Alex O`Loughlin German FanClub
  Untie these hands 6
 
31. Nacht-Massage und Guten-Morgen-Kuss
Als ich dieses Mal in der Nacht wach werde, höre ich immer noch den Regen, der auf unser Zelt trommelt. Doch das Gewitter scheint vorbei zu sein. Wie lange habe ich überhaupt geschlafen? Ich versuche mich auf die Seite zu drehen - aber das geht nur unter Schmerzen. Habe ich jemals solche Schmerzen gehabt? Die waren doch den ganzen Nachmittag wieder weg.
Ich versuche mir auf die Lippe zu beißen, um Alex nicht zu wecken. Hatte Jackie nicht etwas von einer Salbe erzählt? Aber ich kann sie ja nicht mitten in der Nacht wecken. Aber vielleicht hilft ja auch eine Schmerztablette. Für den Anfang. Besser als nichts.
Langsam öffne ich den Reißverschluss vom Schlafsack und krieche nach vorn. Im ersten Moment warte ich noch und versuche etwas zu erkennen. Doch der kleine Waschbär scheint nicht mehr da zu sein.
"Kate?" höre ich Alex fragen.
"Schlaf weiter", flüstere ich ihm zu.
"Wo willst du denn hin?" setzt er sich nun auf. "Wie spät ist es überhaupt?" Ich sehe, wie er sein Handy anmacht. "Kurz nach elf Uhr erst. Wieso schläfst du nicht?"
"Ich suche mir nur schnell ne Tablette oder so was", sage ich und öffne meine Tasche. Habe ich überhaupt Schmerztabletten eingepackt?

"Tabletten? Wozu das denn?" höre ich Alex hinter mir. Nun ist er auch aufgestanden und hat die Taschenlampe angemacht.
"Mir tut alles weh", sage ich nun und hoffe, meine Stimme klingt nicht so wehleidig wie ich mich fühle.
"Oh man, wir haben ganz vergessen dich einzucremen", fällt ihm nun auch ein. "Warte! Ich habe dieselbe Salbe dabei wie Kate. Ich hol sie schnell." Er kniet sich neben mich und kramt in seiner Tasche herum. "Hab sie", verkündet er dann.
Also krieche ich zähnezusammenbeißend wieder zurück und lasse mich einfach auf den Schlafsack fallen. Aber dieses Mal auf meinen.
"Kannst du... du solltest... dein Shirt... wenn ich dir den Rücken einmassiere, solltest du vielleicht besser dein Shirt ausziehen", sagt Alex, der sich neben mich gehockt hat.
"Dreh dich um", bitte ich ihn und ziehe - so schnell es mir möglich - ist mein Shirt aus. Dann lege ich mich wieder auf den Bauch. Da ich nur kurze Schlafshorts trage, sollte der Rest wohl kein Problem werden.

Ich höre, wie Alex die Tube öffnet und dann spüre ich kalte Salbe auf meiner Haus. Als ich zischend die Luft einsauge, entschuldigt er sich sofort. Doch dann wird es warm. Alex legt seine Hände auf meine Rücken und cremt mich ganz vorsichtig ein. Ganz zärtlich fängt er an mich zu massieren.
"Du hast deinen Beruf verfehlt", murmle ich und genieße diese leichte Massage. Langsam beginne ich mich zu entspannen. Und gleich tut alles auch nicht mehr ganz so weh.
Alex lacht leise und massiert weiter. Meinen Rücken. Die Schultern. Die Arme. Und die Beine. Und ich bin völlig entspannt, als er aufhört.
"Kate?" höre ich ihn leise fragen.
"Weitermachen", bitte ich ihn.
"Ich dachte, du schläfst schon", grinst er. "Außerdem reicht es jetzt. Sonst wird es zu viel."
"Was machst du?" will ich wissen, als er wegrückt.
"Ich hole nur meinen Schlafsack um dich zuzudecken", antwortet er.
"Und du?" will ich wissen.
"Ich bleibe neben dir liegen", antwortet er und schon spüre ich seinen Körper neben meinem.

"Danke", sage ich leise und kuschle mich an ihn.
"Du kannst dich ja mal revanchieren", flüstert er mir ins Ohr.
"Morgen", flüstere ich. Ich bin jetzt einfach nur noch müde.
"Schlaf schön, Kate", sagt Alex.
"Du auch", erwidere ich. Und dann bekomme ich noch einen Gute-Nacht-Kuss. Daran könnte ich mich gewöhnen. Viel zu leicht.
Als ich am Morgen erwache, liege ich glücklicherweise immer noch auf dem Bauch. Alex liegt an meiner Seite und schläft noch. Zeit für mich ihn ein wenig in Ruhe zu betrachten. Er sieht total entspannt aus. Ja, fast glücklich. Liegt es daran, dass er mich im Arm hält? Oder sieht er immer so süß aus, wenn er schläft?
"Du beobachtest mich", schlägt er plötzlich seine Augen auf und lächelt. Dieses unglaublich süße, umwerfende Lächeln. Das mich total verzaubert. Und dazu noch seine Augen... Das Märchenland existiert wirklich, oder? Denn ich habe den Prinzen hier vor mir liegen.

"Ich sollte mich anziehen", sage ich zu ihm, hebe meinen Kopf und sehe mich suchend nach meinem Shirt um.
"Wieso? Das ist doch gerade ausgleichende Gerechtigkeit", zieht Alex mich zu sich heran.
Ja, ich spüre, dass ihm die Nacht wohl wieder zu warm neben mir gewesen sein muss. Genau wie gestern. Doch im Gegensatz zur letzten Nacht macht mir das gerade keine Angst. Alex legt seinen Arm um mich - und dann dreht er sich mit mir in seinen Armen um. Nun liege ich unter ihm und sehe ihn an. Meine Arme habe ich verschränkt vor meinem Körper. Ganz wohl ist mir hier nicht, aber ich habe keine Angst. Und das ist doch schon mal ein gutes Zeichen, oder?
"Wir könnten hier bleiben", höre ich Alex sagen. "Nur du und ich."
"Hier?" sehe ich ihn fragend an. "Mit den Waschbären?"
"Ach, denen bauen wir ein eigenes kleines Häuschen", lächelt Alex mich an. Ich glaube, ich verliebe mich gerade. Oder habe ich das schon längst?
"Hier? Am See?" hake ich noch einmal nach.
"Ja, nur wir zwei", nickt er und streicht meine Haare aus dem Gesicht. "Du würdest jeden Morgen in meinen Armen aufwachen."
"Und das würde dir gefallen?" frage ich nach.
Als Antwort lächelt Alex nur - und dann küsst er mich. Ja, das würde mir auf jeden Fall gefallen. Jeden Morgen mit so einem Kuss geweckt zu werden...

Alex´ Hand liegt auf meinem Oberarm und streichelt langsam den ganzen Arm entlang nach unten. Dann rutscht sie auf meine Hüfte. Ich habe Angst, dass es gleich vorbei sein wird. Dass ich ihm nicht das geben kann, was er erwartet. Doch nichts passiert. Außer dass mein Herz rast, passiert nichts. Alex lässt seine Hand auf meiner Haut liegen und ich entspanne mich wieder. Nein, er wird mir nicht weh tun. Und er wird auch nichts fordern, was ich nicht bereit bin zu geben.
Unsere Küsse werden intensiver. Und meine Hände machen sich selbständig und streichen erst über Alex´ Haare, dann über seinen Rücken. Und irgendwie gefällt es mir, dass er sich immer näher an mich drängt. Langsam lasse ich meine Hände über seinen Rücken hinunter bis zu seiner Hüfte wandern und streichle dort entlang. Dann nimmt Alex plötzlich seine Hand von mir und hält meine Hand fest.
Schwer atmend löst er sich aus unserem Kuss.
"Hab ich was falsch gemacht?" will ich unsicher wissen.

"Nein, nichts ist falsch", antwortet Alex und atmet mehrmals ein und aus. "Aber wir sollten vielleicht langsamer..."
"Sorry", meine ich. Denn nun spüre ich auch, was er meint. Ich glaube, wenn ich bereit gewesen wäre - er ist es auf jeden Fall. Aber vielleicht sollten wir es wirklich etwas langsamer angehen.
Alex sieht mich an. Dann wandert seine Hand langsam über meinen Bauch. Immer weiter nach oben... Und Alex sieht mir die ganze Zeit unentwegt in die Augen. Ich lasse ihn gewähren. Denn mir gefällt, was er da macht. Das hier ist unser ganz privater Moment. Schon lange habe ich nicht mehr so empfunden wie jetzt. Ich genieße es in den Armen des Mannes zu liegen, der mich festhält. Ich muss mich nicht woanders hinträumen. Das hier ist ein Traum.
Ich merke, dass auch mein Atem unregelmäßiger wird. Und ich hebe meinen Kopf, um Alex wieder zu küssen. Er erwidert den Kuss sofort.
Und ich weiß nicht, wie das hier jetzt geendet hätte. Wenn nicht plötzlich Jackies Stimme ertönt wäre: "Frühstück ist fertig!"

32. Meine Wohnung...
Wir frühstücken und beschließen dann, diesen Tag noch am See zu verbringen und erst am Abend zurückzufahren. Jackie und ich nutzen die Zeit, als Mike und Alex beschließen um den See zu wandern, zum Unterhalten. Jackie erzählt mir von ihren Plänen mit Mike.
"Ich werde heute Abend noch mit Alex reden, aber wir wollen definitiv noch an diesem Wochenende in Las Vegas heiraten", sagt sie gerade.
"Dieses Wochenende?" sehe ich sie an. "Aber das ist dann... Morgen?"
Jackie nickt. "Ja, morgen", antwortet sie völlig unbeeindruckt. "Und ich dachte, du willst meine Trauzeugin sein."
Ich fühle mich ja wirklich geehrt. Aber MORGEN? "Seid ihr euch echt so sicher?"
"Ja, sind wir", nickt Jackie. "Kommst du mit?"
"Ich muss das erstmal mit Josh klären", sage ich zu ihr. "Ich muss morgen eigentlich wieder arbeiten."
"Ich komme einfach mit, wenn du mit deinem Chef redest", grinst Jackie mich an. Dann umarmt sie mich völlig überraschend. "Ich bin echt froh, dass wir uns getroffen haben."
"Das bin ich auch", sage ich und lege auch meine Arme kurz um sie. Und ich meine es auch so. Wenn Jackie nicht wäre, würde ich mein Geheimnis immer noch mit mir herumtragen. Und so habe ich endlich jemanden zum Reden.

Die Männer kommen kurz darauf zurück und wir reden über die kleine Feier, die sich Jackie und Mike vorstellen. Im Las-Vegas-Stil halt.
Ich bin froh, dass Jackie von ihrer verrückten Idee einer Doppelhochzeit endlich Abstand genommen hat. Jedenfalls sagt sie nichts mehr dazu. Unser kleiner Freund, der Waschbär, zeigt sich in der Mittagsstunde noch einmal am Ufer, als wir im Schatten liegen und uns ausruhen. Jackie und Mike haben sich unter einen großen Baum zurück gezogen. Und ich mich mit Alex unter einem anderen.
"Hat Jackie dir von ihren Plänen erzählt?" will Alex von mir wissen.
Ich sehe ihn an und nicke. "Und was hältst du davon?"
"Naja, ein wenig übereilt ist es schon", gibt Alex zu. "Aber die zwei gehören einfach zusammen. Also ist es okay." Er streicht über meinen Arm. "Und du?"
"Was ist mit mir?" frage ich.
"Jackies Idee", erinnert mich Alex.
Ich weiche Alex´ Blick aus. "Die Idee bringt nichts, glaub mir", sage ich leise.
"Musst du ja wissen", hält Alex mich weiter fest.
Nein, dazu gibt es nichts mehr zu sagen. Ich kann niemandem der Gefahr aussetzen eines Tages vielleicht Emilio zu begegnen.

"Aber du kommst morgen dann mit, oder?" will Alex nun wissen.
"Ich muss erstmal meinen Chef fragen", antworte ich ihm ausweichend. Wie soll ich denn Abstand nehmen, wenn ich immer wieder bei ihnen dabei sein soll? Aber vielleicht ist es okay. Nur noch dieses Wochenende. Jackie wird dann mit Mike sicher zu sich nach Hause fliegen. Und Alex?
"Wann arbeitest du wieder?" frage ich ihn jetzt.
"Am Dienstag muss ich wieder rüber", antwortet Alex.
"Rüber?" Was meint er denn?
"Nach Hawaii", sagt er.
Oh. Ja, klar. Alex dreht ja die nächste Staffel. Ich wollte ja Abstand. Aber gleich so viel? Doch es wird das Beste für uns alle sein.
"Komm doch mit", flüstert er in mein Ohr und küsst mich im nächsten Moment auf den Hals.
Wenn er weiter macht, verspreche ich ihm alles. Aber ich muss mich zwingen einen klaren Kopf zu behalten.
"Alex, ich kann nicht", sage ich leise.
"Ich komme wieder", löst Alex seine Lippen von meinem Hals. "Darf ich dich dann anrufen?"
Ja, will ich sagen. "Lass uns das Wochenende erst einmal überstehen", sage ich statt dessen.

Am späten Nachmittag packen wir dann alles zusammen und fahren in getrennten Autos wieder zurück. Ich musste Jackie noch versprechen, dass ich mit Josh reden werde und morgen mitfahren werde. Sie würde mich heute Abend noch anrufen, wann der Flug gehen wird.
Alex fährt mich nach Hause. Wir reden während der Heimfahrt nicht viel. Aber wenn er nicht schalten muss, hält er meine Hand fest. Es ist ein eigenartiges Gefühl. Schön. Es ist, als würde mein Herz andauernd einen Sprung nach dem anderen machen. Ich sehe ihn heimlich von der Seite an. Und frage mich, wieso ich ihn nicht zu einem anderen Zeitpunkt kennen gelernt habe. Vor Emilio. Aber das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert. Wer weiß das denn nicht?
"Wir sind da", parkt Alex das Auto vor meiner Wohnung.
"Danke", sehe ich ihn an. "Das war toll."
"Ich bringe deinen Sachen noch mit hoch", steigt Alex aus.
"Das musst du nicht", sage ich zu ihm.
"Wer weiß, ob du dieses Mal allein die Treppe hinauf kommst?" zwinkert er mir zu und greift nach meinem Rucksack. Ich hole den Schlüssel aus meiner Handtasche und schließe auf.
"Siehst du", drehe ich mich zu ihm um. Doch Alex schiebt mich vorwärts. Gemeinsam gehen wir die Treppen hinauf zu meiner Wohnung.

"Hast du nicht abgeschlossen?" will Alex plötzlich wissen.
Ich sehe ihn irritiert an, dann sehe ich auf meine Wohnungstür. Ja, er hat Recht. Die Tür ist nicht ganz geschlossen. Nur angelehnt.
Und es ist nur ein Name, der mir durch den Kopf schießt: Emilio. Er hat mich gefunden. Ganz sicher. Nein, ich bin nicht mehr sicher.
"Du solltest gehen", sage ich zu Alex und will ihm meinen Rucksack abnehmen.
"Ganz sicher nicht", sagt Alex und schiebt mich zur Seite. Dann schiebt er mit seinem Fuß die Tür auf.Ich gehe neben ihm her und betrete die Wohnung. Erschrocken schlage ich meine Hände vor den Mund. Es sieht unglaublich verwüstet aus! Alle meine Sachen liegen verteilt in der Wohnung. Das Bett ist kein Bett mehr, sondern wurde komplett auseinander genommen. Als hätte jemand etwas gesucht. Und ich glaube, ich weiß auch, was das ist. Etwas um meine Identität zu beweisen. Doch diese Unterlagen habe ich immer bei mir. In meiner Handtasche.
"Wir sollten die Polizei anrufen", sagt Alex - und noch ehe ich etwas sagen kann, hat er sein Handy hervorgezogen und spricht mit einem Polizisten. Dann legt er auf. "In zehn Minuten ist jemand da", sagt er dann. "Wir können ja hier warten." Er deutet auf die Stufen und wir setzen uns nebeneinander.

33. Okay, lass uns heiraten
Als der Streifenwagen kommt, redet Alex gleich mit den Beamten. Sie sehen sich um, wollen wissen ob etwas fehlt. Doch auch nach größerem Umsehen entdecke ich nichts. Auch nichts, was auf den Täter hinweist. Ich glaube, ich weiß, wer das getan hat. Aber ich sage nichts von meinen Vermutungen. Ich spüre Alex´ Blick auf mir ruhen. Doch ich kann nichts sagen. Die Polizisten versuchen noch einige Fingerabdrücke zu bekommen, sind jedoch erfolglos. Was mich nicht wirklich überrascht. Wie auch? Emilio macht keine halben Sachen.
"Sie sollten diese Nacht vielleicht woanders verbringen", sagt der größere Polizist dann zu mir.
"Du kommst mit zu mir", sagt Alex sofort.
"Im Moment können wir hier nichts weiter tun", sagt der andere Polizist dann. "Wenn wir etwas wissen, rufen wir sie an."
"Danke", sage ich und Alex bringt die beiden noch zur Tür. Hilflos stehe ich im Chaos und sehe mich um. Emilio! Er ist zurück. Wer sonst hätte meine Wohnung verwüsten sollen?

