idee ab? Wenn sogar Alex dagegen ist - und ich dagegen bin - wieso lässt sie es nicht einfach auf sich beruhen?
"Kate, kommst du essen?" ruft Mike zu mir herüber.
Muss ich ja wohl. Ich kann ja jetzt wohl kaum fordern, dass mich jemand zurück nach Hause bringt. Diese eine Nacht überstehe ich auch noch irgendwie. Es ist nicht das Schlimmste, das mir in meinem Leben passiert ist.
Schweigend setze ich mich zu ihnen und nehme den Teller mit Suppe, den Alex mir reicht.
"Danke", sage ich leise und nehme auch den Löffel entgegen.

"Glaubst du wirklich, dass dieser Typ Kate in Ruhe lässt, wenn...?" spricht Alex das Thema plötzlich noch einmal an. Aber nicht aus.
"Wieso denn nicht?" sieht Jackie ihren Bruder an. "Welcher Kerl will denn noch eine Frau, die einem anderen gehört?"
Plötzlich ruhen alle Blicke auf mir. Ich schlucke das Essen herunter, das ich gerade im Mund hatte.
"Hört auf", sage ich leise. "Ich werde da niemanden mit reinziehen."
"Vielleicht schlaft ihr noch einmal eine Nacht darüber", sieht Jackie von mir zu Alex. "Und morgen bei Tageslicht reden wir noch einmal."
Alex und ich sehen uns an. Ich verdrehe die Augen und schüttle fast unmerklich mit dem Kopf, als Mike und Jackie sich küssen.
Alex wendet sich schweigend wieder seinem Essen zu.
Ganz toll. Jetzt bin ich mitten in der Pampa und werde auch noch unter Druck gesetzt. Hört das eigentlich nie auf?

26. Waschbär - oder Waschbrett?
Eine Stunde später beschließen Jackie und Mike schlafen zu gehen. Und Alex und ich auch. Immerhin wollen wir morgen ganz zeitig los. Ich bin schon total gespannt. Noch nie bin ich irgend einen Felsen oder Berg hinauf geklettert. Aber ich freue mich darauf.
"Welche Seite willst du?" fragt Alex mich und deutet ins Zelt.
"Ist mir egal", sage ich und gehe hinein. Auf die rechte Seite. Warum auch immer.
"Ich bin gleich da", sagt Alex. Und ich bin mir sicher, dass er mir ein paar Minuten gibt um mich fertig zu machen. Schnell schlüpfe ich in ein paar Shorts und ein Schlafshirt, dann krabble ich in den Schlafsack.
"Fertig?" sieht Alex hinein.
"Ja", sage ich und bleibe liegen. Ich höre, wie er den Reißverschluss zumacht und sich ebenfalls umzieht. Nein, ich werde nicht hinsehen! Definitiv nicht. Nein, auf keinen Fall.
Und außerdem ist es jetzt schon zu spät. Alex legt sich auf die andere Seite und schließt den Schlafsack.
"Gute Nacht, Kate", höre ich ihn sagen.
"Gute Nacht, Alex", sage ich und versuche ganz ruhig und gleichmäßig zu atmen.

Alex atmet ebenfalls nach einer Weile ganz gleichmäßig. Er ist wohl eingeschlafen. Nur ich kann es nicht. Mir geht diese Szene von gestern Abend auf einmal durch den Kopf. Die Türklinke, die herunter gedrückt wurde. Ob das einfach nur eine Verwechslung war? Oder ein anderer Irrer? Kann Emilio mich denn wirklich gefunden haben? Ich war doch mehr als nur vorsichtig.
Oder doch nicht genug?
Plötzlich höre ich draußen ein Knacken. Ich zucke zusammen und schlucke schwer. Was war das denn? Ist denn da jemand? Da! Es knackt wieder. Und es kommt näher.
Ich bleibe vor Angst völlig erstarrt liegen. Doch als es ein drittes Mal knackt, ist es vorbei mit meiner Starre. Ich krieche aus meinem Schlafsack und rutsche zu Alex herüber.
Schnell ziehe ich seinen Schlafsack auf und rutsche ganz nah zu ihm heran.

"Kate?" fragt er und ich lege die Hand auf seinen Mund. Doch er schiebt sie zur Seite. "Was ist denn los?"
"Da draußen", flüstere ich, "da ist jemand!" Und falls das noch möglich ist, rutsche ich noch näher zu ihm heran.
Und genau in diesem Moment knackt es wieder. Dann hört es sich an wie Papierknistern. Und dann schmatzt etwas. Oder jemand. Ich zucke zusammen und verberge mein Gesicht an seinem Hals. Vielleicht klappt es ja - wenn ich nichts sehe, sieht derjenige mich auch nicht.
Alex lacht leise an meinem Ohr. Ich bin wieder in meine Starre verfallen. Wie kann man denn jetzt lachen? Vielleicht bringt uns gleich jemand um!
"Das ist sicher nur ein Waschbär", flüstert er belustigt in mein Ohr.
Ein Waschbär?
"Lass mich mal nachsehen", sagt Alex und will aufstehen.
"Nein!" lege ich meine Arme um ihn. Denkt er, ich bleibe hier auch nur eine Sekunde alleine?
"Aber irgendjemand sollte ihn schon vertreiben", sagt Alex leise.
Ja. Irgendjemand. Aber definitiv nicht er. Nicht jetzt.

