In den angrenzenden Büroräumen war lange das Licht erloschen. Nur in dem kleinen Kabuff des Commanders leuchtete noch matt die Schreibtischfunzel und hüllte den Raum in ein einsames Licht. Steve McGarrett saß an seinem Schreibtisch. Den Kopf auf eine Hand gestützt, die Stirn gerunzelt, klickte er wahllos durch irgendwelche Seiten auf seinem Laptop.
Auch seine Arbeit war längst erledigt. Der Fall, der so kurz vor Weihnachten noch alle in Aufruhr versetzt hatte, war gelöst und zu den Akten gelegt.
Seit einiger Zeit hätte auch er sich schon auf dem Heimweg befinden können, aber besonders heute trieb ihn nichts und niemand nach Hause.
Heute war Weihnachten und wenn alle anderen sich freudig erregt in die letzten Vorbereitungen gestürzt hatten, um dann pünktlich daheim zu sein, war ihm das alles ziemlich egal.
Wieder ein Mal würde er Weihnachten allein verbringen. Weihnachten, das Fest der Freude und Familie war für ihn schon seit Jahren ein Tag der Bedeutungslosigkeit. Er würde wieder zu viel trinken, gegen aufkommende Depressionen ankämpfen und sich wie jedes Jahr an diesem Tag die gleichen Fragen stellen.
Warum schaffte er es einfach nicht, eine Familie zu gründen? Ein Frau zu finden, die ihn mit all seinen Macken liebt und die ihm ein kleines Rudel Kinder schenkt?
Normalerweise neigte er nicht zu Gefühlsduseleien dieser Art, aber Weihnachten erwischten sie ihn jedes Jahr kalt.
Er hatte die Affären satt, mit Frauen die vorgaben ihn zu lieben, bei seinem ersten Einsatz mitten in der Nacht aber sein Bett für immer verließen.
Er hatte es satt, sich ständig Mahlzeiten unterwegs zu besorgen oder gleich ganz auszulassen. Die Küche, die er sich in seinem Haus hat einbauen lassen, war nahezu unbenutzt.
Er hatte es auch satt, daheim nur Zwiesprache mit sich selbst zu halten. Während der Arbeit hatte er genug Ansprechpartner, besonders Danno war ein Freund und Vertrauter geworden. Aber wenn er daheim vor dem Fernseher saß, hörte niemand zu, was er vom Tag zu berichten hatte.
Danno war schon seit gestern verschwunden. Nur seine Ohren hinderten ihn daran, im Kreis zu grinsen, als er erzählte wie seine Feiertage mit Grace geplant waren. Steve war mit ihm einkaufen und schleppte unzählige kleine und große Geschenke für Dannos Äffchen in das Auto. Er selbst hatte eine kleine silberne Kette mit einem bunten Schmetterling beigesteuert. Auf die Schachtel hatte er – Von Onkel Steve – geschrieben. Warum kaufte er keine Geschenke ein, auf die er – Von Daddy – schreiben würde?
Chin hatte sich als nächster verabschiedet. Auch er strahlte vor Glückseligkeit, auch er hatte ein geschmücktes Heim und eine tolle Familie.
Kono grinste ihn vielsagend an, sie würde natürlich auch nicht allein feiern.
Irgendetwas lief in seinem Leben falsch.
Gedankenverloren schaltete er den Laptop aus und löschte das Licht.
Sein Weg nach Hause verlief schnell und reibungslos, auf den Straßen war nicht viel los. Als er an seinem kleinen Imbiss hielt, um sich für den Rest des Abends zu versorgen, musste er nicht einmal nach einem Parkplatz suchen.
Ausgerüstet mit einem langweiligen Reisgericht und einer Flasche Whisky erreichte er kurz darauf sein Haus. Dass es das einzige Haus war, welches unbeleuchtet und schmucklos war, versuchte er gekonnt zu ignorieren.
Der erste Schluck der braunen Flüssigkeit brannte bereits in seinem Hals. Wirklich Gefallen fand er an diesem Getränk nicht, aber eine wohlige Wärme machte sich in seinem Inneren breit. Nachdem er ein wenig von seinem „Weihnachtsmenü“ probiert hatte, landete dieses ohne Umwege im Mülleimer. Der Koch befand sich wohl schon im Urlaub. Dann doch lieber noch einen Schluck vom Tee-Ersatzgetränk.