"Kate?" Alex steht vor mir und sieht mich fragend an. "Brauchst du noch etwas? Du kommst jetzt mit!"
"Ich..." Ich kann nichts sagen. Meine Gedanken überschlagen sich. Wie hat er mich gefunden? Wieso war er hier? Als ich nicht da war? Wie lange weiß er schon, wo ich bin? Weiß er etwas von Alex? Und Jackie? Sind sie vielleicht schon in Gefahr, weil ich sie kennengelernt habe? Was mache ich jetzt? Sollte ich weiter ziehen? Mir eine neue Identität zulegen? Was mache ich nur?
"Kate!" Alex greift nach meiner Hand. "Komm einfach mit, ja?" Er zieht mich mit sich. Ich fühle mich wie eine Puppe. Unfähig eigene Entscheidungen zu treffen. Mein einziger Gedanke dreht sich um eine Frage: Was mache ich jetzt?
Alex schiebt mich die Treppe nach unten. Und setzt mich in sein Auto.
"Was ist denn passiert?" kommt uns Jackie entgegen, als mich Alex durch seine Tür schiebt.
"Bei Kate wurde eingebrochen", erzählt Alex ihr. "SIe schläft heute bei uns."
"Kate?" Jackie sieht mich fragend an. Doch ich sehe nur durch sie hindurch. Meine Gedanken kreisen - immer und immer wieder nur um diese Frage. Was mache ich? Wohin kann ich gehen, damit Emilio mich nicht findet? Gibt es diesen Ort überhaupt auf der Welt?

"Ich lass ihr ein heißes Bad ein", höre ich Jackie zu Alex sagen. Ich lasse mich von ihm in sein Wohnzimmer führen und auf die Couch setzen.
Was mache ich, wenn ich mich nirgendwo vor Emilio verstecken kann? Wenn er mich überall findet? Wieso hat er mich überhaupt gefunden? Und wie? Wie hat Emilio herausgefunden, wo ich bin? Ich habe mein Aussehen verändert. Ich habe meinen Namen geändert. Ich habe total zurückgezogen gelebt. Wie um alles in der Welt hat er mich gefunden?
Und WAS um alles in der Welt mache ich jetzt?
"Kate!" Jackie schüttelt an meiner Schulter. Ich sehe sie an. "Die Badewanne ist fertig. Komm mit und entspann dich ein wenig." Sie zieht mich hoch und schiebt mich ins Badezimmer.
"Setz dich da rein, ja? Ich komm dann mal nach dir schauen", sagt Jackie und deutet auf die Badewanne, die voller Schaum ist.
Ich nicke. Und sehe Jackie nach, die die Tür hinter sich schließt. Ich bin allein.

Langsam, fast automatisch, ziehe ich mich aus. Dann stecke ich einen Zeh in das Wasser. Es ist angenehm warm und ich lege mich schließlich ganz hinein.
Was mache ich denn nur? Was mache ich überhaupt hier? Ich wollte doch weder Jackie noch Alex mit in mein Leben hineinziehen. Und jetzt? Jetzt stecke ich hier mittendrin. In einem Riesenschlamassel.
Was mache ich jetzt?
Was wäre, wenn ich wirklich einem anderen gehören würde? Was wäre, wenn ich einen Ring am Finger tragen würde? Was wäre, wenn Emilio wüsste, dass ich nicht mehr frei bin? Würde er aufgeben? Würde er wirklich aufgeben, wie Jackie sich das vorstellt? Würde es wirklich so einfach sein? Doch was soll ich sonst machen? Welche Wahl habe ich denn?

"Jackie!" rufe ich und setze mich auf.
"Ich bin hier", kommt sie sofort ins Zimmer. "Was ist passiert?"
"Ich werde es tun", sehe ich sie an.
"Was wirst du tun?" Jackie zuckt verständnislos mit den Schultern.
"Ich werde es tun", wiederhole ich. "Ich werde deinen Bruder heiraten."
Jackie klappt ihren Mund auf. Und wieder zu. Und wieder auf. Und wieder zu.
"Was ist denn?" hören wir Alex von der anderen Seite der Tür aufgeregt fragen. "Ist alles okay?"
"Gib mir das Handtuch", deute ich auf das Wäschestück hinter ihr. Jackie reicht es mir. Einfach so. Sie sagt immer noch kein Wort.
Ich steige aus der Badewanne und wickle das Handtuch um mich. Dann öffne ich die Tür. Alex sieht mich verstört an und tritt einen Schritt zurück.
"Okay, lass uns heiraten", sage ich zu ihm. Einfach so. Ohne mehr Worte. Und warte auf seine Reaktion.
Alex sieht mich eine Weile an. "Okay", sagt er dann. Einfach so. Ohne mehr Worte.


34. Wer weiß...
Als ich am nächsten Morgen erwache, sehe ich mich erschrocken um. Wo bin ich?
"Kate, alles ist okay", höre ich plötzlich eine Stimme neben mir.
"Alex?" sehe ich ihn verwundert an. Was macht er in meinem Bett? Oder ich in seinem? Oh, ja. Das ist sein Haus. Meine Wohnung... Nein, ich will diese ganzen Erinnerungen nicht! Und auch nicht die Angst, die jetzt schon wieder in mir hochkriecht.
"Komm wieder her", zieht Alex mich zurück in seine Arme.
"Wieso schlafe ich bei dir?" will ich wissen. Und bin doch froh, dass ich ein Shirt und einen Slip anhabe.
"Du hast mir gestern Abend gesagt, dass du mich heiraten willst", erzählt Alex mir. "Und dann hast du mit Jackie eine Flasche Rotwein geköpft. Und dann musstest du ja irgendwo schlafen."
"Bei dir?" sehe ich ihn fragend an. Ja, ich war in der Badewanne. Und ich weiß auch noch, dass Jackie nichts gesagt hat und ich Alex mitgeteilt habe, dass ich ihn heiraten will. Und ja, Jackie ist aus dem Bad gekommen, geradewegs in die Küche gegangen und mit einer Flasche Wein und zwei Gläsern zurückgekommen. Und hat mit mir auf die Doppelhochzeit angestoßen. Das war ein interessanter Abend gewesen. Definitiv war es das letzte Glas Alkohol. Für sehr lange Zeit.
"Wo sonst?" grinst Alex. "Aber heute Nacht gehörst du sowieso mir."

Nein, das war kein guter Satz. Ich werde ganz steif in seinen Armen.
"Kate!" Alex dreht sich auf die Seite und sieht mich an. "So meinte ich das nicht. Ich meinte, du gehörst zu mir. Entschuldige, dass ich mich falsch ausgedrückt habe."
"Es tut mir leid", sage ich und weiche seinem Blick aus. "Ich will nicht, dass du über jedes Wort nachdenken muss, bevor du es sagst. Vielleicht sollten wir das ganze doch lassen..."
Alex beugt sich zu mir herunter und küsst mich. Und alle Zweifel sind fort. Wie macht er das denn nur? Wieso fühle ich mich einfach nur sicher bei ihm? Liegt es daran, dass er auch in Wirklichkeit mein Beschützer ist? Nicht nur im Fernsehen?
"Könntest du aufhören vor mir Angst zu haben?" sieht er mir dann in die Augen. "Ich werde dir nicht weh tun. Ich verspreche es dir."
Ich nicke. "Gib mir ein wenig Zeit", sage ich leise.
Alex küsst mich wieder. "Bist du bereit?" fragt er dann.
Ja, das bin ich. "Ja", hauche ich.
"Ich hoffe, das hört sich später auch so an", sagt er lächelnd. Er streichelt über meine Wange. "Wenn ich es nicht schon getan hätte, würde ich mich jetzt in dich verlieben."
Mein Herz macht einen Sprung. Er hat sich in mich verliebt? Wann? Wieso? Wirklich?

"Kannst du aufhören so süß zu sein?" necke ich ihn.
"Ich bin nicht süß", protestiert er sofort und beginnt mich durchzukitzeln.
"Aufhören", japse ich nach Luft und winde mich unter ihm. "Bitte, aufhören!"
Alex´ Hände bleiben auf meiner Hüfte liegen. "Was kriege ich dafür?" grinst er.
"Einen Kuss?" biete ich ihm an.
"Nur einen Kuss?" zieht Alex eine Schnute.
Ich nehme sein Gesicht in meine Hände und ziehe ihn zu mir herunter. Unsere Lippen berühren sich. Ganz unschuldig. Doch das halten weder Alex noch ich lange aus. Meine Hände gleiten unter sein Shirt und streichen über seine nackte Haut. Alex stöhnt leise auf.
"Du solltest aufhören, sonst musst du gleich zu Ende bringen, was du begonnen hast", flüstert er in mein Ohr, als ich über seinen Bauch streiche und meine Finger kurz ein wenig tiefer wandern lasse. Es ist aufregend für mich. Es kribbelt überall in meinem Bauch, je näher wir uns kommen. Und ich weiß nicht, wie lange ich mich noch zurückhalten kann. Es fühlt sich einfach... einfach total richtig an hier bei ihm zu sein.

"Vielleicht will ich nicht aufhören", flüstere ich leise in sein Ohr und streichle weiter.
Doch Alex hält plötzlich meine Hand fest und sieht mir in die Augen.
"Nein, nicht so", sagt er heiser und räuspert sich.
"Du willst mich nicht, oder?" Ich versuche ihn zur Seite zu schieben. "Lass mich los! Wieso hast du überhaupt ja gesagt?" Ich will, dass er von mir runter geht. Und dann will ich weg.
Wieso reagiere ich eigentlich immer gleich so?
"Kate!" Alex´ Stimme klingt ungeduldig. Doch er hält mich weiter fest.
"Lass mich einfach gehen", sage ich noch einmal.
Doch Alex legt nur seine Hand sanft unter mein Kinn, so dass ich ihn ansehen muss.
"Ich will nicht, dass du gehst", sagt er mit fester Stimme. "Und ich habe nicht gesagt, dass ich dich nicht will. Aber da wir heute Abend sowieso verheiratet sein werden, würde ich damit..." Er macht eine kurze Pause. "...gern noch warten. Okay?"
Ich nicke. Er will warten? Doch meine Gedanken kann ich nicht zu Ende bringen. Vielleicht ist es auch besser so. Alex presst seine Lippen wieder auf meinen Mund. Und dann machen wir da weiter, wo wir aufgehört haben. Und wenn Mike nicht an unsere Tür geklopft hätte: "Frühstück!"
Wer weiß...
Die beiden haben aber auch schon die ganze Zeit ein Talent uns zu unterbrechen.


35. Ja, ich will
Gegen Mittag landen wir in Las Vegas. Jackie strahlt die ganze Zeit von einem Ohr zum anderen. Wir lassen uns von einem Taxi zu unserem Hotel bringen und checken dann ein.
"Sie haben die Honeymoon Suite gebucht?" lächelt die Angestellte an der Rezeption Jackie an.
"Ja, für die zwei", deutet Jackie auf Alex und mich. "Wir haben das andere Zimmer."
"Okay", reicht sie nun Jackie den einen und Alex den anderen Schlüssel. "Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Aufenthalt in unserem Hotel. Und eine tolle Hochzeit."
"Danke", sagt Jackie und dreht sich zu den Männern um. "Bringt ihr die Koffer hoch? Kate und ich müssen noch was besorgen." Sie greift nach meiner Hand und zieht mich einfach mit sich.
"Wo gehen wir hin?" will ich wissen.
"Wir brauchen doch ein Kleid", grinst Jackie mich an.
"Ein Kleid?" bleibe ich stehen.
"Auch wenn wir in Las Vegas sind, ich will ein richtiges Hochzeitskleid", lächelt Jackie mich an. Und ich setze mich wieder in Bewegung.

Meine Bald-Schwägerin zieht mich in einen Laden - voller Brautkleider. Und damit sind wir in der nächsten Stunde auch beschäftigt. Jackie zieht ein Kleid nach dem anderen an, bis sie endlich eins gefunden hat, dass ihr gefällt. Es ist ein wenig ausgefallen - vorn kurz, hinten lang. Aber es passt zu Jackie. Die kleinen weißen Rosen rechts und links verleihen ihr eine märchenhafte Aura.
"Und jetzt du", sagt sie.
"Ich weiß nicht", sage ich und gehe eine Runde durch den Laden. Brauche ich ein Kleid? Immerhin... Ja, ich heirate nicht wirklich einfach so. Wenn es jemand anderes gewesen wäre... Ich hätte diese Idee immer noch für Irrsinn gehalten. Doch bei Alex... Ich weiß auch nicht. Wenn ich nur daran denke, breitet sich in mir diese Wärme aus. Ich fühle mich sicher bei ihm. Und ich liebe ihn.
Habe ich das eben wirklich gedacht? Ich liebe ihn? Aber ja, es ist so. Ich habe mich Hals über Kopf in ihn verliebt. Schon seit unserem ersten Treffen auf dem Flughafen. Und nein, es ist keine Schwärmerei für einen Star. Es ist der Mann Alex, in den ich mich verliebt habe. Den ich liebe. Und da sollte die Hochzeit wirklich für uns beide etwas Besonderes sein.

Und dann ist es da. Es hängt einfach vor mir. Ganz schlicht. Lang. Schneeweiß. Schulterfrei. Ab der Taille fällt es weit ausladend bis auf den Boden.
"Oh mein Gott", murmle ich. Das ist das Kleid, von dem ich als kleines Mädchen immer geträumt habe. Welchen Mädchen träumt denn nicht davon ihren Traumprinzen in ihrem Traumkleid zu heiraten? Das hier ist es. Mein Traumkleid. Und den dazugehörigen Traumprinzen habe ich ja gefunden. Es ist perfekt. Dieses Kleid.
"Zieh es an!" sagt Jackie und schiebt mich samt Kleid in die Umkleidekabine.
Langsam, ganz ehrfürchtig ziehe ich das Kleid über.
"Ich helf dir beim Zumachen", sagt Jackie und schließt den Reißverschluss. "Wow", sagt sie dann und sieht mich strahlend an. "Alex wird nicht widerstehen können!"
Ich sehe in den Spiegel. Das da bin ich? Die Frau mit den vor Aufregung ganz roten Wangen? Mit den glänzenden Augen? Und dem strahlenden Lächeln auf ihren Lippen? Ja, das bin ich.
Ich kann nicht glauben, dass ich wirklich glücklich bin. Doch genauso ist es.

Jackie hatte schon auf dem Flug darauf bestanden, dass wir Mädels den Rest des Tages allein verbringen. Und die beiden Männer erst in der kleinen Kapelle treffen werden. Jackie fährt das ganze Programm auf. Massage, Maniküre, Pediküre, Friseur... Wie lange hat sie diese Hochzeit gleich nochmal geplant?
Pünktlich um halb sieben sehen wir uns an. Wir stehen fertig angezogen in unserem Zimmer und können beide nicht glauben, was hier gleich passieren wird.
"Noch können wir es uns anders überlegen", sagt Jackie grinsend zu mir.
"Ich gehe nur, wenn du gehst", ziehe ich sie auf.
"Dann muss ich ja wohl", sagt Jackie und hakt sich bei mir unter. "Schließlich gehörst du dann zu meiner Familie."
Familie. Ja, inzwischen ist Jackie so etwas wie eine Schwester für mich geworden. Gemeinsam steigen wir in den Fahrstuhl und fahren nach unten, wo ein Taxi auf uns wartet. Genau zehn Minuten später hält der Fahrer wieder an.

"Dann wollen wir mal", sagt Jackie und steigt aus. Ich folge ihr. Mein Herz klopft bis zum Hals. Ich bin so aufgeregt. Bestimmt werde ich gleich ohnmächtig. Mache ich hier wirklich das Richtige? Eigentlich heirate ich einen Unbekannten - denn was weiß ich denn schon von Alex? Aber irgendwie sagt mir mein Bauch, dass es das Richtige ist. Und mein Verstand widerspricht nicht.
Wir betreten das kleine Haus. Und da stehen Mike und Alex. Jackie läuft gleich auf Mike zu.
Ich bleibe stehen, als sich Alex´ und mein Blick treffen. Ich habe Angst, dass mich meine Füße nicht mehr tragen, wenn ich jetzt loslaufe. Also kommt Alex auf mich zu.
"Du solltest öfter einen Anzug tragen", sage ich zu ihm. Was Blöderes ist mir einfach nicht eingefallen.
Alex lächelt. "Meine Märchenprinzessin", zieht er mich zu sich heran und küsst mich. "Du bist wunderschön."
Ich glaube, die Schmetterlinge in meinem Bauch haben gerade ganz viel Zuwachs bekommen. Es kribbelt überall. Und es wird immer schlimmer.
"Nicht süß?" ziehe ich ihn auf.
"Nein, sexy", lächelt er mich an.