"Hau ab!" höre ich in diesem Moment Mikes Stimme. Und dann hört es sich an wie ein Stein.
"Das ist doch die Höhe", schimpft Mike und es raschelt draußen.
"Alles okay?" fragt Alex nach.
"Dieser kleine Waschbär hat sich echt die Schokoriegel gekrallt", schimpft Mike weiter.
"Und wie oft muss ich dir noch sagen, dass du kein Essen draußen rumliegen lassen sollst?" ruft Alex ihm zu.
"Jaja, schon gut, ich merke es mir ja jetzt", sagt Mike und dann höre ich, wie er zurück in das andere Zelt geht und es verschließt.
Ich kann immer noch kaum atmen. Ja, es war ein Waschbär. Nur ein kleiner Waschbär. Aber ich kann mich trotzdem nicht bewegen. Und ich will es auch nicht.
Eigentlich fühle ich mich ganz wohl hier. Bei Alex. Mmh, er riecht total gut. Ich lasse meinen Kopf an seiner Brust liegen und schließe die Augen.

"Kate?" höre ich nach einer Weile Alex fragen. Eigentlich war ich gerade dabei einzuschlafen. Ja, ich habe mich sicher gefühlt. Aber wer würde das denn nicht in seinen Armen?
"Mmh?" brumme ich nur als Antwort. Und lasse meinen Arm um seine Hüfte geschlungen liegen.
"Heißt das, du bleibst hier bei mir liegen?" will er leise wissen.
"Wenn ich darf", höre ich mich murmeln.
Alex lacht leise. "Weißt du, das ist ganz schön warm im Schlafsack", erzählt er mir.
"Ist genau richtig so", murmle ich verschlafen. Ja, mir gefällt es so. Ich friere nicht. Und ich fühle mich sicher. Nein, ich habe keine Beschwerden über diese Wärme.
Außerdem lasse ich es zu, dass mich Alex´ Duft voll und ganz einhüllt. Und dann legt er auch noch seinen Arm um mich. Das ist das letzte, das ich spüre, bevor ich einschlafe.

***
Als ich aufwache, ist es immer noch dunkel draußen. Aber es wird schon hell. Muss wohl noch ziemlich früh sein. Ich fühle mich irgendwie eingeengt und will mich auf die andere Seite drehen. Doch im nächsten Moment wird mir erst bewusst, warum ich mich so fühle. Ich liege dicht an Alex gekuschelt. Und da fehlt irgendetwas. Denn meine Hand liegt auf seinem... oh mein Gott! Hat der Mann einen Waschbrettbauch! Das fühlt sich ja wahnsinnig toll an. Und nein, ich glaube, ich kann diese Enge gerade doch ganz gut ertragen. Ja. Doch. Ist ganz angenehm. Warm.
Ich spüre das Grinsen auf meinen Lippen und lege meinen Kopf wieder an Alex´ Brust. Ganz vorsichtig streiche ich mit meiner Hand auf seinem Bauch ein klein wenig hin und her. Wer würde das denn jetzt nicht ausnützen?
Alex brummt leise und greift nach meiner Hand. Ich bleibe ganz still liegen und versuche sein Gesicht zu sehen. Aber aus meiner derzeitigen Lage ist das unmöglich. Also hebe ich den Kopf ein wenig an.

"Guten Morgen", sagt Alex ziemlich verschlafen und lässt meine Hand los.
"Morgen", erwidere ich und lege mich wieder hin. "Wo ist eigentlich dein Shirt hin?" will ich nun doch neugierig wissen.
"Es war einfach zu warm in einem Schlafsack", murmelt Alex und dreht sich auf den Rücken.
Och, jetzt ist mein tolles Kopfkissen weg.
"Komm wieder her", brummt er sofort und ich kuschle mich in seinen Arm. Ja, das ist auch okay.
Soso, ihm war also in der Nacht zu warm.
Seine Hand streichelt gerade auf und ab über meinen Rücken. Ich genieße diese Zärtlichkeiten und kann mich nicht zusammenreißen. Und so entschlüpft mir ein Schnurren.
"Soll ich aufhören?" zieht Alex mich auf.
"Nein", bitte ich ihn. Hör ja nicht auf! Ich könnte gerade ewig hier so liegen bleiben.