Müde, unzufrieden und bereits das dritte Glas leerend, sank er auf seinen Fernsehsessel. Ein langweiliger Film wäre jetzt Ablenkung, aber wo war die Fernbedienung?
Er brauchte hier dringend einen Engel, der ihm in solchen und anderen Situationen zur Seite stand.
Das Klingeln an seiner Tür ließ ihn erschreckt hochfahren. Wer zum Teufel verbringt um diese Zeit Zeit damit, bei ihm vor der Tür zu stehen? Seine Freunde würden es nicht sein, die hatten alle Besseres zu tun. Sicher war es irgendeine Wohltätigkeitsinstitution, die die Weihnachtszeit nutzte, um größere Spenden einzusammeln. Er wollte nicht öffnen, trank lieber noch einen Schluck und versuchte den andauernden Lärm zu ignorieren.
Nachdem das Klingeln immer energischer wurde und der Besucher wohl nicht vorhatte, heute noch damit aufzuhören, schlurfte er genervt zur Tür.
Was er sah, ließ ihn zusammenzucken, die Luft anhalten und im Gedanken abspulen, in welchem Aufzug er hier am Hauseingang stand. Oh Schreck, er und sein Anblick waren eine Zumutung!
„Du hast mich gerufen und da bin ich!“, nahm er ihre süße Stimme wahr.
„Bist Du … habe ich wirklich … aber woher …?“ stammelte er wie ein Vollidiot.
„Du hast dir doch gerade eben gewünscht, dass ich zu dir komme und jetzt, da ich hier bin, lass mich bitte nicht länger vor deiner Tür stehen.“ Ihre Stimme bescherte ihm eine Gänsehaut und fegte sein Gehirn leer. Trotzdem schafft er es irgendwie, einen Schritt zur Seite zu gehen, worauf sie lautlos sein Haus betrat.
Da stand sie vor ihm. Ein Engel! Wunderschöne blaue Augen und ein herrlicher roter Mund zierten ihr Gesicht, blonde unendlich lange Haare umrahmten dieses und reichten bis weit über den Rücken. Bekleidet war sie mit einem Hauch von einem Nichts, welches zu seiner Freude schon weit über dem Knie endete.
„Ich bin übrigens Lacy“, hauchte sie ihm zu und nahm den völlig verdutzen Commander in den Arm.
Nachdem einige Sekunden verstrichen, in denen er ein unbeschreibliches und unbekanntes Wohlgefühl verspürte, hob auch er seine Arme und legte sie vorsichtig um die engelsgleiche Person. Wärme, Glück und Freude durchflutete seine Adern.
„Was tust du hier?“, fragte er, nachdem er endlich seine Stimme wiedergefunden hatte.
„Gerufen hast du mich ja wegen dieser albernen Fernbedienung, aber ich würde dir gern auch für andere Dinge zur Verfügung stehen“, säuselte sie mit dieser Stimme, die ihn fast irre machte.
„Du bist wirklich ein Engel?“, wagte er zu fragen. „Es gibt keine Engel!“ Seine Stirn zog sich in Falten. „Ich bin ein Ex-Seal, habe schon alles gesehen, was es zwischen Himmel und Hölle gibt, aber ein Engel war nicht dabei.“
„Du siehst doch, dass ich hier bin! Du kannst mich fühlen, wenn du möchtest.“
Einem Gedankenblitz folgend wurde ihm bewusst, an wen sie ihn erinnerte. Lacy war seiner neuen Nachbarin wie aus dem Gesicht geschnitten. Diese wohnte erst seit drei Wochen in seiner unmittelbaren Nähe, aber nachdem das erste Kennenlernen von einem Streit überschattet wurde, herrschte Funkstille. Diese kleine Furie hatte doch tatsächlich am Tag ihres Einzugs …
Weiter kam er mit seinen Erinnerungen nicht. Der Engel, der inzwischen mitten in seinem Wohnzimmer stand, runzelte die Stirn, schaute sich in seinem Chaos um und schüttelte leicht den Kopf.