"Lasst uns gehen", ruft Jackie uns dann ungeduldig zu. Sie und Mike schreiten voran, als die Musik ertönt. Alex und ich laufen ihnen langsam hinterher.
"Ich will", nickt Jackie als Erste. Dann antwortet Mike. Und dann sind die zwei auch schon verheiratet. Alex und ich sehen uns an, während sie sich küssen. Noch kann er zurück. Ich wäre ihm nicht einmal böse. Doch Alex streckt seine Hand aus und nimmt meine. Wir gehören zusammen. Auch wenn er es nicht ausspricht, ich kann es fühlen. Dann treten wir nach vorn.
Ich höre die Frage, aber ich kann nicht antworten. Ist es wirklich richtig? Alex so tief da mit reinzuziehen? Ich sehe unsicher zu ihm. Doch ein Blick in diese blauen Augen nimmt mir meine Zweifel. Er wird für mich da sein. Egal was passiert. Und ich will bei ihm sein. Für immer.
"Ja, ich will", hauche ich nun auf die Frage - und hoffe, dass alle es gehört haben.
"Ja, ich will", sagt danach auch Alex - laut und deutlich.
Und dann darf auch er seine Frau küssen - mich. So schnell diese Zeremonie auch vorüber ist, ich glaube, ich bin so aufgeregt, dass ich auch von einer großen Feier nicht mehr mitbekommen hätte.

"Könnt ihr dann mal die Finger voneinander lassen?" lacht Jackie plötzlich hinter uns auf. "Wir gehen jetzt erstmal ne Runde unser Glück versuchen." Schon schiebt sie Mike zum Ausgang.
"Die zwei gehen jetzt an die Spieltische?" sehe ich Alex fragend an. Meinen Ehemann.
"Ja, das hat Jackie schon die ganze Zeit geplant", nickt er. "Ich hoffe, sie haben trotzdem Glück."
"Trotzdem?" hake ich nach.
"Naja, sie haben Glück in der Liebe", antwortet Alex. "Da hat man eigentlich kein Glück im Spiel mehr." Er grinst. Und wir gehen nun auch aus der kleinen Kapelle.
"Kommt ihr?" winkt Jackie uns aus dem Taxi zu.
"Ich wäre jetzt lieber mit dir allein", sagt Alex leise zu mir und zieht mich zu sich heran.
Ja, ich habe jetzt auch keine Lust auf Glücksspiele.
"Wir nehmen ein anderes Taxi", ruft er seiner Schwester zu.
"Seid ja nicht zu unartig", lässt Jackie noch verlauten, dann ist die Autotür zu und das Taxi fährt ab.
Ich sehe Alex erwartungsvoll an. Irgendwie habe ich in meinem Kopf gerade ziemlich wilde Fantasien, was ich mit meinem Ehemann anstellen könnte. Oder er mit mir.
Alex streichelt über meine Wange und zieht mich dann zu einem anderen Taxi. Dem Fahrer nennt er den Namen unseres Hotels. Angespannt sitze ich neben ihm, während er einfach nur meine Hand festhält.


 Das Kapi ist Ü18
36. Hochzeitsnacht
Ich sitze neben Kate im Taxi und betrachte sie ausgiebig. Wir sind gerade auf dem Weg zurück in unser Hotel. Ich kann irgendwie immer noch nicht glauben, dass ich jetzt verheiratet bin. Mit ihr. Mit dieser tollen Frau.

Als ich Kate zum ersten Mal gesehen habe – nein, eigentlich wiedergesehen. Das erste Mal haben wir uns ja auf dem Flughafen getroffen. Jedenfalls, als ich Kate wiedergesehen habe, als ich meine Schwester von diesem Nähkurs abgeholt habe, den sie sich urplötzlich eingebildet hatte, fand ich sie einfach nur eigenartig. Normalerweise liefen die Frauen scharenweise nach. Doch Kate flüchtete regelrecht vor mir. Jackie hat mir dann etwas von einer Allergie erzählt – den Witz daran habe ich bis heute nicht verstanden.
Doch irgendetwas faszinierte mich an Kate. Schon bei unserem ersten Treffen. Sie hat diese unglaublichen blauen Augen. Durch sie kann man direkt in ihre Seele blicken. Wenn man das will. Und ich wollte es.

Kate sah immer so unglaublich traurig aus. Einsam. Ich erinnere mich daran, als sie sich ihre Hand am heißen Kaffee verbrannt hatte. Sie hatte Angst vor mir. Vor meinen Berührungen. Und das, obwohl ich ihr nur helfen wollte. Kate war ein Rätsel für mich. Und ich wollte dieses Rätsel lösen.
Als wir am Abend zusammen aus waren, habe ich bemerkt, wie unsicher Kate doch war. Und immer wieder habe ich ihre Angst gesehen. Ich weiß nicht, warum sie gerade mich ausgerechnet an sich heran gelassen hat. Oder sich Jackie anvertraut hat. Aber seitdem ist da etwas anderes in ihren Augen.
Glanz. Dieser Glanz war am Anfang nicht da. Ihre Augen wirkten oft so leer. Und ich hätte sie am liebsten gleich am ersten Abend einfach nur in die Arme genommen und festgehalten. Und ihr gezeigt, dass sie nicht allein ist auf dieser Welt.

Doch als sie sich Jackie anvertraut hat und diese mir dann alles erzählt hat, da ergab sich ein ganzes Bild. Ich bewundere Kate, dass sie den Mut aufgebracht hat und von diesem Psychopathen geflohen ist. Auch wenn dieser andere Mann dafür gestorben war. Wenn ich es könnte, würde ich ihm danken. Dafür, dass er Kate gerettet und in mein Leben gebracht hat.
Manchmal wusste ich nicht, woran ich bei Kate war. Sie zog sich immer wieder schnell zurück. Zu schnell. Ich hatte nie die Chance zu reagieren. Und ich hatte das Gefühl, dass egal, was ich auch getan hätte, es in diesen Momenten das Falsche gewesen wäre.
Also habe ich ihr Zeit gegeben. Und mir.
Und Kate hat sich geändert.

Ich habe die Veränderungen bemerkt. Sie fing an mit mir zu flirten. Auch wenn sie sich darüber erschreckt hat. Dass sie noch Gefühle dieser Art hat. Ich habe es erkannt. Doch sie brauchte Zeit. Und Freiraum. Und ich habe ihr einfach beides gegeben.
Die Tage in den Bergen brachten uns nun endgültig einander näher. Es war unglaublich schön mit ihr diese Zeit zu verbringen. Sie auf dem Berg und am See im Arm zu halten. Es hat sich angefühlt, als würde sie dahin gehören. In meine Arme. Ich habe keine Angst gehabt für sie da zu sein. Mich zu binden.
Doch trotzdem fand ich den Vorschlag meiner Schwester mit der Hochzeit ein wenig sehr übertrieben. Bis zu dem Abend, als wir Kates Wohnung betraten und diese total verwüstet war.

Als ich an diesem Abend in Kates Augen gesehen habe, war alles fort. Der Glanz. Die Freude. Und sie war panisch von der Angst besessen, dass dieser andere Mann sie gefunden haben könnte. Ich war nahezu versucht meine Kontakte zum Militär auszunutzen, die ich durch meine Rolle geknüpft hatte.
Aber Kate hat sich wieder gefangen. Und auf einmal erschien Jackies Vorschlag gar nicht mehr so abwegig. Noch während Kate in der Badewanne saß, habe ich darüber nachgedacht, wie ich sie dazu bringen könnte, diesen Vorschlag in Betracht zu ziehen. Und dann hat sie die Entscheidung selbst getroffen. Und ich gebe zu, mein Herz hat einen Riesenhüpfer gemacht.
Ja, ich habe mich in Kate verliebt. Hals über Kopf. Ich möchte keinen Tag mehr ohne sie sein. Kate macht irgendwie mein Leben komplett. Nicht, dass ich bisher einsam gewesen wäre. Aber sie lässt mich ich selbst sein und verlangt nichts. Sie ist dankbar für alles, was ich ihr gebe. Und ich möchte ihr all das zurückgeben, was sie mir gibt.

Natürlich war ich vor der heutigen Zeremonie ziemlich aufgeregt. Kein Wunder, war ich doch in meinem ganzen Leben noch nie verheiratet. Ich habe einen Sohn und bin sehr stolz auf ihn, aber ich habe die Frau an meiner Seite einfach noch nicht gefunden gehabt. Bis ich Kate traf.
Ich weiß, dass sie die Richtige ist. Und ich habe sie nicht nur aus dem Grund geheiratet, damit sie von diesem Kerl wegkommt. Ich habe sie geheiratet, weil... weil ich sie liebe. Tief und innig. Es macht mich innerlich komplett und glücklich, wenn ich daran denke, dass Kate für immer bei mir sein wird.
Es ist das Richtige.

Auch hat Kate sich immer mehr geöffnet. Ich hatte Angst, dass ich zu schnell zu weit gehen würde. Immerhin hatte ich seit einiger Zeit keine Freundin mehr. Doch auch in diesem Punkt hat Kate mich überrascht. Und ich bin mir sicher, wenn Mike uns heute Morgen nicht gestört hätte, wir hätten zu Ende gebracht, was wir in den Bergen angefangen haben. Aber ich bin froh, dass wir gewartet haben.
Jetzt sitzt Kate neben mir. Ihr Blick ist auf die vielen Hotels und Leute gerichtet. Ich bin mir sicher, dass sie genauso nervös ist wie ich.
Als ich sie in der Kapelle gesehen habe, hätte ich fast vergessen zu atmen. Sie ist so atemberaubend schön. Und dieses Kleid... Ja, sie ist eine Märchenprinzessin. Und auch unser Märchen wird gut enden. Ich weiß es einfach.

Ich greife nach Kates Hand und wir sehen uns an. Ich kann das Glitzern in ihren Augen entdecken. Ich liebe dieses Glitzern. Das hat sie, seitdem wir in den Bergen waren. Es war so schön, sie beim Einschlafen und beim Aufwachen in den Armen zu halten. Und jetzt wird es jeden Tag unseres Lebens so sein.
Wir lächeln uns an.
Und in meinem Bauch breitet sich wieder dieses warme Gefühl aus. Ich liebe Kate über alles. Und ich werde alles tun, damit sie sicher ist. Vor diesem Irren. Für immer. Sie gehört jetzt zu mir. Und bevor er sie bekommt, muss er erst einmal an mir vorbei.
Und ich hoffe, dass es nie zu diesem Zusammentreffen kommen wird.

Das Taxi hält und wir steigen aus. Angespannt warten wir vor dem Aufzug. Ich kann es kaum noch erwarten endlich mit Kate allein zu sein. Doch im Aufzug stehen bereits einige Leute und so stellen wir uns einfach mit hinein.
Ihre Hand liegt in meiner – und ich spüre, dass sie genauso nervös und ungeduldig ist wie ich. Der Aufzug hält endlich in unserer Etage. Ich suche den Zimmerschlüssel in meiner Tasche und öffne die Tür. Ich lasse es mir natürlich nicht nehmen und trage meine Frau über die Schwelle. Auch wenn das nicht unser Zuhause ist. Aber für heute ist es das einfach. Den Schlüssel werfe ich achtlos auf das Regal neben der Tür.
„Endlich allein“, lasse ich sie herunter und ziehe sie sofort wieder in meine Arme.
Meine Frau. Meine Ehefrau. Meine Liebe.

„Ich liebe dich, Kate“, sage ich zu ihr und sehe ihr tief in die Augen. Und ich sehe da nur unbändige Liebe. Keine Angst. Kein Bedauern. Es ist alles perfekt.
„Ich liebe dich“, höre ich sie sagen. Zum ersten Mal. Diese Worte.
Ich beuge mich zu ihr herunter und küsse sie hungrig. Kate macht einen Schritt zurück und steht mit den Beinen an einem kleinen Schränkchen. Ich will mehr von Kate. Viel mehr. Zu lange haben wir gewartet. Wurden unterbrochen.
Ich hebe Kate an und schon sitzt sie auf dem Schränkchen vor mir.
Meine Zunge bittet Einlass und sie gewährt ihn mir. Ich könnte gerade explodieren vor lauter Glück. Ich halte Kate fest in meinen Armen und möchte sie am liebsten nie wieder los lassen.

Plötzlich spüre ich Kates Finger an meiner Hose.
„Warte“, sage ich heiser und halte ihre Hände fest. Ich wünsche mir nichts sehnlicher im Moment als sie endlich zu spüren. Aber das hier ist unsere Hochzeitsnacht. Ich will, dass es perfekt ist. Für sie und für mich.
Ich ziehe Kate von dem Schränkchen wieder herunter. Das können wir gern morgen noch einmal probieren. Aber jetzt will ich meine Frau im Schlafzimmer. Im Bett. Vor dem wir auch nur Sekunden später stehen.
Kate scheint genauso ungeduldig zu sein wie ich. Denn schon liegt meine Jacke auf dem Boden. Und sie nestelt an der Krawatte.
„Warte“, schiebe ich ihre Finger beiseite und mache mir dieses störende Ding ab. Kate beginnt sogleich die Knöpfe des Hemdes zu öffnen.

Also beschließe ich, den Reißverschluss ihres Kleides zu öffnen. Es fällt genau in dem Moment zu Boden, als auch mein Hemd nicht mehr an meinem Körper klebt.
Kate hebt den Kopf und sieht mich verführerisch lächelnd an. Ich ziehe sie zu mir heran und küsse sie. Und schon fällt der BH zu Boden. Kate löst sich von mir und sieht mich an. Bitte, vertrau mir! Doch ich spreche die Worte nicht aus. Wir müssen nicht darüber reden. Nicht heute. Nie mehr. Denn wenn sie mir nicht vertrauen würde, wäre sie nicht hier. In meinen Armen.
Kate legte ihre Finger auf meinen Bauch und streicht sanft und unerträglich langsam nach oben. Umkreist meine Brustwarzen – und bringt mich fast um meinen Verstand. Der sich sowieso gerade in andere Regionen verabschiedet.
Doch was sie kann, kann ich auch!

Kate stöhnt leise auf, als meine Hände ihren Körper berühren. Doch sie wartet nicht ab, sondern öffnet im nächsten Moment den Reißverschluss meiner Hose. Sie fällt zu Boden. Jetzt tragen wir beide nur noch ein Kleidungsstück.
Nein, halt! Ich muss lächeln, als ich das Stumpfband an ihrem Oberschenkel entdecke.
„Findest du das lustig?“ zieht sie mich auf.
„Nein, es ist süß“, gebe ich gleich zurück. Ich liebe diese Süß-Konversationen mit ihr.
„Oh, ich dachte, es wäre sexy“, schiebt Kate schmollend ihre Unterlippe hervor und sieht mich mit traurigen Augen an. Mit traurigen Augen, in denen es aufblitzt.
„Du kleines Biest“, rutscht mir heraus. Ich hebe Kate hoch und lege sie aufs Bett. „Es ist sexy.“
„Gut“, grinst Kate und nestelt an meinem letzten Kleidungsstück.

„Willst du es nicht langsam angehen?“ sage ich zu ihr und sehe sie an.
„Später“, sagt Kate ungeduldig. Sie zieht mich zu sich herunter. Und schon bald ist nichts Hinderliches mehr zwischen uns.
Es scheint, als könnte es keiner von uns erwarten den anderen endlich zu spüren. Und als es dann soweit ist, bäumt sich Kate auf. Und mir entrinnt ein leises Stöhnen. Ich halte mich zurück und suche Kates Blick. Habe ich ihr wehgetan?
„Nicht aufhören“, höre ich sie flüstern und sie hebt ihr Becken. Ich kann mich nicht mehr zurückhalten. Es ist unglaublich sie zu spüren. So nah.
Ich höre, wie Kate verlangend meinen Namen flüstert und erlöse sie von ihrem Verlangen. Gleichzeitig mit meinem. Es ist unbeschreiblich, was ich gerade fühle. Unendliche Liebe. Befriedigung. Liebe. Das Leben. Alles hat auf einmal einen Sinn.
Ich suche Kates Lippen und küsse sie zärtlich. Mein Traum ist soeben wahr geworden. Ich hoffe, ihrer auch.

37. Der Tag danach
Ich liege in Alex´ Armen. Wir haben gerade zum ersten Mal miteinander... Liebe gemacht. Einen anderen Ausdruck finde ich nicht dafür. Es war unglaublich schön. Alex war so einfühlsam. Ich hatte wirklich schon fast vergessen, wie schön es mit einem Mann sein kann. Er wollte andauernd wissen, ob es mir auch gut geht. Und das tat es. Das tut es immer noch.
Alex atmet ruhig und gleichmäßig und ich hebe meinen Kopf, um ihn anzusehen. Eigentlich dachte ich, dass er schläft. Aber er lächelt mich an.
"Ich liebe dich, Kate", sagt er wieder.
Und mein "Ich liebe dich" kommt mir auch ganz leicht über die Lippen.
Weil es die Wahrheit ist. Ich habe Angst, dass mein Herz vor lauter Glück platzen wird. Was habe ich nur die ganze Zeit ohne ihn gemacht? Wie konnte ich jemals einen Tag ohne ihn leben? Wie atmen? Oder einschlafen und wieder aufwachen?