27. Rauf auf den Berg
"Wir sollten langsam aufstehen", höre ich Alex irgendwann sagen.
Die Idee finde ich gar nicht gut. Ich war gerade dabei wieder einzuschlafen. Denn endlich kann ich mal schlafen. Die ganze Nacht durch.
"Müssen wir?" murmle ich und kuschle mich weiter an ihn. Meine Hand liegt auf seiner Brust und irgendwann habe ich angefangen, ihn zu streicheln. Und da Alex nichts gesagt hat, gehe ich davon aus, dass er es mag.
"Ja, müssen wir", hört Alex auf meinen Rücken zu streicheln. "Weil wir sonst den ganzen Tag hier bleiben werden..."
Verwirrt sehe ich auf. Was meint er denn damit? Den ganzen Tag? Hier? Inzwischen ist es hell genug, dass ich sein Gesicht im Zelt erkenne. Oh! Oh? Oh!!!
Wie lange ist es eigentlich her, dass ich mit einem normalen Mann zusammen war? Natürlich lässt es ihn nicht ganz gleichgültig, wenn ich die ganze Zeit über seinen Oberkörper streiche. Ich rutsche ein Stück von ihm weg. Aber es geht nicht wirklich. Denn der Schlafsack ist immer noch geschlossen.

"Du sollst ja nicht gleich weggehen", zieht Alex mich zurück in seine Arme. Und plötzlich sind unsere Lippen einander nah. Zu nah. Mmh, alles riecht nach Alex. Und besonders Alex riecht nach Alex.
Und Alex fühlt sich an nach Alex. Als seine Lippen plötzlich auf meinen liegen.
Die Welt hört auf sich zu drehen. Die Zeit steht still. Ich spüre das Blut in meine Ohren rauschen. Und mein Herz schlagen. Und Alex´ Herz, das im gleichen Takt schlägt. Und seine Hände, die auf meinem Rücken liegen.
Ich wünschte, dieser Kuss würde nie aufhören. Jetzt weiß ich, dass es noch etwas anderes gibt. Echte Gefühle. Dieses Kribbeln im Bauch. Immer, wenn ich bei Alex bin, wünschte ich, ich könnte die Zeit anhalten und in diesem Moment leben.
Aber das geht nicht.
Und auch dieser Kuss hört auf. Aber nur, weil uns Mikes Stimme stört: "Hey! Seid ihr wach? Wir sollten dann frühstücken!" Und er klopft aufs Zelt.

Alex und ich fahren auseinander.
"Wenn wir leise sind, geht er vielleicht wieder weg", flüstert Alex in mein Ohr und grinst mich dann an.
Doch Mike denkt gar nicht daran uns allein zu lassen. "Los, raus mit euch! Sonst schick ich Jackie mit dem Eimer rein!"
"Wir sind gleich draußen", ruft Alex ihm zu.
"Gut", brummt Mike und seine Schritte entfernen sich.
Ich versuche an den Reißverschluss zu kommen, um aus dem Schlafsack zu klettern. Doch ich komme einfach nicht dran. Alex fasst plötzlich hinter mich und zieht den Reißverschluss auf. Aber nun liege ich wieder in seinen Armen. Und verliere mich in seinen Augen. Was wollte ich noch gleich gerade tun? Egal. Kann nicht so wichtig gewesen sein.
"Wenn wir jetzt nicht aufstehen, kann ich für nichts mehr garantieren", sagt Alex heiser.
"So?" ziehe ich ihn auf.
Seine Hand fährt aufreizend an meiner Seite entlang, um dann am Saum meines Shirts liegen zu bleiben - und zwei Finger darunter zu stecken.

Doch als ich seine Finger auf meiner nackten Haut spüre, ist der Zauber verschwunden.
"Okay", rutsche ich etwas zu panisch aus dem Schlafsack.
Alex setzt sich auf und zieht mich zurück.
"Ich werde nichts tun, was du nicht willst, hast du gehört?" fragt er leise.
Ein Blick in seine Augen zeigt mir, dass er die Wahrheit sagt.
"Okay", nicke ich tonlos.
Alex lässt mich los und ich krabble nach vorn. Wo unsere Taschen liegen. Schnell greife ich nach einer Hose und einem langärmligen Shirt und ziehe mich um. Alex liegt immer noch da und starrt an die Decke.
"Ich bin fertig", sage ich dann und gehe nach draußen.
"Morgen", sieht Jackie mir entgegen. "Gut geschlafen?"
Ich nicke.
"Der Waschbär gestern Abend war ganz schön unheimlich", sagt Jackie. "Ich hab gedacht, hier schleicht einer rum."
"Ich auch", gebe ich zu.
Jackie wirft mir einen fragenden Blick zu, doch sie sagt nichts mehr.

Als Alex und Mike endlich zu uns kommen, frühstücken wir gemeinsam. Dann packen wir ein paar Sachen zusammen und brechen auf. Nach einer halben Stunde Fußmarsch stehen wir am Fuße des Berges.
"Da hoch?" bin ich nun doch ganz schön eingeschüchtert.
"Ja, da hoch", grinst Jackie mich an.
"Ich gehe vor", sagt Mike und hat schon einen... naja, man könnte es Weg nennen... gefunden. Jackie steigt langsam hinter ihm her.
"Alles okay?" fragt Alex hinter mir.
"Ich hätte nicht gedacht, dass es so... steil ist", sage ich, doch dann laufe ich Jackie hinterher.
Gut, dass ich keine Höhenangst habe. Oder? Bis jetzt war ich ja noch nie so weit oben.
Es dauert fast drei Stunden, dann sind wir kurz vor dem Gipfel. Ich trete gerade in Jackies Fußstapfen - als der Boden unter mir nachgibt. Ein paar kleine Steine rutschen weg - und ich verliere mein Gleichgewicht.
Doch bevor ich überhaupt aufschreien kann, werde ich schon festgehalten.

"Du kannst dich doch nicht so einfach aus dem Staub machen", zieht Alex mich an sich heran.
Schweratmend klammere ich mich an ihn. Nein, ich mache hier keinen Schritt weiter! Oh, ich glaube, ich habe doch Höhenangst.
"Kate, wir müssen da rauf", deutet Alex mit dem Kopf auf das Ende des Berges zwei Meter über uns. "Du schaffst das, okay?"
"Okay", nicke ich - sein Blick scheint mich zu hypnotisieren. Alex dreht mich um und schiebt mich weiter. Langsam und übervorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen. Und dann sind wir oben angekommen. Ich setze meine Füße auf den Gipfel und warte, dass Alex mir folgt.
Mike und Jackie stehen schon eng umschlungen ein Stück entfernt und sehen sich die Landschaft an.
"Danke", sage ich leise zu Alex. Ich bin mir sicher, dass ich ohne ihn da eben stehen geblieben wäre.
Alex lächelt mich an und zieht mich ebenfalls an sich. Ich lehne mich mit dem Rücken an ihn und entdecke die Aussicht. Es ist unglaublich hier oben! Man kann unendlich weit sehen. Die Landschaft. Weit hinten ist ein kleiner See. Ich hätte nie gedacht, dass es so atemberaubend sein würde. Hier oben zu stehen. Und in Alex´ Armen zu liegen.

28. Picknick auf dem Berg
"Picknick?" sieht Jackie uns fragend an.
"Ja, gute Idee", nickt Alex und geht zu einer kleinen Baumgruppe. Dann holt er eine Decke aus seinem Rucksack und breitet sie auf dem Boden aus.
Ich merke jetzt auch erst, wie hungrig ich eigentlich bin.
"Schokoriegel gibts keine mehr", grinst Mike in die Runde.
"Ja, das haben wir uns nach dem nächtlichen Besuch auch schon gedacht", lacht Alex zurück. "Aber du hörst ja nie!"
"Hört auf, ihr zwei", greift Jackie sofort ein, bevor die beiden Männer eine weitere Diskussion beginnen.
Wir packen das Essen aus und setzen uns auf die Decke.
"Ich hätte schon Lust, zu dem kleinen See da zu fahren und heute Nacht dort zu bleiben", höre ich Jackie plötzlich sagen.
"Dann machen wir das doch", sieht Mike zu uns herüber.
Ich nicke nur. Mir ist es egal. Da ich mich hier am allerwenigsten auskenne, bleibt mir sowieso nichts anderes übrig als mit ihnen mitzugehen.

„Wir sollten uns noch ne Weile hier ausruhen“, sagt Alex. „In der prallen Mittagssonne da wieder runter ist auch nicht grad der Hit.“
„Wir können auch auf der Schattenseite runter gehen“, schlägt Jackie vor.
Alex zuckt mit den Schultern. „Aber trotzdem sollten wir noch ne Weile ausruhen“, sagt er noch einmal. „Kate ist im Klettern nicht so geübt wie wir. Die Pause wird ihr gut tun.“
„Oh, ihr müsst auf mich keine Rücksicht nehmen“, sage ich schnell. Ich will keine Sonderbehandlung.
„Alex hat Recht“, sieht Jackie mich jedoch an. „Bleiben wir einfach noch ne Weile hier.“ Sie lehnt sich mit dem Rücken an Mike und er legt seine Arme um sie. „Habt ihr zwei nun schon einmal wegen ner Hochzeit geredet?“ sieht sie dann wieder mich und Alex an.
„Jackie!“ stöhnt Alex genervt auf.
„Ja, Bruderherz, ich weiß, dass du was gegen die Ehe hast“, grinst Jackie ihn frech an. „Aber sieh es doch mal von der anderen Seite: du kannst hier ein Leben retten. Und das machst du doch so gern, oder?“