"Ist alles okay?" sieht Alex mich fragend an. "Oder bereust du...?"
"Nein!" falle ich ihm sofort ins Wort. "Ich bereue gar nichts!" Ich rutsche zu ihm hoch und küsse ihn.
"Meine Frau", lächelt Alex mich dann an.
"Mein Mann", entgegne ich ihm ebenfalls lächelnd.
"Hast du Hunger?" fragt er dann.
Ja, jetzt wo er davon redet, meldet sich auch mein leerer Bauch. Viel gegessen habe ich den ganzen Tag nicht. Dafür war ich viel zu aufgeregt.
"Lass uns etwas aufs Zimmer bestellen", schlägt Alex vor und ich nicke. Alex steht auf und geht ins Nebenzimmer, von wo aus er den Zimmerservice anruft. Ich bleibe einfach im Bett liegen. Es reicht ja, wenn einer von uns aufsteht und die Tür öffnet.
Und kurz darauf klopft es auch schon. Ich höre Alex reden, dann schiebt er einen Servierwagen ans Bett. Ja, das könnte mir richtig gefallen. Essen im Bett. Alex kommt wieder neben mich und schnappt sich einen der zwei Teller. Und dann hört man eine ganze Weile fast gar nichts in unserem Zimmer.

Nach dem Essen beschließen wir gemeinsam duschen zu gehen. So lange stand ich schon Ewigkeiten nicht mehr unter dem warmen Wasser. Aber mit Alex zusammen dauert alles einfach länger. Nicht, dass mich das stören würde. Tut es nicht.
Wir lieben uns noch einmal, bevor wir zusammen ins Bett fallen und einschlafen. Eng aneinander gekuschelt. Ich fühle mich wirklich sicher bei ihm.
Am nächsten Morgen ist es schon ziemlich hell, als wir erwachen. Ein Blick auf meine Uhr verrät, dass es schon nach elf Uhr ist. Und genau in diesem Moment klingelt Alex´ Handy.
"Ja?" geht er verschlafen ran. "Jackie!" Also ist es seine Schwester. "Nein, wir liegen auch noch im Bett... Ja, wir können dann zusammen Mittagessen gehen... Nein, vor zwölf passiert hier gar nichts... Ja, bis dann... Benimm dich!" Und er legt auf.
"Vor zwölf?" frage ich ihn. "Das ist doch noch eine Stunde Zeit."
"Ja", zieht Alex mich zu sich heran. "Und die brauchen wir zwei jetzt auch noch." Er wartet meine Antwort nicht erst ab, sondern küsst mich schon wieder leidenschaftlich. Seine Hände wandern unter die Decke und ich lasse mich fallen...

Natürlich sind wir erst eine halbe Stunde zu spät ausgehfertig. Aber als wir aus unserem Zimmer kommen, geht auch die Tür von Jackie und Mike auf.
"Na, auch zu spät dran?" zieht Alex seine Schwester auf.
"Sieht wohl so aus", lacht Mike.
Jackie kommt zu mir und umarmt mich kurz. "Steht dir gut, eine Ehefrau zu sein", sagt sie und betrachtet mich ganz genau.
"Dir auch", entgegne ich. Wenn ich dieselben roten Wangen und leuchtenden Augen habe wie sie...
"Ich hab einen Bärenhunger", verkündet Mike. "Können wir ins Steakhaus gehen?" Er sieht seine Frau bittend an.
"Von mir aus", lacht Jackie und die beiden gehen voran in Richtung Fahrstuhl.
"Können wir uns danach ein wenig die Stadt ansehen?" sehe ich Alex an, während wir den beiden Hand in Hand folgen.
"Was immer du willst", zieht er mich an sich und küsst mich auf die Nasenspitze.

Der Fahrstuhl kommt und wir fahren in die Lobby. Von wo aus wir Mike folgen, der zielstrebig das von ihm gewählte Restaurant ansteuert.
"Ich bin so was von satt", stöhnt Mike eine Stunde später und schiebt den leeren Teller von sich.
"Nein! Das ich das noch erleben darf", zieht Jackie ihn auf. Mike zieht sie zu sich heran und küsst sie.
"Wie war euer Glücksspiel gestern noch?" will Alex jetzt von beiden wissen.
"Frag nicht", verdreht Jackie ihre Augen.
"Ihr habt verloren", stellt Alex fest. "War ja klar."
"Klar?" Jackie boxt ihn in die Seite.
"Mensch, Schwesterchen, du hast Glück in der Liebe, was willst du noch?" lacht Alex auf.
"Gehen wir noch ne Runde spielen?" sieht Mike uns aufgeregt an. "Morgen Früh geht´s dann ja zurück nach Hause. Die Zeit hier in Vegas müssen wir nutzen. Wer weiß, wann wir nochmal hierher kommen."
"Von mir aus", sieht Alex mich an und ich nicke. Ein klein wenig Spaß... warum nicht?

Wenig später stehe ich hinter Alex am Black-Jack-Tisch. Alex gewinnt schon zum vierten Mal hintereinander.
"Du bringst mir wohl mehr Glück, als ich dachte", grinst er mich gerade an und küsst mich.
"Du solltest aufhören, solange du noch gewinnst", gebe ich ihm einen Rat. Ich finde es komisch, dass er überhaupt gewinnt. Gut, viel ist es nicht. Dazu hat er zu wenig eingesetzt. Aber besser als nichts.
"Nur noch einmal", wippt er nervös mit dem Fuß.
"Wir könnten uns auch anders beschäftigen", flüstere ich in sein Ohr. Ich wäre lieber mit ihm allein als hier unter den ganzen Leuten, die ihn teilweise recht interessiert ansehen. Ob ihn jemand erkennt?
Alex greift sich seine Chips und steht auf. Dann legt er seinen Arm um mich.
"Dann lass uns mal mit anderen Sachen beschäftigen", flüstert er in mein Ohr und ich bekomme eine Gänsehaut. Hand in Hand gehen wir zum Fahrstuhl und können schon darin kaum die Finger voneinander lassen.

Alex´ Handy klingelt.
"Jackie?" geht er ran. "Ja, wir gehen gerade aufs Zimmer... Ja, wir treffen uns später zum Abendessen wieder unten... Du mich auch, Schwesterchen!" Und damit legt er auf.
"Was ist denn los?" will ich wissen.
"Nichts", zieht Alex mich wieder an sich. "Die zwei bleiben noch unten."
Das ist mir auch egal. Ich will nur mit meinem Mann allein sein. Vor unserem Zimmer bleiben wir eng umschlungen stehen und Alex sucht umständlich nach dem Schlüssel. Er bricht unseren Kuss ab, während er den Schlüssel ins Schloss steckt und aufschließt. Dann ist die Tür offen und wir gehen küssend ins Zimmer.
"Ich liebe dich", murmelt Alex und streicht durch meine Haare, dann will er die Tür zumachen.
"Ich liebe dich auch", sage ich und klebe weiter an seinen Lippen.
Plötzlich fällt die Tür lautstark ins Schloss.
"Und ich liebe dich auch", sagt eine mir nur zu bekannte Stimme und lässt mich zusammenzucken.

38. He´s back
Nein, ich kann unmöglich IHN gehört haben. Das kann nicht Emilio sein. Doch Alex´ Blick verrät mir, dass wir nicht mehr allein sind. Ganz langsam, wie in Zeitlupe, drehe ich mich um. Und will mich schützend vor Alex stellen.
Doch er lässt mir nicht den Vortritt. Sondern schiebt mich leicht, aber bestimmend hinter sich.
"Wer sind Sie?" herrscht er Emilio an. "Verschwinden Sie aus unserem Zimmer, sonst rufe ich den Sicherheitsdienst!"
Emilio sieht Alex verachtend an. Die Gänsehaut, die jetzt über meinen Körper läuft, hat nichts mehr mit Lust zu tun. Das hier ist die pure Angst. Mein größter Albtraum ist soeben wahr geworden. Emilio ist hier. Er hat mich gefunden.
Und ich habe Alex mit reingezogen. Hätte ich doch nur auf mein Gefühl gehört!

Rechts und links neben Emilio stehen muskelbepackte Männer, die grimmig dreinschauen. Ich lege meine Hand in Alex´ und halte ihn fest. Ich weiß nicht, was hier gleich passieren wird. Aber es wird auf keinen Fall etwas Gutes sein.
Jetzt ignoriert Emilio Alex völlig und sieht mir direkt in die Augen.
"Catherine, sehen wir uns endlich wieder", sagt er mit kalter Stimme. Und eiskaltem Blick. Wenn mir das Blut in den Adern gefrieren könnte, würde das jetzt passieren.
Ich hätte gut und gern auf ein Wiedersehen verzichten können. Aber ich sage keinen Ton. Ich weiß, was passiert, wenn Emilio verärgert ist. Ob es einen Weg gibt, dass Alex und ich hier jetzt heil rauskommen?
Emilio kommt einen Schritt auf uns zu.
"Lassen Sie meine Frau in Ruhe!" herrscht Alex ihn an.
Die beiden Männer rechts und links treten einen Schritt vor, doch eine Handbewegung von Emilio reicht aus und sie gehen wieder zurück. Sie erinnern mich an Hunde. Die von ihrem Herrchen abgerichtet wurden und auf Kommandos hören.

Emilio geht noch zwei Schritte auf Alex zu.
Die beiden Männer stehen sich nun direkt gegenüber. Und mustern sich. Ich halte Alex´ Hand richtig fest. Ich habe Angst, dass er etwas Falsches macht. Ich will nur, dass Emilio verschwindet. Aus diesem Zimmer. Und aus unserem Leben.
Emilio lässt plötzlich seinen Blick zu mir schweifen. Ich sehe die Verbissenheit in seinen Augen. Nein, er hat sicher keine Nacht ruhig geschlafen, seitdem ich weggelaufen bin. Und er hat mich nicht vergessen. Ich habe umsonst gehofft.
Und dann passiert es. Zu schnell, als dass ich auch nur den Hauch einer Chance hätte zu reagieren. Emilio holt mit seiner Faust voller Wucht aus - und trifft Alex mitten in den Bauch. Ich kenne Emilios Schläge - auch Alex steckt das nicht einfach so weg.
Ich halte seine Hand fest, als er auf die Knie sackt und nach Luft schnappt.
"Was hast du gedacht, was passiert, wenn ich dich finde?" steht Emilio wie ein Racheengel über uns und starrt mich an. "Hast du wirklich gedacht, du kannst mir einfach so davon laufen?" Er lacht - und es klingt fremd. Übermenschlich. Direkt aus der Hölle.

Plötzlich holt Alex aus und verpasst Emilio einen Kinnhaken. Emilio schreit auf und torkelt nach hinten. Doch im Gegenzug springen seine zwei Bodyguards nach vorn und verpassen Alex ein paar Schläge, dann halten sie ihn fest.
"Lasst ihn los!" schreie ich und versuche ihre Hände von Alex wegzudrücken. Doch ich habe keine Chance. Die Männer sind viel zu stark.
Als ich mich zu Emilio umdrehe, trifft mich die erste Ohrfeige. Voller Zorn schlägt er mir ins Gesicht. Für einen Moment wird alles schwarz um mich herum und ich falle auf den Boden. Versuche mich aber sofort wieder aufzurappeln. Doch Emilio kniet sich zu mir und umfasst meine Haare. Dann zieht er mein Gesicht zu sich heran.
"Es hat eine Ewigkeit gedauert dich zu finden", flüstert er mir bitter zu. "Du gehörst mir. Keinem anderen. Hast du das noch nicht verstanden?"
Ich gehöre dir nicht! will ich schreien. Doch ich spüre schon wieder Wärme in meinem Mund. Ich sehe Emilio an - und spucke ihm mein Blut ins Gesicht. Das ist genau das, was ich von ihm halte!

Und ich habe auch mit dem gerechnet, was jetzt kommt. Emilio lässt mich los und ich bekomme noch eine Ohrfeige. Aber solange er mich schlägt, lässt er wenigstens Alex in Ruhe. Emilio tritt mir in den Bauch. Während ich mich vor Schmerzen krümme und darauf achte, nicht zu viel von mir zu geben, lässt er wieder von mir ab.
Und geht auf Alex zu. So sehr ich es auch versuche, ich kann im Moment nicht aufstehen. Nein! Wenn es da oben einen Gott gibt: lass nicht zu, dass er Alex weiter weh tut!
"Und Sie sind wohl der Meinung mir meine Catherine wegnehmen zu können", baut sich Emilio vor Alex auf.
"Sie ist meine Frau", sieht Alex ihn warnend an. "Und wenn Sie sie noch einmal berühren..."
"Was dann?" unterbricht Emilio ihn und lacht auf. Die beiden Männer halten Alex immer noch fest. Nein, Alex hat gewiss Kraft - nur gegen die beiden leider nicht den Hauch einer Chance.
Emilio holt aus und trifft Alex mit voller Wucht in den Magen. Und dann noch einmal und noch einmal. Dann folgt ein Kinnhaken rechts. Einer links.
Ich sehe, was Emilio meinen Mann antut. Doch mein viel zu leises "Hör auf!" hört niemand.

Ich schaffe es mit aller Kraft im Moment mich auf die Knie zu stellen und sehe zu den Männern hinüber. Alex hat eine Platzwunde seitlich an der Stirn, aus der es stark blutet. Außerdem ist seine Lippe aufgeplatzt. Ich hoffe nur, dass das Blut aus seinem Mund nicht auf innere Verletzungen hindeutet! Emilio ist wie von Sinnen. Er schlägt immer und immer wieder zu. Und Alex hat keine Chance. Die beiden Männer halten ihn fest wie in einem Schraubstock. Unfairer und feiger geht es ja wohl nicht mehr!
Nein! Er muss aufhören. Er soll Alex in Ruhe lassen. Emilio darf ihm nichts antun. Er darf ihn nicht umbringen. Wie schon Christian. Mit allerletzter Kraft stelle ich mich auf meine Füße. Sie zittern und alles dreht sich. Doch das ist mir egal. Ich muss Alex retten. Ich gehe wackelnd die Schritte zu den Männern und schiebe mich schützend vor Alex.
Emilio holt gerade wieder aus, doch dann starrt er mich an.
"Hör auf", bitte ich ihn leise und sehe ihn an. "Lass ihn in Ruhe. Bitte. Ich komme mit dir."

39. Mein Leben gegen seins
Ja, ich habe die Worte gesagt. Ich werde etwas tun, was ich nie wieder machen wollte. Ich werde mit Emilio zurück gehen. Um Alex zu retten. Ich hoffe, dass ich ihn retten kann. Bei Christian war ich machtlos. Aber Alex kann ich helfen.
"Was soll das, Catherine?" sieht Emilio mich wütend an. "Geh aus dem Weg!"
"Nein", lehne ich mich erneut gegen ihn auf. Meine Augen sind voller Tränen, wenn ich Alex auch nur ansehe. "Er kann nichts dafür. Lass ihn am Leben, bitte. Ich gehe mit dir. Freiwillig. Ich werde wieder dir gehören. Bitte, tue ihm nicht dasselbe an wie Christian!"
Völlig unbedacht ist mir das heraus gerutscht.
"Christian?" Emilio stellt sich nun in voller Größe auf. Aber er nimmt endlich seine Hände herunter. Doch im nächsten Moment packt er mich am Arm und zieht mich zu sich nach oben.
"Ich habe dich so sehr geliebt, Catherine", höre ich ihn völlig verbittert sagen. Sein Gesicht ist meinem viel zu nah. "Dir hätte alles gehören können. Aber du musstest ja mit Christian einen Plan ersinnen. Ich habe meinen Bruder für deine Liebe geopfert!"

Was? Was hat er mir da gerade gesagt? Ich reiße geschockt die Augen auf.
Christian war sein Bruder? Emilio hat seinen eigenen Bruder umgebracht? Wegen mir?
Wie soll ich nur Alex vor ihm retten, wenn Emilio nicht einmal vor seiner eigenen Familie Halt macht?
"Christian war schon immer schwach gewesen", erzählt Emilio einfach weiter und lässt mich wieder los. Ich sinke zu Boden und lehne mich an Alex.
"Ich hätte ihn nie mit dir alleine lassen dürfen", redet Emilio weiter und geht ein paar Schritte zurück. Ist es Zeit um aufzuatmen? "Christian hatte immer das Herz am rechten Fleck. Ich hätte es wissen müssen, dass er dem nicht gewachsen war." Emilio sieht zu mir.
Für einen Moment wirkt sein Blick völlig leer. Voller Trauer. Doch dann ist er wieder völlig der alte. Eiskalt. Übermenschlich. Angst einflößend.

"Lasst ihn los", deutet er plötzlich den beiden Männern. Sie nehmen ihre Hände von Alex und ich fange ihn auf.
"Du kommst freiwillig mit zurück nach Hause, Catherine?" fragt Emilio mich mit bebender Stimme.
Ich sehe ihn an und nicke. "Ich möchte Alex nur noch Goodbye sagen", bitte ich ihn leise. Ich wünschte, es wäre ein Auf-Wiedersehen.
Wird er mir diesen letzten Wunsch erfüllen?
Emilio nickt nur.
Und ich nehme Alex´ Gesicht zwischen meine Hände. Ich wische ein wenig Blut fort, aber es hilft nicht wirklich.
"Kate", formt Alex wortlos meinen Namen.
Meine Tränen tropfen auf seine Wange. Ich bin so froh, dass er noch am Leben ist.
"Ich liebe dich", flüstere ich so leise, dass nur er mich hören kann. "Es tut mir so leid, Alex. Es tut mir so leid..."
"Catherine!" fordert Emilio mich nun auf ihm zu folgen.
"Nein", greift Alex nach meiner Hand. Doch er hat zu wenig Kraft. Er schafft es nicht einmal mich festzuhalten. Wie sollte er sich noch einmal wehren können? Ich tue das Richtige. Ich rette Alex. Ich tue das, was ich für Christian nicht tun konnte.