Mir ist das alles gerade zu viel.
„Entschuldigt mich kurz“, stehe ich auf und gehe ein Stück von allen weg. Am Rand der Klippe auf der anderen Seite bleibe ich stehen. Und sehe hinunter.
Wenn ich nicht so ein Feigling wäre, hätte ich hier vielleicht Schluss machen können. Ich weiß, dass Jackie es nur gut meint. Doch ich kann von niemandem verlangen, dass er für mich einsteht. Nicht nach Christian. Ich habe viel zu große Angst davor, dass das noch einmal passieren könnte. Und ich könnte das nicht noch einmal überstehen. Ich will auch nicht, dass Alex oder Jackie oder Mike etwas passiert. Vielleicht wäre es besser, wenn ich... ja, wenn ich den Kontakt einfach wieder abbrechen würde. Jackie geht sowieso bald zurück nach Australien. Mike wird mit ihr gehen. Und Alex hat seine Arbeit. Es sollte einfach sein, wieder in mein bescheidenes, kleines Leben zurückzukehren.
„Hey“, tippt Alex mich plötzlich an der Schulter an.
Ich schrecke zusammen, denn ich habe mit niemandem gerechnet. Alex legt sofort seine Arme um mich. Wahrscheinlich hat er mehr Angst davor, dass ich abrutsche als ich selbst. Aber es ist auch kein schlechtes Gefühl, wieder in seinen Armen zu liegen.

„Geht schon“, sage ich dennoch und schiebe ihn von mir.
„Vielleicht sollten wir doch einmal über Jackies Vorschlag reden“, meint Alex.
„Es gibt nichts zu reden“, sehe ich in die Ferne. „Er wird mich nie finden.“ Das hoffe ich doch. Aber wenn ich an diese Vorfälle an den Abenden denke... Nein, lieber nicht.
„Und was wenn doch?“ sucht Alex meinen Blick. „Nach allem, was ich von Jackie gehört habe, ist der Kerl wirklich verrückt. Und wenn du und ich... ich meine, so schlimm ist eine Heirat ja auch nicht...“
„Nein!“ falle ich Alex ins Wort. „Du hast dein Leben. Und ich habe meins... oder was auch immer davon noch übrig ist. Jedenfalls schaffe ich das schon allein.“
„Das musst du aber nicht“, widerspricht mir Alex wieder.
„Werde ich aber“, sehe ich ihn trotzig an.
Alex lacht leise auf. „Weißt du, wie süß du bist, wenn du sauer bist?“ fragt er.
„Das hatten wir schon“, drehe ich mich von ihm weg.
Nein, ich werde mich jetzt nicht von ihm überreden lassen. Und wenn ich ihn nicht ansehe, wird das garantiert auch nicht passieren.

„Kate“, legt er seinen Arm auf meine Schulter, doch ich schüttle ihn ab.
„Ich muss nicht von dir gerettet werden“, sage ich leise. Und doch würde ich es so gern. Aber es geht nicht. Ich schaff das schon. Irgendwie.
Und eigentlich bin ich mir sicher, dass Alex mich jetzt allein lassen wird. Doch als ich mich vorsichtig umsehe, steht er immer noch da. Und sieht mich an.
Und ich kann nichts dagegen tun. Ich gehe die zwei Schritte auf ihn zu und lehne mich an ihn. Meinen Kopf bette ich auf seine Brust und meine Arme lege ich um seine Taille. Alex hält mich fest und ich spüre seinen Atem in meinem Haar.
Natürlich will ich nicht, dass er geht. Ich fühle mich das erste Mal seit Jahren wieder sicher. Beschützt. Und auch lebendig. Wenn nicht heute – morgen muss ich das alles hier aufgeben. Zu seinem Schutz. Aber heute... heute kann ich es noch genießen, ihm nah zu sein.
„Lass mich für dich da sein, Kate“, flüstert Alex in mein Ohr.
„Okay“, flüstere ich zurück. Das „nur für heute“ füge ich nur in Gedanken hinzu. Ja, für heute. Heute lasse ich es einfach zu, dass jemand anderes für mich da ist.

Alex und ich stehen eine Weile noch da. Ohne etwas zu sagen. Ich habe meine Augen geschlossen und lasse einfach seine Gegenwart auf mich wirken.
„Wir sollten aus der Sonne gehen“, sagt Alex dann zu mir und sieht mich an. „Du kannst dich auch etwas hinlegen.“
Ja, müde bin ich schon. Und so langsam habe ich das Gefühl, als würde ich einen richtig fiesen Muskelkater bekommen. Kein Wunder, da ich solche Anstrengungen ja nicht gewohnt bin. Und jetzt dazu noch diese Mittagshitze...
Ich lasse es zu, dass Alex mich an die Hand nimmt und zurück zur Decke geht.
„Alles okay, Kate?“ sieht Jackie mich fragend an.
„Bin nur ein wenig ko“, antworte ich ihr. Alex setzt sich und zieht mich in seine Arme. Der fragende Blick, den Jackie ihrem Bruder zuwirft, entgeht mir nicht. Aber ich bin wirklich einfach zu fertig, um mich jetzt damit zu beschäftigen.
„So ging es mir nach unserem ersten Trip auch“, höre ich Jackie sagen. „Schlaf doch ein wenig. Und dann gehen wir langsam wieder zurück.“
Doch meine Augen sind schon zu. Alex´ Arme liegen rechts und links neben mir und halten mich fest. Ich habe meine Finger in seine gelegt. Ich spüre seinen Herzschlag und auch, dass sich seine Brust dauernd gleichmäßig hebt und senkt, wenn er atmet. Es ist außer ein paar Vögeln hier nichts zu hören. Und so sinke ich ins Land der Träume...

29. Muskelkater und Sonnenbrand
"Kate!" Wie durch Watte höre ich meinen Namen. "Kate! Süße, aufwachen!" höre ich noch eine zweite Stimme. "Kate!" Da! Das war wieder die tiefere Stimme. Emilio?
Erschrocken reiße ich meine Augen auf und will von demjenigen wegrücken, der mich festhält. Doch schnell erkenne ich, dass es Alex ist.
"Entschuldige", sage ich leise. Ich habe gerade ziemlich gegen sein Bein getreten - weil ich dachte, ich wäre in Gefahr.
"Ich werd´s überleben", zwinkert Alex mir zu.
"Kate, du hast jetzt ne Stunde geschlafen", sieht Jackie mich an. "Wir sollten langsam aufbrechen und zurück gehen."
"Eine Stunde?" Wirklich? So lange? Ich war wirklich fertig, denn ich habe überhaupt nichts mitbekommen. Ich sehe zu Alex. "Und du hast die ganze Zeit hier gesessen?"
"Er hat doch auch geschlafen", brummt Mike und grinst dann. "Was habt ihr bloß gemacht in der Nacht, dass ihr beide noch so müde seid?"
"Witzig", knurrt Alex und ich stehe auf. Keiner geht auf diesen Kommentar näher ein, auch wenn ich Jackies fragenden Blick bemerke.

Schnell packen wir alle die Sachen zusammen und dann machen wir uns an den Abstieg. Das ist irgendwie doch schwieriger als ich mir vorgestellt habe. Ich dachte, hinunter wäre einfach. Aber jetzt sehe ich ja andauernd nach unten - und das bekommt mir ganz und gar nicht.
"Warte, ich gehe vor dir", hält Alex mich plötzlich fest und schlängelt sich an mir vorbei. Ja, gute Idee. So achte ich mehr auf ihn als auf den Abgrund, der sich da vor mir auftut.
Gegen vier erreichen wir endlich unser Lager. Ich spüre mittlerweile weder meine Füße noch meine Rücken noch irgendeinen anderen Körperteil von mir. Ich würde mich jetzt am liebsten irgendwo hinlegen und die nächste Woche einfach liegen bleiben. Doch Mike und Jackie fangen schon an ihr Zelt abzubauen, weil sie weiter an den kleinen See fahren wollen.
"Setz dich ins Auto", höre ich Alex sagen, als ich ihm beim Abbau unseres Zeltes helfen will.
"Nein, ich helfe dir", sage ich matt und rolle den Schlafsack weiter zusammen.
"Dich muss man auch zu deinem Gllück zwingen, oder?" Alex nimmt mir den Schlafsack aus der Hand.
"Was willst du jetzt machen?" sehe ich ihn wütend an. Ja, ein paar Reservekräfte habe ich noch. "Mich ins Auto tragen?"

Hätte ich das lieber nicht gesagt. Denn Alex schmeißt den Schlafsack zurück ins Zelt - und hat mich im nächsten Moment hoch gehoben.
"Alex!" rufe ich erschrocken aus.
"Hey, übt ihr schon für die Hochzeitsnacht?" ruft uns Mike lachend zu.
"Lass mich runter", bitte ich Alex.
"Mach ich gleich", grinst er und trägt mich zum Auto. Dort öffnet er die Tür und setzt mich auf den Beifahrersitz. "Du wartest hier. Hast du gehört? Wenn du nochmal aussteigst, versohl ich dir den Hintern!"
"Das will ich sehen", stecke ich ihm meine Zunge heraus.
Alex kommt ganz nah an mich heran. Und mein Herz beginnt wieder zu rasen. "Das wirst du dann auch sehen", grinst er mich an. Dreht sich um und geht weiter zusammen packen.
Mir passt das gar nicht. Dass er alles alleine machen muss. Aber auf der anderen Seite spüre ich nun jeden Knochen in meinem Körper. Ich wusste gar nicht, dass ich an so vielen Stellen Muskelkater haben kann - dass ich überhaupt so viele Muskeln an so vielen Stellen habe!

"Hey, Süße, alles okay?" kommt Jackie zu mir.
"Ich weiß nicht", sage ich. "Mir tut alles weh."
"Muskelkater", grinst sie. "Ich hab was zum Einreiben dabei. Wir gehen nachher ne Runde in den See uns abkühlen und dann kann Alex oder ich dir beim Einreiben helfen."
"Danke", sage ich leise.
"Du und Alex, ihr wärt schon ein tolles Paar", sieht Jackie zu ihrem Bruder.
"Es wird aber kein Alex und ich geben", sage ich zu ihr.
"Wer weiß?" grinst sie mich an und geht zurück zu Mike. Wieso ist sie nur so stur?
Alex kommt gerade und packt alle Sachen ins Auto.
"Wir können", ruft er Mike zu und setzt sich ans Steuer. "Alles okay?"
"Ich glaube, ich schlafe heute Nacht hier", murmle ich. Und bin entsetzt, das mir sogar mein Gesicht beim Sprechen weh tut.
"Ich glaub, du hast dir einen Sonnenbrand geholt", sieht Alex mich kurz aufmerksam an. "Im Gesicht."
Auch das noch! Der Muskelkater allein reicht wohl noch nicht. Nein, ich muss noch mehr leiden! Womit habe ich das verdient?