Ich streiche ein letztes Mal über Alex´ Gesicht. Brenne das Blau seiner Augen in meinen Erinnerungen ein. Ich traue mich nicht ihn ein letztes Mal zu küssen. Aus Angst, Emilio könnte wieder wütend werden.
Dann lege ich Alex´ Kopf vorsichtig auf den Boden und bleibe noch eine Sekunde vor ihm sitzen. Die Tränen kann ich nicht zurückhalten. Es ist das letzte Mal, dass ich Alex sehen werde. Ich weiß nicht, was mich bei Emilio erwartet. Wie groß seine Wut und sein Hass auf mich sein werden.
Mein Herz zerbricht in dieser Moment.
Ich muss alles zurücklassen, was mich am Leben erhalten hat.
Ich greife noch einmal nach Alex´ Hand. Lasse meine Liebe bei ihm. Und als ich dann aufstehe, verschließe ich mein Herz. Die Mauer ist hoffentlich hoch genug, dass Emilio niemals durch sie hindurch kommen wird.
Emilio steht an der Tür und hält mir seine Hand entgegen. Er hat gewonnen. Ich habe soeben mein Leben aufgegeben. Für Alex. Und nein, ich bereue es nicht.

"Lass sie vorgehen", deute ich auf die beiden Männer. Ich traue Emilio nicht eine Sekunde über den Weg.
Ein Kopfnicken von Emilio und die Männer öffnen die Tür und treten in den Gang hinaus. Ich straffe meine Schultern und gehe zu Emilio. Lege meine Hand in seine. Und ich weiß, dass es nicht nur meine Hand ist, die er hält. Er hält mein Leben in seinen Händen. Aber er wird nie mein Herz halten. Denn das lasse ich hier.
Ich gehe neben Emilio nach draußen und beobachte jede seiner Bewegungen, bis wir vor der Tür stehen und diese sich hinter uns schließt.
"Den hinteren Aufzug", deutet Emilio auf den kleineren Aufzug am anderen Ende des Flurs.
Wie lange wird Alex dort liegen? Wer wird ihn finden? Wird man ihm helfen? Ich hoffe nur, dass er keine inneren Verletzungen hat! Ich würde so gern, aber ich kann nichts mehr für ihn tun. Jede weitere Forderung würde Alex´ Leben riskieren.

"Bald sind wir wieder zu Hause, Catherine", sagt Emilio lächelnd neben mir, während wir auf den Aufzug warten. "Alle warten schon auf dich."
Zu Hause! Bah. Was für eine Lüge. Das war nie mein Zuhause. Und wird es auch nie sein. Aber ich sage keinen Ton. Dann hält der Aufzug und die Türen öffnen sich. Die beiden Männer steigen ein, dann folge ich ihnen mit Emilio. Er drückt den Knopf für die Tiefgarage. Niemand wird uns sehen. Niemand wird wissen, wo ich bin. Wer mich mitgenommen hat.
In dem Moment, als sich die Türen von unserem Aufzug langsam schließen, öffnen sich die Türen des Aufzuges gegenüber. Ich sehe Jackie und Mike. Bleibe aber ganz ruhig stehen. Jackies und mein Blick treffen sich.
Hilf ihm! versuche ich ihr telepathisch mitzuteilen. Jackies Augen weiten sich vor Schreck, als sie mich sieht. Doch dann schließen sich die Türen und der Fahrstuhl setzt sich in Bewegung.
Ich hoffe, dass Jackie mit Mike gleich nach Alex sehen wird. Und dass es ihm wieder gut gehen wird. Ich hätte beide von mir fern halten sollen. Dann wäre Alex heute gesund und munter. Aber damit muss ich jetzt weiter leben. Ich schließe für einen Moment meine Augen. Schmecke immer noch das Blut in meinem Mund. Vermischt mit meinen salzigen Tränen. Ich kann nur erahnen, wie mein Gesicht aussieht. Aber all das ist egal. Der Schmerz in meinem Herzen ist viel größer. Heiße Tränen laufen ununterbrochen über meine Wangen, als ich mich zu Emilio ins Auto setze und wir die Tiefgarage verlassen.


40. Wieder zurück
Das Auto fährt aus der Tiefgarage und biegt in eine ziemlich belebte Straße ab. Doch es würde nichts bringen. Die Türen sind fest verschlossen. Und noch ehe ich um Hilfe rufen könnte, hätte Emilio mein Leben beendet. Ich spüre seinen Blick auf mir ruhen. Doch ich kann ihn nicht ansehen. Ich hasse ihn. So sehr. Dafür, was er Christian und Alex angetan hat.
Emilio beugt sich vor und öffnet einen kleine Tür vor sich. Dann wirft er mir einen Waschlappen zu. Ich zucke zusammen, als mich der nasse, kalte Stoff berührt.
"Wasch dein Gesicht!" befiehlt er mir. "Du siehst furchtbar aus!"
Ich lasse meinen Blick gesenkt. Nehme den Waschlappen in meine Hand und wische ganz langsam über mein Gesicht. Meine aufgeplatzte Lippe tut weh. Und auch an der Wange schmerzt es. Das wird sicher wieder blau werden. Das kenne ich ja schon. Dann lasse ich meine Hände sinken, halte den Lappen aber weiter fest.

"Sieh mich an, Catherine!" fordert Emilio mich auf.
Mein Atem geht stoßweise. Ich muss mich zwingen nicht wieder loszuweinen. Ganz langsam hebe ich meinen Kopf und sehe in seine Richtung. Am liebsten würde ich mich übergeben, als ihn noch einmal anzusehen. Und doch tue ich es.
"Deine Haare sehen schrecklich aus", greift er danach und sieht mich missbilligend an. "Morgen sind sie wieder blond wie früher."
Ich nicke nur. Jetzt ist es doch egal, wie ich aussehe. Mein Leben gehört ihm. Und mir ist alles egal. Ich weiß ja noch nicht einmal, wie lange er mich noch am Leben lassen wird. Bis morgen dann wohl auf jeden Fall.
"Ich habe dich vermisst, Catherine", sagt Emilio nun mit zärtlicher Stimme. Doch die ist so unecht wie er selbst. Er greift nach meiner Hand.
Wie ich es hasse, wenn er meinen Namen ausspricht.
"Hast du mich auch vermisst, Catherine?" will Emilio wissen.

Ich nicke. Was soll ich auch sonst tun?
"Sag es", fordert er mich auf.
"Ich habe dich vermisst", flüstere ich die Lüge. Sie kommt so leicht über meine Lippen. Schließlich habe ich drei Jahre lang das Lügen geübt.
"Du solltest üben, wieder besser zu lügen", sagt Emilio und sieht aus dem Fenster.
Seine Worte lassen mich zusammen zucken. Wenn er mich so leicht durchschaut - wieso wollte er mich zurück? Wenn er weiß, dass ich lüge - warum hat er mich nicht gehen gelassen?
"Du gehörst mir", sagt Emilio plötzlich in die Stille, als hätte er meine Gedanken erraten. Und das ist meine Antwort.
Ich sehe wieder auf meine Füße. Nach draußen will ich nicht blicken. Die Menschen dort sind frei und leben. Alle sind fröhlich. Und für mich ist alles irgendwie vorbei. Musste er mich gerade jetzt finden? Jetzt, wo ich glücklich war? Wo ich jemanden gefunden hatte, mit dem ich mein Leben teilen wollte? Der mir keine Vorschriften oder Befehle gab? Ich weiß, dass ich mit Alex glücklich geworden wäre. Richtig glücklich. Und ich wünsche mir so sehr, dass Alex sein Glück finden wird.

Das Auto rollt aus der Stadt. Eine lange einsame Straße entlang. Überall ist Wüste. Jetzt passt die Umgebung zu meinem Inneren. Hier gibt es auch kein Leben. Oder nur wenig, was man nicht einmal Leben nennen kann.
Emilio sagt kein Wort mehr, bis wir auf einen kleinen Privatflughafen einbiegen. Ich konnte mir ja denken, dass er nicht quer durchs Land mit dem Auto fahren würde. Er braucht mich nichts zu sagen. Ich steige aus - immer unter den wachsamen Augen seiner zwei Begleiter. Gehe immer ein kleines Stück hinter Emilio her.
Ich brauche mich nicht umsehen, ob ich fliehen könnte. Es würde mir ja doch nicht gelingen. Aber auf der anderen Seite - wenn ich es jetzt versuchen würde, wäre es vorbei. Doch habe ich nicht doch noch ein klein wenig Hoffnung? Dass Jackie oder Alex irgendetwas tun können?
Mit gesenktem Blick steige ich hinter Emilio in das Flugzeug. Setze mich auf den von Emilio gedeuteten Sitz am Fenster und warte ab. Emilio geht nach vorn und redet mit dem Piloten.

Ich sehe auf meine Finger. Spüre, dass die zwei Männern mich keine Sekunde unbeobachtet lassen. Ich trage noch nicht einmal einen Ehering. Ich habe nichts von Alex mit mir. Außer den Erinnerungen. Doch wie lange wird es mir gelingen, dass diese mich am Leben halten?
"Es geht los", kommt Emilio zurück und setzt sich mir gegenüber. Das Flugzeug fährt auf das Rollfeld, beschleunigt und hebt ab.
Irgendwann halte ich es nicht mehr aus ihm so nah gegenüber zu sitzen. Ich kriege keine Luft mehr.
"Kann ich mal auf die Toilette?" frage ich leise, sehe jedoch nicht auf.
"Stell nichts Dummes an, Catherine", mahnt Emilio mich und zieht seinen Fuß zurück. Mit wackligen Knien stehe ich auf und gehe das kleine Stück zur Flugzeugtoilette. Schließe die Tür hinter mir ab. Setze mich hin und verberge mein Gesicht in meinen Händen. Ich schluchze leise auf. Alles in diesem Hotelzimmer sehe ich noch einmal vor meinem geistigen Auge. Hätte ich Alex nicht mehr helfen können? Aber wie?

"Catherine!" klopft es plötzlich ungeduldig an der Tür.
"Ich komme", rufe ich erschrocken und stehe auf. Sehe in den kleinen Spiegel. Meine Augen sind rot vom vielen Weinen. Augenringe habe ich auch. Mein Mascara ist immer noch verwischt. Meine Lippe ist geschwollen und aufgeplatzt. Aber sie scheint nicht mehr zu bluten. Meine Wange nimmt so langsam Farbe an. Ich drehe den Wasserhahn auf und wasche mein Gesicht mit dem kalten Wasser. Stelle es wieder ab, trockne mich ab - und öffne dann die Tür.
Emilio steht vor mir und sieht mich an.
"Catherine, ich liebe dich", zieht er mich an sich. Ich drehe meinen Kopf zur Seite, als er mich küssen will.
"Es tut alles so weh", sage ich entschuldigend und deute auf meine Lippe.
Emilio dreht meinen Kopf wieder zu sich herum und sieht mir in die Augen.
"Es tut mir leid, Catherine", sagt er leise und hält streichelnd meine Hand fest. Dann lässt er mich los und tritt zur Seite, damit ich zurück zu meinem Platz gehen kann.

Ich kann diese Worte nicht mehr hören. Liebe? Wenn er mich lieben würde, würde er mich nicht gegen meinen Willen bei sich behalten. Leid? Wie oft habe ich das schon gehört? Doch es passiert immer wieder. Emilio tut nichts leid. Er hat doch gar kein Herz!
Den Rest des Fluges schweigen wir uns wieder an. Ich sehe aus dem Fenster in die Wolken. Wie gern würde ich auch hier oben sein. Leicht und frei. Meine Gedanken drehen sich nur um Alex. Um die ganze Zeit, seit wir uns getroffen haben. Ist das wirklich nur fast zwei Wochen her? Wie konnte es denn so schnell passieren? Dass ich mein Herz verschenkt habe. Aber es war richtig. Ich habe es an den Richtigen vergeben. Alex wird schon darauf aufpassen. Wie es ihm wohl gehen mag? Ich bin mir sicher, dass Jackie und Mike ihn gefunden haben. Das müssen sie einfach.
Nachdem das Flugzeug gelandet ist, steigen wir wieder in ein Auto mit getönten Scheiben. Ich sage kein Wort, während Emilio einige Telefonate führt. Ich höre auch nicht zu, worüber er sich unterhält. Meine Gedanken sind bei einem anderen. Bei meinem Mann.
Und dann erkenne ich plötzlich die Gegend. Wir fahren auf Emilios Grundstück.


41. Leben? Welches?
Mein Leben hat aufgehört. In dem Moment, als Emilio in unser Hotelzimmer gekommen ist. Egal, wie sehr ich mir wünsche, es wäre nicht so - ich kann nichts daran ändern. Ja, ich habe geahnt, dass er mich suchen wird. Und ich habe gelernt, dass ich hätte vorsichtiger sein müssen. Aber wahrscheinlich hätte auch das mir nicht geholfen.
Und es ist zu spät. Jetzt ist alles zu spät. Ich gehe neben Emilio her in sein Haus. Wähle von selbst den Weg hinauf in den Turm. In mein Gefängnis. Emilio begleitet mich nach oben.
"Morgen Früh kommt jemand deine Haare machen", sagt er zu mir. Ich hoffe so sehr, dass er mich jetzt allein lässt. Doch Emilio kommt noch einmal zu mir und greift nach meinen Händen.
"Catherine, ich liebe dich und ich bin froh, dass du wieder da bist", sucht er meinen Blick. Oh Gott, wenn ich ihn noch nicht kennen würde, wäre ich darauf herein gefallen. Aber ich kenne den Teufel in ihm. Emilio streichelt über meine Hände, dann lässt er mich los. Und verlässt endlich das Zimmer. Ich höre, wie sich der Schlüssel im Schloss umdreht.

Und dann lasse ich mich auf den Boden sinken. Ich kann einfach nicht mehr. Meine Kräfte verlassen mich. Das hätten sie sicher schon früher getan. Doch ich musste an Alex denken. An seine Sicherheit. Denn das war er jetzt. Sicher.
Ich schließe meine Augen. Die Tränen laufen auch so über meine Wangen. Und so sehe ich Alex vor mir. Seine Augen. Die immer ihre Farbe ändern. Doch verliebt habe ich mich in seine blauen Augen. So blau wie das Meer. Das unendliche Meer. Blau wie der wolkenlose Himmel an einem Sommertag. Wie sehr sehne ich mich danach bei ihm zu sein. In seinen Armen zu liegen.
Ich sehne mich nach seinen Berührungen. Nach seinen Armen. Die mich festhalten. Wo ich sicher bin. Sicher war. Ich will mein Leben zurück. Mein Leben mit Alex. Ich will einfach nur zurück zu ihm. Es ist mir egal, was ich essen werde oder wo ich schlafe. Ich will einfach zu Alex zurück. Er fehlt mir so sehr!

Ich stütze mich auf dem Boden ab und stehe auf. Gehe in das Badezimmer und ziehe mich aus. Dann stelle ich die Dusche an und stelle mich darunter. Ich wünschte, es wäre so einfach. Ich könnte alles abwaschen und alles wäre nie geschehen. Es wäre gestern und ich würde gerade mit Alex im Taxi sitzen. Wir hätten uns einander gerade versprochen.
Meine Tränen vermischen sich mit dem Wasser. Habe ich jemals so viel geweint? Ich habe das Gefühl es sind alle Tränen, die ich jemals geweint habe - alle zusammen noch einmal. Ich fühle mich so einsam wie noch niemals zuvor. Mein Herz tut weh. Ich habe das Gefühl, mein Magen zieht sich zusammen. Ich bin völlig am Ende.
Ich stelle das Wasser wieder ab und greife nach einem großen Handtuch. Das wickle ich um mich, ziehe dann noch einen Bademantel über. Dann schlürfe ich zum Bett. Schlage die Decke zurück und lege mich hinein. Ich decke mich wieder zu, ziehe meine Beine an. Und während ich das alles tue, laufen die Tränen einfach weiter.

Ich liebe im Bett und kann nicht aufhören zu weinen. Wieso hat Emilio mich mit sich genommen? Wieso konnte er mich nicht in Ruhe lassen? Wieso musste er mich finden?
Irgendwann sind meine Kräfte aufgebraucht. Doch die Tränen versiegen nicht. Mit ihnen in den Augen schlafe ich ein. Es ist ein unruhiger Schlaf. Immer wieder wache ich auf. Und immer wieder holt mich sofort die Wirklichkeit ein und die Tränen laufen weiter. Ich glaube nicht, dass ich jemals wieder aufhören kann zu weinen.
Als es hell wird, stehe ich auf und ziehe mich an. Ich hole einfach eine schwarze Hose und einen dicken Pullover aus dem Schrank. Ich fühle mich fürchterlich. Mein Gesicht schmerzt. Mein Körper fühlt sich leer an. Mir ist eiskalt. Und ich glaube, meine Stirn ist total heiß. Aber es ist mir einfach egal.