Die Fahrt dauert nur eine Viertelstunde. Dann halten Mike und Alex die Autos an und wir steigen alle aus.
"Wow!" sagt Jackie - und sagt somit alles, was auch mir eingefallen wäre.
"Also, dann bauen wir alles wieder auf", verzieht Mike sein Gesicht und holt auch schon das Zelt aus seinem Auto.
"Können Kate und ich schon ins Wasser springen? Wir machen dann auch das Abendessen", sieht sie ihren Freund und ihren Bruder flehend an.
"Von mir aus", murmelt Alex und ich gehe ihm schnell hinterher.
"Ich helfe dir erst beim Aufbauen", sage ich zu ihm.
"Nein, du gehst mit Jackie", sagt Alex und drückt mich zurück.
"Bist du sauer?" frage ich leise, weil er so reagiert.
"Nein, nur langsam müde und hungrig", sieht Alex mich lächelnd an. "Mike und ich bauen schnell die Zelte auf, dann kommen wir zu euch ins Wasser."
"Also gut", gebe ich mich geschlagen, denn schon ruft Jackie nach mir. Schnell greife ich in meine Tasche und verschwinde hinter einem großen Baum. Um mich umzuziehen.

30. Von Schlangen, Gewittern und Waschbären 
Das Wasser ist angenehm kühl. Den ganzen Tag war es heiß. Und das hier tut einfach total gut. Jackie ist schon ein Stück raus geschwommen und kommt gerade wieder zurück. Ich stehe bis zur Hüfte im Wasser und sehe zu Alex und Mike, die gerade mit dem Aufbau fertig geworden sind.
"Könnte heute Nacht noch etwas regnen", deutet Jackie auf eine Wolke ganz hinten am Himmel.
"Meinst du?" frage ich zweifelnd. Wann regnet es denn hier schon mal?
"Ja, könnte sein", nickt Jackie.
"Was könnte sein?" fragt Mike, der soeben mit Alex ins Wasser kommt.
"Dass es heute regnet", antwortet Jackie.
"Ja, könnte sein", nickt auch Mike.
"Oh, ich dachte schon, du meinst da hinten die kleine Seeschlange", deutet Alex hinter uns.
"Was?" Seeschlange? Wo? Wie? SCHLANGE? Ich sehe Alex mit erschrockenen Augen an.
"Du solltest einfach still halten, dann schwimmt sie von allein weg", sagt Alex mit ruhiger Stimme zu mir. Aber ruhig? Und Schlange? Nein, da passen zwei Worte definitiv NICHT zueinander.

Und noch schneller als ich denken kann, hänge ich an Alex. Ich lege meine Arme um seinen Hals und halte mich fest. Meine Beine halte ich so hoch, dass sie die Wasseroberfläche nicht berühren. Dass ich an ihm hänge wie ein kleiner Kletteraffe - mit den Beinen um seinen Körper gepresst - entgeht mir im Moment völlig. Ich habe definitiv mehr Angst vor Schlangen als vor jedem anderen Tier. Und wenn mir irgendjemand gesagt hätte, dass in diesem See Schlangen sind, wäre ich definitiv NICHT hinein gegangen!
"Du solltest still halten", sagt Alex leise dicht an meinem Ohr.
Ich drehe meinen Kopf zu ihm - und unsere Gesichter sind nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt.
"Ich halte doch still", flüstere ich mit zitternder Stimme. Alex legt seine Arme um mich und hält mich fest.
"Sie kommt", sagt er und sieht mir in die Augen.
Erschrocken sehe ich nach unten. Klein. Grün. Dünn. Und glitschig. Eklig! Ich sehe lieber wieder in Alex´ Augen.
"Sie wird dich aber nicht beißen, oder?" frage ich ängstlich.

"Wenn wir still halten, dann nicht", antwortet Alex. Ich sehe zu Jackie und Mike. Die stehen auch ganz still da. Und Jackie kann sich trotz dieser Gefahr ein Grinsen nicht verkneifen.
Also sehe ich schnell wieder zu Alex. Versinke lieber in seinen Augen.
"Ist sie weg?" will ich dann wissen.
"Nein", sagt Alex nur.
Ich drücke ihn noch fester an mich. "Wie lange denn noch?" frage ich.
"Wir gehen langsam raus", ruft Mike uns in diesem Moment zu. "Die Schlange schwimmt grad weg."
"Gut", sage ich erleichtert.
"Dann... lass ich dich jetzt wieder runter?" fragt Alex amüsiert.
"Nein!" rufe ich erschrocken. Und sehe ihn wieder an. "Bitte nicht."
"Dann hängst du den ganzen Abend an mir?" Wie kann Mann nur so frech sein?
"Nein, nur bis wir aus dem Wasser sind", antworte ich ihm.
"Okay", sagt Alex und bewegt sich keinen Millimeter.
"Was wird das?" will ich wissen.
"Wir bleiben hier", sagt Alex.
"Nein, du gehst da jetzt raus", bettle ich.
"Was krieg ich dafür?" flüstert er in mein Ohr.
"Was willst du?" sehe ich ihn an.
Alex antwortet nicht. Er beugt sich zu mir vor und küsst mich einfach.