Nur wenig später geht die Tür auf. Emilio betritt das Zimmer.
"Guten Morgen, Catherine", begrüßt er mich. "Ich habe im Esszimmer decken lassen. Kommst du frühstücken?"
"Ich habe keinen Hunger", sage ich schwach.
"Du solltest etwas essen", bestimmt Emilio jedoch und nimmt meine Hand. Also folge ich ihm nach unten in das Esszimmer. Emilio hält mir den Stuhl hin und ich setze mich.
Bis auf die Nachfragen "Kaffee?", "Brötchen?" und "Saft?" ist es absolut still am Tisch. Ich starre auf den Teller vor mir. Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Ich kann einfach nichts essen.
"Wenn du möchtest, kannst du wieder nach oben gehen", hat Emilio ein Einsehen.
"Danke", stehe ich sofort auf. Außer ein paar Schlucken Saft habe ich nichts zu mir genommen.
Nur wenig später geht meine Tür wieder auf. Und eine Frau kommt ins Zimmer.
"Ich soll Ihnen die Haare machen", sagt sie zu mir.

Eine Stunde später sehe ich in den Spiegel. Ich sehe aus wie früher. Blond. Mit leeren Augen. Meine Lippe ist geschwollen. Aber den Schmerz spüre ich nicht mehr. Meine Wange ist... farbig. Blau. Grün. Und gelb. Also kann ich mir Makeup sparen.
In meine Augen treten schon wieder Tränen. Und dann wird mir übel. Ich schaffe es gerade noch zur Toilette. Schon kommt mein doch recht dürftiges Frühstück wieder heraus. Schwach lasse ich mich an der Wand nach unten sinken. Ich möchte nach Hause. In mein Zuhause. Zu Alex.
Ich vermisse ihn mit jeder Sekunde mehr.
Wenn der Schmerz irgendwann unerträglich wird, was werde ich dann tun?


42. Mein Leben heißt leiden
Die Zeit vergeht. Aber mir geht es nicht besser. Eher schlechter. Jeden Tag. Ich fühle mich so einsam ohne Jackie und Alex. Oh Alex, wenn ich doch nur in seinen Armen liegen könnte.
Ich möchte am liebsten jeden Morgen im Bett liegen bleiben. Ich will nicht aufstehen. Wozu auch? Meine Tage sind furchtbar. Ich muss zum Frühstück mit Emilio am Tisch sitzen. Er verlangt, dass ich etwas esse. Was jedoch sofort wieder den Weg in die Toilette findet, sobald ich zurück in meinem Zimmer bin. Zum Mittagessen bin ich allein. Emilio gestattet, dass ich mich im Haus frei bewegen kann. Ich darf mir auch selbst etwas zu essen kochen, werde aber ständig überwacht.
Ich vermisse Christian. Mit ihm konnte ich reden. Jetzt bin ich den ganzen Tag allein. Emilio kommt am Abend zum Abendessen wieder zurück. Er erzählt mir von seinem Tag. Aber immer dasselbe. Und ich glaube ihm kein Wort. Ich weiß nicht, was er versucht - aber es funktioniert nicht. Ich will zurück zu meinem Mann.

Mir ist so was von langweilig. Ich weiß gar nicht, wie ich drei Jahre hier ausgehalten habe. Ich laufe tagsüber durch das Haus. Das habe ich früher nie getan. Ich sehe mir alles genau an. Früher habe ich ja nur geputzt. Jetzt sehe ich in die Schränke. Und entdecke irgendwann ein Fotoalbum. Von Christian. Wie sehr ich ihn doch vermisse. Nicht so sehr wie Alex, aber ich vermisse ihn unheimlich. Er hat mein Leben hier ein wenig erträglicher gemacht.
Auf der letzten Seite ist ein Foto noch nicht eingeklebt. Es zeigt Christian wie ich ihn kannte. Ich nehme das Foto an mich und bringe es in mein Zimmer. Dort stelle ich es auf mein Nachtschränkchen. Emilio seit dem ersten Tag dieses Zimmer nicht mehr betreten.
Doch an diesem Abend tut er es. Wir haben bereits zusammen gegessen und ich habe mich gleich danach wieder zurück gezogen. Ich liege auf dem Bett und starre das Bild an, als die Tür aufgeht.
Schnell setze ich mich auf. Was will er hier?

Emilio kommt langsam auf das Bett zu und dann fällt sein Blick auf das Bild. Er setzt sich zu mir und nimmt das Foto von seinem Bruder in die Hand.
"Christian war der bessere Mensch von uns beiden", sagt Emilio wie zu sich selbst. "Ich vermisse ihn."
"Ich vermisse ihn auch", sage ich leise.
Emilio stellt das Bild zurück. "Christian hätte dich nicht von mir wegbringen sollen", sagt er dann und sieht mich an. "Du kannst nicht noch einmal gehen, Catherine. Ich brauche dich." Er greift nach meiner Hand und streichelt meine Finger.
Ich würde sie am liebsten zurück ziehen. Aber ich habe Angst. Zu viel Angst. Emilio hat mir noch nie so viel Persönliches erzählt wie gerade eben. Dass er Christian vermisst. Wie lange darf ich noch atmen?
"Du bist alles für mich, Catherine", sagt Emilio zu mir und zieht mich in seine Arme.
In mir sträubt sich alles gegen ihn. Gegen seine Nähe. Gegen seine erzwungene Nähe. Ich spüre, dass mir schon wieder schlecht wird. Schnell löse ich mich aus seiner Umarmung, murmle eine Entschuldigung und laufe ins Badezimmer.

"Ich werde den Hausarzt anrufen", steht Emilio in der Tür und sieht mich besorgt an. "Er soll gleich morgen Früh vorbei kommen und dich durchchecken."
Ich nicke. Das ist mir so was von egal. Es sicher nur der Ekel und die Abscheu. Gegen ihn. Gegen Emilio. Meine Nerven. Ist auch egal.
Ich stehe auf und spüle meinen Mund mit eiskaltem Wasser aus. Wie schon in den vergangenen vier Wochen. Oder ist es schon länger? Ich habe irgendwann wieder die Zeit vergessen. Jeder Tag ist gleich. Jeder Tag tut einfach nur weh. Und ich möchte gar nicht mehr am Leben sein. Ich dachte, ich hätte mein Herz bei Alex gelassen. Doch was tut denn sonst die ganze Zeit in meinem Körper so weh? Ich vermisse ihn so sehr.
"Vielleicht solltest du dich ein wenig ablenken", sagt Emilio und verschwindet aus dem Zimmer. Nur wenige Minuten später kommt er mit zwei anderen zurück.
"Ich bekomme einen Fernseher?" sehe ich ihn erstaunt an.
"Ich kann dir vielleicht Christian nicht zurück geben", sieht Emilio mich an. "Aber die Erinnerungen an die Zeit, als er noch da war. Da warst du glücklicher."

Ich war hier noch nie glücklich. Das sollte Emilio eigentlich wissen. Aber vielleicht verdrängt er das auch. Und es ist mir egal - ich bin unglücklich. Ob mit oder ohne Christian. Ich bin ohne Alex. Er ist alles, was ich mir noch wünsche. Wovon ich träume. Meine einzige Hoffnung noch am Leben zu bleiben.
Super. Jetzt bekomme ich einen Fernseher. Ich bin fünfzehn und freue mich tierisch. Witz, komm raus - du bist umzingelt! Ich lache dann später.
Emilio lässt mich dann allein. Und ich habe keine Lust zum Fernsehen. Doch wenn es nur eine Chance für mich gibt Alex wieder zu sehen, dann... Ich schalte ihn ein. Zappe durch die Programme. Doch da kommt nichts. Kein einziger Alex ist irgendwo zu sehen. Enttäuscht schalte ich wieder aus. Und gehe ins Bett.

Am nächsten Morgen kommt wie angekündigt der Hausarzt von Emilio. Er untersucht mich unter den wachsamen Augen von Emilio.
"Blutdruck und Atmung sind in Ordnung", sagt der Arzt. "Ich nehme noch etwas Blut ab, aber ich glaube, Sie essen einfach zu wenig."
"Es bleibt nichts drin", rutscht mir heraus.
Der Arzt sieht mich aufmerksam an. "Sind Sie vielleicht schwanger?"
Auf die Frage bin ich nicht vorbereitet. Und ich sehe, wie sämtliche Farbe aus Emilios Gesicht weicht. Schwanger? Ich? Die Frage von wem würde sich erübrigen. Es kann nur einer sein. Wenn das wirklich so wäre, wäre ich jetzt... schnell rechne ich nach... in der fünften oder sechsten Woche. Also noch ganz am Anfang
.


43. I was made for you
Emilio hat die ganze Zeit noch kein Wort gesagt. Er steht an der Tür. Ist blass. Und starrt mich die ganze Zeit an. Der Arzt kramt in seiner Tasche und reicht mir dann eine Packung. Es ist ein Schwangerschaftstest. Ich stehe auf und verschwinde im Badezimmer. Könnte ich wirklich schwanger sein? Wenn, dann wäre es Alex´ Baby. Dann hätte ich etwas von ihm bei mir. Ich wäre nicht mehr allein. Emilio hat mich bis jetzt noch nicht angerührt. Doch seiner Reaktion nach zu urteilen, wäre er sicher nicht sehr erfreut.
Ich mache den Test und warte dann. Die Minuten vergehen langsam. Zu langsam. Mir geht so viel durch den Kopf. Zu viel. Ich bin völlig verwirrt. Hin und her gerissen. Zwischen Freude und Bangen. Was wird Emilio sagen oder tun, wenn es wirklich so ist?

"Weißt du es schon?" Emilio steht plötzlich im Bad und sieht mich an.
Ich sehe ihn an. "Ich warte noch."
Emilio steht einfach nur da und sieht mich an.
"Du hast mit ihm... mit dem anderen... mit ihm...?" Es ist ungewohnt ihn unsicher zu sehen. Ich habe Emilio noch nie stottern gehört.
"Ich habe ihn geheiratet", ist meine Antwort.
Emilio nickt nur. Und sieht auf seine Uhr.
"Ich glaube, jetzt ist die Zeit um", sage ich und greife nach dem Test. Und nach der Packung. Ich muss ja schließlich wissen, was das bedeutet.
Ein Strich ist dafür, dass ich den Test richtig gemacht habe. Lese ich nach. Der zweite Strich würde bedeuten, dass ich schwanger bin. Ist kein zweiter Strich da...
Ich sehe mit klopfendem Herzen auf den Test. Zwei Stiche sehe ich. Zwei! ZWEI Striche. Das heißt... Ich sehe Emilio an. Was macht er jetzt? Mit mir?

Emilio sieht mich fragend an. Ich nicke nur.
Ich sehe, wie Emilios Wangenpartie arbeitet.
"Du solltest mit dem Arzt reden", sagt er und schiebt mich zurück in mein Zimmer.
Ich bekomme ein paar gute Ratschläge und Vitaminpräparate - dann macht der Arzt mit Emilio einen Termin für den Ultraschall in seiner Praxis aus. Ich werde gar nicht gefragt. Natürlich steht es für mich außer Frage, dass ich das Baby haben will. Es ist von Alex. Von dem Mann, den ich liebe.
Aber will ich hier ein Baby bekommen? Wie soll es dem Baby hier gehen? Werde ich es überhaupt behalten dürfen? Was wird Emilio alles dulden?
"Wir sehen uns morgen", sagt Emilio zu mir, nachdem der Arzt das Zimmer verlasen hat. Und geht ebenfalls.
Morgen? Es ist gerade erst kurz nach dem Frühstück. Wieso sehe ich ihn heute nicht noch einmal? Was geht in Emilio vor? Ich will es wissen - doch es ist mir auch egal. Ich habe mit mir selbst genug zu tun. Ich muss nachdenken...

Ich möchte hier weg. Ich will keine Sekunde länger hier bleiben. Ich möchte zurück zu Alex. Aber das sind alles nur Wunschträume. Die nie wieder wahr werden.
Mein Tag vergeht überhaupt nicht. Ich weiß nicht, wo Emilio ist. Oder wie er mit dieser Nachricht umgeht. Ich habe Angst vor seiner Reaktion. Und ich habe Angst, was er fordern wird. Von mir.
Im Laufe des Nachmittags wird mir zu langweilig. Und ich habe das Gefühl, ich drehe gleich durch. Dauernd kreisen meine Gedanken um dieselben Fragen. Dieselben Wünsche. Aber es gibt für alles kein Ergebnis. Keine Lösung.
Ich schalte den Fernseher an, um mich ein wenig abzulenken. Schalte um. Immer wieder. Und plötzlich bleibe ich bei den Nachrichten hängen...

"...nimmt übermorgen die Dreharbeiten zur Serie Hawaii 5-0 wieder auf. Der Schauspieler Alex O´Loughlin wurde vor sechs Wochen von Unbekannten in seinem Hotelzimmer zusammengeschlagen, als er ein Wochenende mit seiner Schwester und deren Ehemann in Las Vegas verbrachte. Er lag zwei Wochen mit gebrochenen Rippen und zahlreichen Verletzungen im Gesicht im Krankenhaus und hat sich danach noch einige Zeit zu Hause erholt. Einzelheiten zu dem Fall sind bis heute nicht bekannt. Wer oder warum sich jemand an ihm rächen wollte, ist bisher völlig unklar. Auch die Polizei schweigt sich darüber aus. Trotzdem sind nun vor allem die weiblichen Fans froh, dass der Dreh der Serie nach der langen Pause und ungeduldiger Warterei wieder fortgesetzt wird. Alex O´Loughlin wird morgen in den frühen Abendstunden auf Hawaii erwartet. Mehr dazu in unserer morgigen Show. Und nun zum Wetter..."

Jetzt höre ich nur noch mit halben Ohren zu. Alex geht es gut. Das ist alles, was ich wissen wollte. Er ist wieder gesund. Er hat es verarbeitet. Und hoffentlich vergessen. Ich bin froh, dass er seinen Job wieder aufnehmen kann. Ich glaube, es ist ganz gut, wenn er wieder arbeitet. Dann ist er wenigstens abgelenkt. Ich hoffe, er hat mich vergessen. Und lebt sein Leben weiter wie bisher. Ich würde nie von ihm verlangen, dass er mich in seinem Herzen behält. So sehr ich ihn auch vermisse und mir wünschte, er würde jeden Moment zur Tür herein kommen und mich retten... Es wird nie passieren.
Ich schalte den Fernseher aus. Alex... Schon wieder bahnen sich die Tränen ihren Weg in meine Augen. Und laufen über mein Gesicht. Ich habe alles verloren. Aber ich habe Alex gerettet. Was würde ich dafür geben, seine Umarmung zu spüren. Was würde ich dafür geben, noch einmal in seinen Armen zu liegen. Noch einmal seinen Herzschlag zu spüren. Noch einmal seinen Duft einzuatmen.

Ich kann nicht mehr. Ich kann keine Nacht mehr ohne Alex sein. Keinen einzigen Tag. Keine Stunde. Keine Minute oder Sekunde. Ich kann nicht mehr. Bei Alex war ich einfach nur ich. Es war wunderschön bei ihm zu sein. Emilio macht etwas... jemanden aus mir, die ich nicht bin. Und die ich nicht sein will. Ich wäre glücklich geworden an Alex´ Seite. Einfach nur als unbedeutende Kellnerin. Einfach nur als ich selbst.
Ich war für ihm bestimmt. Für Alex.
Ich will nicht, dass unser Baby hier in diesem Verließ zur Welt kommt und aufwächst. Was, wenn es ein Mädchen wird? Wird es dasselbe Schicksal erleiden müssen wie ich? Das könnte ich nicht verantworten. Und was, wenn es ein Junge wird? Wird er so werden wie Emilio? Auch das kann ich nicht zulassen.
Ich stehe auf und gehe an das Fenster. Draußen ist es schon dunkel. Nur ganz hinten am Horizont ist noch ein Licht zu sehen. Doch auch das wird jede Sekunde von der Dunkelheit verschluckt werden.

Ich kann das nicht. Nicht mehr. So tun, als wäre die Welt in Ordnung. Denn das ist sie nicht. Alles hier ist falsch. Und ich bin dabei mich selbst zu verlieren.
Ich werde es beenden. Hier und jetzt. Bevor Emilio mich finden wird, wird es bereits zu spät sein. Ich gehe langsam zu dem Kleiderschrank. Schiebe alle Sachen zur Seite. Und dann halte ich es in den Händen. Das kleine Röhrchen. Mit den Schlaftabletten, die ich von Christian bekommen hatte. Bevor wir meine Rettung geplant hatten. Ich konnte damals schon nur schlecht schlafen. Christian hat mir die Tabletten besorgt, weil er... weil er Christian war. Der ein Herz hatte. Ich habe nur zwei der Tabletten genommen gehabt. Ich fühlte mich davon meist auch tagsüber so erschlagen, also habe ich sie nicht weiter genommen.
Doch jetzt sind sie genau richtig. Ich gehe ins Badezimmer. Und schließe die Tür hinter mir. Dann öffne ich den Verschluss. Und zähle die Tabletten. Achtundzwanzig. Ich hoffe, dass sie reichen. Mich wird niemand vermissen. Emilio wird mich nicht mehr finden. Ich werde ganz einfach weg sein. Für immer.

Ich fülle mit zitternden Fingern ein Glas mit Wasser. Und nehme ein paar Tabletten in die Hand. Ich bin bereit. Es gibt keine Möglichkeit für mich, diesem... Dasein zu entkommen. Es ist einfach zu spät. Vorbei. Gleich werde ich Christian wieder sehen.
Ich sehe auf die Tabletten. Und das Glas. Und dann hebe ich langsam die Hand zu meinem Mund. Ich schließe meine Augen und sehe Alex vor mir. Seine Augen. Die ich immer in meiner Erinnerung habe. Und ich will, das es das Letzte ist, woran ich auf dieser Welt denke.
Ich spüre die erste Tablette schon an meinen Lippen.
Und dann wird plötzlich die Badezimmertür aufgerissen...


43. Mein Herz bricht
Dieser Mann ist ein Monster. Ich sehe es in dem Moment in seinen Augen, als ich ihn ansehe. Und an Kates Reaktion erkenne ich sofort, dass er es ist. Dieser Mann, der meiner Frau so schlimme Sachen angetan hat. Kate verändert sich von einer Sekunde auf die andere. Und ich hasse ihn dafür. Diesen anderen Mann. Ich hasse ihn abgrundtief.
Und ich wünschte, ich hätte Kate vor ihm schützen können. Aber er ist nicht allein. Und ich habe keine Chance. Ich wünschte, ich wäre stark genug gewesen. Für Kate. Doch es ist Kate, die wahre Stärke bewiesen hat. Sie hat sich geopfert. Für mich. Ich habe ihre Worte gehört. Sie will mit ihm gehen. Damit er mich in Ruhe lässt. Und ich habe keine Kraft mich gegen diesen anderen und Kates Entscheidung aufzulehnen.
Kate kniet sich zu mir herunter. Ich sehe ihre Augen. Und die Tränen, die über ihre Wangen laufen. Und dann spüre ich sie auf meiner Haut. Und ich höre ihre Worte. Die Worte meiner Frau.

"Ich liebe dich", flüstert sie so leise, dass nur ich sie hören kann. "Es tut mir so leid, Alex. Es tut mir so leid..." Nein! Das will ich nicht hören. Sie kann doch gar nichts dafür. Und sie soll sich nicht entschuldigen.
"Catherine!" höre ich den anderen fordernd ihren Namen aussprechen.
"Nein", kommt es schwach aus meinem Mund und ich will sie festhalten. Doch ich habe keine Kraft. Ich kann nicht einmal ihre Hand festhalten. Ich spüre mein Gesicht nicht mehr richtig. Der Schmerz ist so stark, dass er beinahe alles betäubt. Und ich meine nicht den Schmerz meines Körpers. Ich meine den Schmerz in meinem Herzen. Es zerbricht gerade. Denn ich verliere sie. Ich verliere die Frau, die ich über alles liebe. Ja, ich weiß, wir kennen uns noch nicht lange. Nicht lange genug, um so etwas zu fühlen, würden viele sagen. Doch so ist es nicht. Das hier ist meine Kate. Meine Frau. Die Frau, die ich nun gehen lassen muss. Weil ich... weil ich... Ich habe gedacht, ich kann sie beschützen. Doch ich lag falsch. Ich lag so was von falsch. Könnte ich doch nur Mick sein, der sie wirklich beschützen könnte. Oh Gott, mein Kopf hat sicher einiges abbekommen, wenn ich schon solche Gedanken habe... Ich habe es immer geschafft, Realität und Fantasie zu trennen. Aber in diesem Moment wünschte ich wirklich, ich wäre er...

Kate streichelt über mein Gesicht. Ich sehe ihr an, dass sie innerlich zerbricht. Ich will ihre wundervollen Augen nicht so traurig und leer sehen. Das wollte ich nie wieder. Und nun ist es passiert. Dann legt Kate meinen Kopf auf den Boden und steht auf. Ich kann sie nicht zurückhalten. Ich wünschte, ich könnte mich genauso zwischen dieses Monster und sie stellen, wie sie es gerade für mich tut.
Ich spüre noch ein letztes Mal ihre Hand um meine, dann verliere ich das Bewusstsein. Ich kämpfe dagegen an, doch ich verliere auch diesen Kampf. Ich spüre noch, wie sie mich verlässt. Und wie es kalt um mich herum wird. Und dann ist da nichts mehr.
Das nächste, das ich höre, ist die Stimme meiner Schwester. "Alex!" Doch ich will nichts hören. Und nichts spüren. Denn solange ich fort bin, tut mein Herz nicht weh.
Als ich dann wieder erwache, liege ich im Krankenhaus. Mit zahlreichen Schläuchen und Maschinen um mich herum. Was mache ich hier? Wo ist Kate?

Ja, wo ist Kate? Und es fällt mir wieder ein. Ich will das alles aber nicht wissen. Ich habe sie verloren. Meine Frau. Und ich weiß nicht, wo ich sie ist. Wir haben nie darüber geredet, wo dieser Irre sie gefangen gehalten hat. Was kann ich nur tun? Ich will sie zurück.
"Hey, du bist ja wach", geht die Zimmertür auf und Jackie kommt herein.
"Ich will hier raus", sage ich zu ihr.
"Das geht nicht", schüttelt sie jedoch mit dem Kopf. "Du hast gebrochene Rippen und die Ärzte wollen dich noch eine Weile hier behalten."
Ja, mir tut alles weh. Aber das ist egal. Mein Gesicht ist egal. Die schmerzenden Rippen sind egal. Ich will Kate zurück. Meine Kate. Sie war die Eine gewesen. Sie war einfach Kate. Und wir hätten glücklich werden können. Unser ganzes Leben lang.
"Alex, du musst zuerst wieder gesund werden", sieht Jackie mich besorgt an.
"Gibt es etwas Neues? Von Kate?" will ich dennoch wissen.
Doch Jackie schüttelt mit dem Kopf. "Es tut mir so leid, Bruderherz."

"Lass mich allein", drehe ich meinen Kopf von Jackie weg.
"Draußen ist die Polizei", sagt Jackie noch. "Die wollen mit dir reden."
Ist mir egal. Die können mir doch auch nicht helfen. Was wollen die denn schon tun?
"Mister O´Loughlin?" betritt ein Mann das Zimmer.
Ich sehe zu ihm.
"Hi, ich bin Thomas Webber, Ermittler in einer Sondereinheit", stellt er sich vor.
"Sondereinheit?" sehe ich ihn interessiert an. Was macht ein Sonderermittler hier?
"Ich habe einige Fragen zu dem Mann, der in Ihrem Hotelzimmer war", sagt er und zieht sich einen Stuhl zu meinem Bett heran. "Emilio Vasquez."
Das ist also sein Name. Sein vollständiger Name.
"Was ist mit ihm?" will ich wissen.
Und dann erfahren ich Sachen von diesem Mann, der Kate mit sich genommen hat, die ich lieber nie erfahren hätte. Er ist ein schlimmeres Monster als ich je zu denken gewagt hatte.

Aber je länger ich mit diesem Mann rede, desto fester nimmt der Plan in meinem Kopf Gestalt an. Thomas Webber kommt während der nächsten zwei Wochen jeden Tag zu mir zu Besuch. Und dann stelle ich ihm Pete vor...

44. Ich soll abwarten?
Ich kann es gar nicht erwarten endlich aus dem Krankenhaus entlassen zu werden. Jeder Tag zieht sich hin wie Kaugummi. Jackie hat ihren Flug nach Hause verschoben. Obwohl ich ihr gesagt habe, sie soll sich um Mike kümmern. Um ihren Ehemann. Doch die beiden sind gleichermaßen stur. Und außerdem haben sie noch Mom angerufen. Die sich natürlich gleich in den nächsten Flieger gesetzt hat. Und nun schon wieder an meiner Seite sitzt.
"Es geht mir gut", versichere ich ihr - zum wievielten Mal eigentlich schon?
"Nein, geht es nicht", widerspricht sie sofort wieder.
"Es heilt doch alles", sage ich zu ihr. "Und morgen kann ich vielleicht nach Hause."
"Ja, die Wunden heilen", sagt Mama und greift nach meiner Hand.
"Und um den Rest kümmere ich mich auch", ziehe ich meine Hand wieder zurück. Ich weiß genau, von welchen Schmerzen sie redet. Und nein, diese Wunde wird nie heilen. Erst, wenn ich Kate wieder in meinen Armen halten werde.
Es klopft - und Pete steckt seinen Kopf durch die Tür. Endlich! Ich hoffe, er hat gute Neuigkeiten für mich. Mom steht auf und lässt uns einen Moment allein.

"Du solltest das nächste Mal deinen Stuntman zu solchen Aktionen mitnehmen", scherzt Pete und setzt sich zu mir. Ich habe Pete bei den Dreharbeiten der ersten Hawaii-Staffel kennengelernt. Und wir haben den Kontakt bis heute nie abbrechen lassen. Pete ist Captain einer Einheit bei den Seals. Und ich brauche jetzt dringend seine Hilfe.
Schnell erzähle ich ihm mit knappen Worten, was passiert ist. Und was ich vorhabe. Ich muss Kate finden. Egal was es kostet. Oder wie lange es dauert. Ich kann sie nicht bei diesem Kranken lassen.
"Kannst du mir helfen?" sehe ich ihn danach angespannt an.
In diesem Moment betritt Thomas mein Zimmer. Ich winke ihn zu uns heran.
"Wäre es möglich... Könntet ihr zwei zusammen arbeiten?" sehe ich von einem zum anderen.

"Hör mal, Alex, so einfach ist das nicht", sagt Thomas jedoch sofort. "Wir sind Emilio seit acht Jahren auf der Spur. Aber wir haben nichts in der Hand. Außer..."
"Außer?" hake ich nach. Thomas erzählt mir kaum etwas über seinen Fall. Nicht so richtig jedenfalls. Mir fehlen Details.
"Wir wissen nicht, in was er alles verwickelt ist", sieht Thomas zum Fenster. "Drogen, Waffenhandel, Erpressung. Sogar Mord. Erst vor einem knappen halben Jahr haben wir... er hat sogar nicht davor zurück geschreckt seinen Bruder umzubringen. Aus welchen Gründen auch immer..."
"Christian?" fällt mir der Name von dem Mann ein, der Kate damals gerettet hat?
"Ja, woher kennst du seinen Namen?" sieht Thomas mich nun überrascht an.
"Er wurde umgebracht, als er Kate damals befreit hat", murmle ich leise.
"Dann passt so einiges mehr ins Bild", greift Thomas nach seinem Aktenkoffer. "Vor einem halben Jahr hat Emilio fast aufgehört sich um seine Geschäfte zu kümmern. Wir haben nicht verstanden, was da passiert ist..."
"Er hat Kate gesucht", antworte ich nickend.

"Wir wissen nicht, wieso ihm so viel an dieser Frau liegt", setzt sich Thomas nun endlich hin.
"Kate, sie heißt Kate", sehe ich ihn wütend an. Sie ist nicht einfach nur eine Frau. Sie ist MEINE Frau.
"Emilio hatte schon mehrere... Freundinnen", sagt Thomas und wechselt mit Pete einen besorgten Blick. "Sie sind fast alle nach ein bis zwei Jahren... einfach verschwunden."
"Aber Kate ist doch schon länger bei ihm", denke ich nach.
Thomas nickt.
"Wo hält er sich auf?" will ich jetzt wissen.
"Das wissen wir nicht genau", gibt Thomas zu. "Er muss einen Landsitz außerhalb der Stadt haben. Keiner weiß, wo er sich befindet. Wir schaffen es nie, Emilio bis zu diesem Punkt zu verfolgen. Es ist... als würde es gar nicht existieren." Er klingt ein wenig hilflos.
Und das macht mich wütend. Wir haben heutzutage so viel an Technik und Wissen - und schaffen es nicht, einen einzigen Mann ausfindig zu machen?
"Ich will sie zurück", sehe ich die beiden Männer dann entschlossen an.
"Alex, du musst erstmal richtig gesund werden", sagt Pete jedoch sofort.
"Du musst mir helfen", sehe ich meinen Freund an. "Könnt ihr nicht zusammen irgendetwas tun?"

Am nächsten Tag werde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Jackie und Mom sind immer noch da. Sie fliegen mit mir zurück nach Hause. Mike ist schon voraus gefahren. Um seine Sachen zu packen. Der nahende Umzug nach Australien macht mich doch etwas traurig. Ich verliere hier irgendwie meinen besten Freund. Nicht, dass ich keine anderen Freunde hätte. Aber Mike war doch immer etwas Besonderes. Schließlich war er schon seit Ewigkeiten in Jackie verliebt. Aber die zwei gehören zusammen. Und sollen es auch sein.
Ungeduldig warte ich die nächsten Tage auf Nachricht von Thomas oder Pete. Doch keiner von beiden meldet sich.
"Sie finden Kate", sitzt Jackie neben mir auf der Terrasse und greift nach meiner Hand. "Sie müssen einfach. Wir müssen nur warten."
Warten? Ich sehe meine Schwester an. Ich soll warten? Worauf denn? Ich sitze jetzt schon drei Wochen hier rum. Drei verdammte Wochen! Und ich weiß nicht, wie es Kate geht. Oder ob sie... ob sie überhaupt noch am Leben ist. Ich drehe dem Kerl eigenhändig den Hals um, wenn er meiner Kate auch nur ein einziges Haar gekrümmt hat! Ich weiß gar nicht, was mir alles durch den Kopf geht. Nachts ist es am schlimmsten. Ich liege im Bett und kann nicht schlafen. Denke die ganze Zeit an sie. Kate muss sich furchtbar allein fühlen. Und ich bin daran schuld. Weil ich nicht auf sie aufgepasst habe.

Und dann - nach sechs Wochen - steht Pete vor meiner Tür.
"Was ist?" ziehe ich ihn nach drinnen.
"Wir wissen, wo er ist", sagt Pete nur. "Heute Abend gehen wir rein."
"Wie geht es Kate?" will ich wissen.
"Keine Ahnung", antwortet Pete. "Wir haben sie noch nirgendwo gesehen. Heute Morgen war aber ein Arzt in dem Haus. Thomas hat ihn festgenommen, doch er sagt kein Wort."
Ganz schlimme Gedanken gehen durch meinen Kopf. Nein! Ich will Kate wiedersehen. Lebend. Ich kann mir mein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Morgen werde ich wieder am Dreh erwartet. Länger können die Leute dort nicht mehr auf mich verzichten.
"Ich komme mit", sage ich zu Pete.
"Alex, wir können dich nicht mitnehmen", widerspricht er sofort. "Du bist eine Privatperson und..."
"Vergiss es", greife ich nach meiner Jacke und schiebe ihn aus der Haustür. "Lass uns fahren!" Ich steige ohne seine Antwort abzuwarten auf der Beifahrerseite ein.

Pete verpasst mir eine schusssichere Weste. Es fühlt sich an wie beim Dreh - nur dass das hier die Wirklichkeit ist. Ich werde an Thomas´ Seite gestellt. Wir gehen erst ein paar Sekunden nach allen anderen hinterher.
Petes Männer nehmen einige Leute fest. Und dann kommt Pete selbst mit Emilio. Der sieht mich verwirrt an.
"Ich hätte dich töten sollen, als ich die Chance dazu hatte", zischt er mich an.
"Labere nicht, geh!" schiebt Pete ihn sauer weiter.
Ich sehe mich um. Überall sind Menschen. Männer. Alle laufen kreuz und quer. Ein heilloses Durcheinander. Wie soll ich hier nur Kate finden? Wo ist sie überhaupt?
"Wir haben sie", ertönt plötzlich eine laute Stimme aus dem oberen Teil des Hauses. Ich nehme immer zwei oder drei Stufen auf einmal, damit ich schneller bei ihr bin. Mein Herz klopft bis zum Hals. Was wird mich erwarten?


45. Let me sleep - in your arms
Wir haben sie!" schreit eine laute Männerstimme, dass es sicher im ganzen Haus zu hören ist. Dann kommt ein Mann auf mich zu und nimmt seinen Helm ab. "Kate O´Loughlin? Sind Sie das?"
Oh mein Gott! Er kennt meinen Namen. MEINEN Namen. Zitternd lasse ich meine Hand sinken. Die Tabletten kullern auf den Boden. Das Wasserglas gleitet mir aus der anderen Hand und fällt ebenfalls herunter.
"Sind Sie Kate O´Loughlin?" fragt der Mann noch einmal.
Und ich nicke.
"Kate!" höre ich im nächsten Moment SEINE Stimme.
Ich zwinkere die Tränen fort. Ist er es wirklich? Ist Alex hier? Hat er mich wirklich gefunden?
"Kate!" Und schon liege ich in seinen Armen.
Er kam zur Tür herein, stieß alle zur Seite und hat mich einfach in seine Arme genommen. Und jetzt hält er mich fest. Das muss er auch, denn meine Füße tragen mich nicht mehr. Ich verberge mein Gesicht an seiner Schulter und schluchze auf.
"Ich bin hier, Liebling", flüstert Alex in mein Ohr. "Ich lass dich nie wieder los!" Er hält mich so fest er kann und streichelt beruhigend über meinen Rücken.