Ja, ich liebe seine Küsse. Sie wecken so viel mehr in mir. Nur wird mir gerade bewusst, wie wenig Stoff da noch zwischen uns ist. Ich spüre an meinem Bauch die kleinen Härchen auf seinem Bauch. Es fühlt sich nicht unangenehm an. Eher das Gegenteil.
"Hey! Die Schlange ist schon auf der anderen Seite des Sees angekommen", höre ich Mike rufen. "Kannst du Kate jetzt mal raus bringen? Ich habe Hunger!"
War ja klar. Männer und Essen. Da ist ihnen alles egal. Und auch jegliche Erziehung lässt dann nach.
Alex löst sich von meinen Lippen und lächelt mich verträumt an.
"Ist es okay, wenn wir später hier weiter machen?" fragt er mich leise.
Ich kann nur nicken. Was immer das auch bedeutet. Aber für mehr Küsse bin ich allemal.
Alex geht nun langsam mit mir aus dem Wasser. Als er stehen bleibt, lasse ich mich wieder auf den Boden gleiten.
"Danke", sage ich zu ihm. Und gehe zu Jackie.

Kochen ist mit den wenigen Zutaten wohl zuviel gesagt. Aber wir machen eine Suppe warm und zusammen mit dem Brot schmeckt es doch recht gut und alle werden satt. Später halten wir noch ein paar Marshmallows ins Feuer. Als plötzlich ein paar Tropfen auf das Zelt und uns fallen. Und aus diesen Tropfen werden schnell mehr. Viel mehr.
Wir können uns gerade noch in unsere Zelte retten, als draußen ein regelrechtes Unwetter am Himmel hereinbricht. Ein paar Blitze leuchten auf und Donner grollt. Gewitter ist wohl nach Schlangen das zweite, was ich in der freien Natur nicht mag - stelle ich gerade fest.
"Alex?" sehe ich zu ihm. Er ist gerade dabei in seinen Schlafsack zu krabbeln.
Er legt sich hinein und hält seine Decke für mich auf. Lächelnd krieche ich zu ihm und lege mich mit in den Schlafsack.
"Danke", sage ich zu ihm und kuschle mich an ihn.
"Du schuldest mir noch was", sagt er und streichelt über meinen Arm.
"Tue ich das?" sehe ich ihn an. Was angesichts der Dunkelheit gar nicht so einfach ist. Doch die Blitze kommen öfter und so können wir uns immer sekundenlang in die Augen sehen.

"Mmh", macht Alex. Ich lege meine Hände um sein Gesicht und streichle über seine Wangen. Nur heute. Heute will ich das hier einfach nur genießen. Nur er und ich.
Ich hebe meinen Kopf und Alex kommt mir entgegen. Das Gewitter um uns herum ist mir plötzlich egal. Und alles andere auch. Bis auf... bis auf...
"Ist das der Reißverschluss von unserem Zelt?" sehe ich Alex verwirrt an.
Alex sieht mich ebenso verwirrt an. Doch wieder hören wir, dass am Reißverschluss des Einganges gerüttelt wird. Und dann geht der Reißverschluss ein Stück auf. - Und ein kleiner Waschbär kommt ins Zelt. Er sieht sich um, bleibt dann im Vorzelt sitzen.
"Ich glaub, da flüchtet noch jemand vor dem Regen", grinst Alex mich an.
Der kleine Bär sucht sich ein Plätzchen auf meiner Tasche, legt sich hin und... schläft er da jetzt etwa?
"Sollen wir ihn da liegen lassen?" frage ich leise.
"Naja, solange nicht die ganze Familie antanzt, können wir ihn ja da schlafen lassen", meint Alex.
Ich werde also immer an diesen Ausflug denken, wenn ich Waschbären sehe. Wehmütig lächle ich in der Dunkelheit in Richtung des kleinen Kerls. Ja, ich werde mich immer an diese Zeit hier erinnern.

"Kate?" zieht Alex mich jetzt wieder zu sich heran.
"Ja?" frage ich leise.
"Darf ich dich noch einmal küssen?" will er wissen.
"Ich warte", lächle ich.
Und dann passiert es. Wieder. Und wieder. Und wieder. Keiner von uns beiden kann aufhören dem anderen nah zu sein.
Und ich wünschte, mein Herz würde dabei nicht so weh tun - bei dem Gedanken daran, dass morgen alles vorbei sein wird. Doch diesen Gedanken schiebe ich schnell zur Seite.






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