Ist er wirklich da? Wirklich hier? Oder habe ich die Tabletten genommen und bin in der anderen Welt? Ich öffne meine Augen und zwinkere die Tränen fort. Alex steht vor mir. Seine Augen sind wieder so unglaublich blau. Suchend sehe ich hinter ihn. Doch ich kann Christian nicht entdecken. Also bin ich noch am Leben.
"Ich hab dich so vermisst", flüstert Alex. Und dann liegen seine Lippen auf meinen. Und die Welt hört sich auf zu drehen. Ich nehme nichts mehr wahr. Nur noch ihn und mich. Ich spüre seinen Herzschlag. Seine Wärme. Seine Nähe. Ich lege meine Arme um seinen Hals und halte ihn fest. Es ist wirklich passiert. Er ist wieder da. Ich bin wieder bei ihm.
Meine Welt ist wieder in Ordnung.
Doch wie lange?

Langsam löse ich mich von ihm.
"Alex?" kommt ein Mann in den Raum und sieht fragend zu uns.
"Pete, darf ich dir meine Frau vorstellen?" winkt Alex ihn lächelnd zu uns heran. "Kate, das ist mein Freund Pete. Er hat dich gefunden."
"Hallo Kate", lächelt Pete mich an.
"Hi", erwidere ich leise.
"Draußen steht ein Krankenwagen", sieht Pete dann wieder zu meinem Mann. "Du solltest sie untersuchen lassen."
"Emilio hat... mich nicht angefasst", sage ich schwach und meine Füße knicken weg. Alex hält mich fest. Ich habe irgendwie so gar keine Kraft mehr. Und das muss ich gerade auch nicht. Weil ich nicht mehr allein bin.
"Bring sie runter", sagt Pete und winkt seinen Männern zu ihm zu folgen.
Alex hebt mich hoch und sieht mich an. "Ich liebe dich, Kate", sieht er mir tief in die Augen. Dann fällt sein Blick auf den Boden. Wo die Tabletten liegen. Und sein Blick wird fragend.

"Ich konnte keinen Tag mehr länger ohne dich aushalten", murmle ich leise und lasse meinen Kopf an seine Brust sinken.
"Ich bin jetzt da", hält Alex mich ganz fest.
"Ich weiß", flüstere ich. Und dieses Mal sind es Tränen der Erleichterung, die über meine Wangen laufen. Alex trägt mich langsam nach unten. Heraus aus dem Turm. Die lange Treppe hinunter. Raus aus dem Haus. Das nie mein Zuhause war. Und es auch niemals werden würde.
"Catherine!" höre ich Emilios Stimme und ich zucke zusammen.
"Halten Sie die Klappe!" schreit Pete ihn jedoch sofort an und zieht ihn ein Stück weiter weg.
Alex würdigt Emilio keines Blickes und bringt mich zum Krankenwagen, wo bereits zwei Sanitäter auf uns warten. Sie untersuchen meinen Blutdruck und suchen nach äußeren Verletzungen. Doch da sind keine.
"Hast du nichts zu essen bekommen?" will Alex wissen. "Du bist so dünn geworden." Er hält die ganze Zeit meine Hand fest.
"Ich hatte keinen Hunger", schüttle ich mit dem Kopf. Aber jetzt gerade hätte ich schon Lust auf... irgendwas Ungesundes. Einen Riesenburger mit Pommes und allem Drum und Dran.

"Wir geben Ihnen vorsorglich ein kleines Beruhigungsmittel", holt der eine Sanitäter plötzlich eine Spritze aus seinem Koffer und sieht den Notarzt fragend an, der gerade eingetroffen ist.
"Nein!" rufe ich sofort erschrocken aus.
"Es wird nicht weh tun", verspricht der Arzt mir und will meinen Arm greifen.
"Nein, keine Medikamente!" wehre ich mich sofort wieder. "Sie werden dem Baby schaden!"
"Dem Baby?" wiederholt Alex und sieht mich fragend an. In seinen Augen steht eine riesengroße Frage: von wem? Und dann sehe ich Wut - denn er sieht zu Emilio.
"Es ist dein Baby", sage ich leise zu ihm und schlinge meine Finger um seine. "Unser Baby."
Alex sieht mich wieder an. "Wirklich? Du bist schwanger? Aber wie...?"
"Ich denke, für diese Frage sollten Sie alt genug sein", grinst der Arzt und steckt die Spritze wieder weg.
"Es ist wohl einfach passiert", sehe ich Alex nervös an. Wie wird er reagieren?
Und für mich ist eines in diesem Moment völlig klar: ich werde dieses Kind bekommen. Denn dieses Baby wird nicht mehr bei Emilio zur Welt kommen oder aufwachsen. Ich werde alles dafür tun, damit unser Kind glücklich aufwachsen kann.
Doch was sagt denn Alex nun dazu?

"Du bekommst ein Baby?" fragt Alex noch einmal.
"Dein Baby", wiederhole ich. Und warte immer noch ängstlich auf seine Reaktion.
Alex steht auf. Ich sehe ihm überrascht nach. Er geht? Er hat doch soeben noch versprochen, dass er mich nie wieder allein lassen wird. Und jetzt geht er? Wohin?
Stirnrunzelnd beobachte ich, wo er hingeht. Bzw. zu wem. Er geht schnurstracks auf Emilio zu. Bleibt vor ihm stehen. Sein Freund Pete sieht Alex fragend an.
Und dann holt Alex aus - und Emilio bekommt seine Faust mitten ins Gesicht. Und kreischt auf.
"Alex!" zieht Pete ihn zurück.
"Wenn du meiner Frau oder meinem Kind noch einmal zu nahe kommst", höre ich Alex bitter zu Emilio sagen, "ich schwöre dir, es wird das Letzte sein, was du in deinem Leben tust. Denn ich werde dich umbringen!"
Damit macht er sich von Pete los und kommt zurück zu mir.
"Lass uns nach Hause fahren", sieht Alex mich an und ich nicke nur. Ich bin so müde. Ich will nur noch schlafen - ganz nah bei ihm. Alex setzt sich zu mir in den Krankenwagen, denn der Arzt besteht darauf, mich einmal ganz durchzuchecken. Aber das ist alles egal. Ich bin wieder bei Alex. Alles andere ist unwichtig.


46. Weil du da bist
Ich muss die Nacht im Krankenhaus verbringen. Alex bleibt bei mir. Er schläft auf dem Stuhl neben meinem Bett. Als ich aufwache, schläft er immer noch. Sein Kopf liegt auf seinen Armen auf dem Bett. Ich drehe mich auf die Seite und sehe ihn an. Ich kann noch gar nicht glauben, dass ich mein Leben wieder habe. Richtig zurück. Emilio wurde verhaftet. Pete ist gestern noch einmal zu uns gekommen. Emilio wurde noch in der Nacht in ein Militärgefängnis gebracht. Und wird rund um die Uhr bewacht. Er hat keine Chance auch nur mit irgendjemandem zu reden. Sein Anwalt darf wohl ebenfalls erst in den Morgenstunden zu ihm. Das sollte jetzt sein. Sobald sich etwas neues ergibt, will Pete sich wieder melden.
Ich strecke meine Hand aus und streiche über Alex´ Haar. In diesem Moment schlägt er seine Augen auf.

"Guten Morgen", lächle ich ihn an.
"Morgen", brummt er und streckt sich. "Wie geht es dir?"
"Gut", antworte ich. "Du bist ja da."
Alex gibt mir einen Kuss. Dann streicht er sanft über meine Stirn. "Ich hatte solche Angst um dich", gibt er zu.
"Ich auch um dich", antworte ich und sehe ihn einfach nur an. Präge mir jedes Detail seines Gesichts ein. Auch wenn ich jetzt weiß, dass ich bei ihm bleiben werde. Ich muss es einfach tun. Es ist so beruhigend bei ihm zu sein. Diese Leere in mir ist verschwunden.
"Was macht das Würmchen?" legt Alex seine Hand auf meinen Bauch.
"Ich denke, ihm geht es gut", lächle ich ihn an. Gestern Abend wurde noch ein Ultraschall gemacht. Das Bild liegt auf dem Nachtschränkchen.
"Ihm?" zieht Alex mich auf.
"Oder ihr", antworte ich sofort. "Ist es für dich okay?"
"Was ist okay?" hakt er nach.
"Naja, das hier..." Ich sehe auf meinen Bauch. "Das Baby... Ich meine, du hast doch ein ganz anderes Leben..."

"Es gibt nichts, was wir zwei nicht so drehen können, dass es passt", grinst Alex mich vertrauensvoll an. "Wir schaffen das schon."
Ich setze mich auf und schlinge meine Arme um seinen Hals. "Ich liebe dich, weißt du das eigentlich?"
"Du hast es mir heute noch nicht gesagt", sagt Alex.
"Ich liebe dich", wiederhole ich - und kann mir das Folgende nicht verkneifen: "Weil du so süß bist."
"Süß mal wieder, ja?" sieht Alex mich beleidigt an. Doch ich sehe genau, dass es gespielt ist.
"Ja, total süß", rede ich weiter. "Total zum Anknabbern."
"Naja, das muss wohl noch warten", sieht Alex auf seine Uhr. "In wenigen Stunden muss ich zum Dreh zurück sein."
Oh, ja, das habe ich ja gestern aus den Nachrichten im Fernsehen erfahren.
"Also hole ich jetzt mal deinen Doc, damit er dich entlassen kann und wir unseren Flieger kriegen", löst sich Alex von mir.

"Ich soll mit?" Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet.
"Du glaubst doch wohl nicht, dass ich dich hier allein lasse?" kommt Alex zurück zu mir. "Ich will dich bei mir haben... Ich meine... wenn das okay für dich ist..."
"Du bist noch süßer, wenn du unsicher bist", ziehe ich ihn auf.
"Willst du mit mir mitkommen?" fragt Alex, ohne darauf einzugehen.
"Ja, will ich", antworte ich - ohne lange Überlegen zu müssen.
Und nur eine Stunde später sitzen wir im Taxi Richtung Flughafen. Alex hält meine Hand ganz fest. Und ich bin schon ganz aufgeregt. Auf Hawaii war ich noch nie.
"Lass unser neues Leben beginnen", sieht Alex mich an, als das Taxi hält.
Ich nicke. "Ja", sage ich und küsse ihn.
"Kate!" höre ich plötzlich eine bekannte Stimme und schon fällt mir meine Schwägerin um den Hals.
"Jackie, was machst du denn hier?" will ich überwältigt wissen.
"Du hast mir gefehlt", sagt Jackie und ich sehe, wie sie sich die Tränen aus ihren Augen wischt.

"Alex, willst du mir deine Frau nicht endlich vorstellen?" höre ich plötzlich eine Frauenstimme fragen. Neugierig sehe ich hinter Jackie.
"Mom, das ist Kate", zieht Alex mich in seine Arme. "Kate, das ist meine Mama."
"Hallo", sage ich schüchtern. Es ist völlig neu für mich, einer Mama gegenüber zu stehen. Und dazu noch Alex´ Mama.
"Es ist schön, dich endlich kennenzulernen, Kate", breitet sie ihre Arme aus und hält mich fest.
Damit hätte ich nicht gerechnet. Immerhin habe ich ihr ja irgendwie ihren Sohn weggenommen. Aber Alex´ Mama scheint das ganz locker zu sehen.
"Wurde ja auch langsam Zeit, dass er endlich unter die Haube kommt", grinst sie mich dann an. Ja, dieses verschmitzte Lächeln kenne ich. Das hat Alex also von ihr geerbt.
"Wir müssen los", sagt Alex plötzlich, da unser Flug aufgerufen wird.
"Kommt ihr uns bald besuchen?" will Jackie plötzlich wissen.

"Vielleicht kommt eher ihr zu uns", sieht Alex seine Schwester an. "Ich weiß nicht, wie lange Kate noch fliegen darf. Die Dreharbeiten gehen jetzt noch fünf Monate..."
"Was heißt, wie lange sie noch fliegen darf?" Jackie unterbricht Alex einfach. "Sie ist doch nicht schwanger. Wo also sollte das Problem...?" Sie unterbricht sich mitten im Satz. Dann reißt sie ihre Augen auf. "Du bist schwanger?"
Ich nicke.
"Und es ist von mir", kann sich Alex nicht beherrschen und grinst breit.
Ich nicke wieder nur.
"Dann kommen wir euch eben in zwei Monaten besuchen", freut sich Jackie und auch die Mama der beiden nickt.
"Wir telefonieren noch mal", sagt Alex und umarmt die beiden Frauen kurz. "Wir müssen jetzt wirklich los."
Auch ich werden von den beiden noch einmal umarmt. Dann greift Alex einfach nach meiner Hand und zieht mich mit sich. Und dann sitzen wir im Flieger. Richtung Hawaii.
Auf in unser neues Leben! Ich lehne mich an Alex. Egal, was jetzt noch auf uns zukommt. Die Gerichtsverhandlung wegen Emilio. Alex´ Drehtermine und der dazugehörige Stress. Unser Baby. Gemeinsam schaffen wir das. Ich weiß es einfach. Alex ist das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Und ich werde ihn festhalten. Weil mein Herz für ihn schlägt.


Epilog
Alex
Es war ein unglaubliches Gefühl, Kate wieder in meinen Armen halten zu können. Im ersten Moment war ich erschrocken. Sie war so dünn geworden. Und ihre Augen hatten jeglichen Glanz verloren. Doch als ich am nächsten Morgen im Krankenhaus bei ihr aufgewacht bin, war der Glanz wieder da. Und auch meine Kate. Ich weiß nicht, wie sie das alles verarbeitet hat. Sie ist unglaublich. Ich bin froh, dass ich sie mit zu den Dreharbeiten genommen habe. Sie gibt mir Kraft. Nicht, dass es mir vorher an Kraft gefehlt hat - aber Kate hat einen Platz ausgefüllt, von dem ich nicht einmal wusste, dass er leer war. Dass mein Leben wirklich einsam gewesen ist.
Irgendwie habe ich in den letzten Jahren alles erreicht oder gefunden, wovon ich immer geträumt hatte: ich habe megamäßigen Erfolg im Job, die Leute reißen sich ja regelrecht um mich. Ich habe eine ganz tolle Familie, auf die sich stolz bin. By the way, auch bei Jackie und Mike hat sich inzwischen Nachwuchs angekündigt. Und was mich ein wenig mit Schadenfreude daran denken lässt: es werden Zwillinge. Ein Junge und ein Mädchen. Eine Jackie und ein Mike. Ja, die zwei bekommen, was sie verdient haben - im positiven Sinn natürlich.
Ich habe Freunde, die ich mag. Und die mich nicht wegen Alex, dem Star, mögen - sondern wegen dem Alex, der ich bin. Ja, ich hatte alles. Dachte ich.

Denn erst jetzt mit Kate an meiner Seite bin ich vollkommen. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass ich einfach so die Frau fürs Leben finden würde. Und eigentlich war ja Jackies irrsinniger Nähkurs daran schuld, dass wir uns überhaupt erst kennengelernt haben. Das Treffen auf dem Flughafen zählt einfach mal nicht.
Und ich würde jederzeit alles für Kate tun. Und für unsere wunderschöne kleine Tochter, die gestern das Licht der Welt erblickt hat. Ich stehe gerade neben meinen beiden Frauen und betrachte sie glücklich. Darf ein Mensch allein denn überhaupt so ein Glück haben? Ja, ich entscheide einfach, dass ich das darf. Ich werde auf sie aufpassen.
Emilio ist sicher aufgehoben im Gefängnis. Er wird nie wieder in Freiheit kommen. Das hat der Richter beschlossen. Emilio hatte viel mehr Dreck am Stecken als wir nur hätten erahnen können. Er wird uns nichts mehr tun. Dafür wird Pete sorgen. Und ich vertraue meinem Freund.

Rose ist so winzig. Meine kleine Blume. Sie liegt neben ihrer Mutter und öffnet gerade die Augen. Dann lächelt sie. Als würde sie mich schon erkennen. Sie hat Kates wunderschöne blaue Augen. Ich werde auf sie mal ganz schön aufpassen müssen. Wenn sie nach ihrer Mutter geht... Und ihre Freunde werden es nicht leicht haben. Aber jetzt ist sie ja gerade erst einmal einen Tag alt. Und wir haben noch unser ganzes Leben vor uns.
Vorsichtig lege ich mich neben meine Frau und unsere Prinzessin. Rose patscht mit ihrer Hand auf meine Wange und lässt sie dort liegen. Dann schließt sie wieder ihre Augen. Es ist das tollste, was mir passieren konnte: Kate zu treffen, sie zu heiraten und dieses Wunder hier zwischen uns liegen zu sehen.
Ich liebe sie. Meine zwei Frauen.


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Kate
I just cannot believe it. I am free. I mean, I am really free. Emilio is in jail and he´ll never come out anymore. I am free.
And I have a life. I have my life.
With my amazing husband. He is my hero, my guardian... Alex means everything to me. And this little princess right here between us, too.
Alex´ eyes are closed. And Rose is holding the hand of her father. They look so beautiful together.
My life is perfect now. And deep inside I know, that it´ll stay like this.
Forever.
I found the love of my life. And now we got this miracle... It´s perfect.
I am living my dream now.


Ende

 
Vielen herzlichen Dank an  Annelien.   Dankeschön, dass wir Deine tolle FF hier posten dürfen!