Steve senkte peinlich berührt den Kopf, ihm war durchaus klar, in welchem Zustand sich sein Heim befand. Seine Gedanken kreisten. In Windes Eile aufräumen schied aus, dazu war das Durcheinander zu groß. In ein anders Zimmer zu wechseln, war auch keine gute Idee, sein ganzes Haus befand sich gerade in einem desolaten Zustand. Tja, er musste sich der Situation stellen, schließlich hatte er ja keinen Besuch eingeladen.
„Warum so nachdenklich, Steve?“ Oh Gott, wie sie seinen Namen aussprach! Eine Gänsehaut jagte über seine Haut und schon wieder spürte er sein Herz bis zum Hals schlagen.
Langsam kam sie auf ihn zu, hob mit einer sanften Berührung seinen Kopf. Und schon wieder zuckte er zusammen. Nicht etwa wegen der streichelzarten Finger, die noch immer an seinem Kinn ruhten. Er traute seinen Augen nicht! Sein Wohnzimmer war penibel aufgeräumt, alles stand oder lag an seinem Platz. Kerzen flackerten auf allen Regalen, Tischen und Schränkchen. Leise Klänge einer himmlischen Musik erfüllten den Raum.
Und Lacy stand immer noch vor ihm!
Er fühlte sich wirklich wie ein Volltrottel und genauso dümmlich war auch sein Grinsen.
„Hast das du gerade alles gemacht?“, fragte er und zeigte mit einer Hand ausladend auf sein Wohnzimmer.
„Ich habe dir doch gesagt, ich stehe auch für andere Dinge, außer für das Suchen von Fernbedienungen zur Verfügung. Also habe ich mal hiermit angefangen.“ Auch sie zeigte jetzt auf das Zimmer.
„Danke!“, raunte er bewegt. „Das hat noch nie jemand für mich getan.“
„Dann wurde es Zeit!“, flüsterte sie. „Ich beobachte dich schon eine Weile und warte schon lange darauf, dass ich dir helfen darf. Zum Glück hast du mich heute endlich gerufen.“
Wieder trat sie nah an ihn heran und augenblicklich knisterte nicht nur das Feuer im Kamin.
„Steve! Auch ich bin allein, bitte nimm mich endlich in den Arm“, forderte sie ihn sinnlich auf.
Zu gern kam er dieser Bitte nach. Oh, wie sie sich anfühlte, wie sie duftete, wie unglaublich gut sie in seine Arme passte. Sie war wie geschaffen für ihn.
Ihre Hände schlossen sich um seinen Nacken und als er ihr in die Augen schauen wollte hauchte sie einen Kuss auf seine Lippen. Er war so unendlich zart, so samtweich, so unbeschreiblich, Steve hatte das Gefühl, welches ihn gerade durchströmte, noch nie erlebt. Zu gern hätte er seiner aufkommenden Leidenschaft nachgegeben, aber Lacy war ein Engel. Wie würde sie reagieren?
Sie drehte sich in seinem Arm, ergriff seine Hand und zog ihn mit sich auf das Sofa.
„Erzähl mir von dir und deinem Leben“, forderte sie ihn auf. Seine Hand streichelnd, saß sie so dicht neben ihm, dass sich ihre Körper wie einer anfühlten.
Viel lieber hätte Steve jetzt ganz andere Dinge mit ihr getan, aber es reizte ihn auch, einfach nur zu reden. Er ließ sich fallen, genoss die liebkosenden Hände und erzählte ihr, was ihm im Kopf herumging. Es tat so gut. Keine Frotzeleien, wie er sie von Danno gewöhnt war, keine Stille, wie er sie sonst immer daheim erlebte. Er durfte über alles sprechen, lachte, weinte, schwieg und antwortet auf Fragen. Dabei genoss er die Zärtlichkeiten, mit denen sie ihn gleichzeitig verwöhnte. Er strich über die weiche Haut ihrer Oberschenkel und als er sie fragte, ob sich das auch für sie gut anfühlt, antwortete sie mit einem leidenschaftlichen Kuss. Ihre Lippen pressten sich auf seine und ihre kleine süße Zunge bat um Einlass.
„Steve, ich empfinde genauso wie du. Ich bestehe nicht aus Luft und ich bin nicht zerbrechlich“, beantwortete sie seine unausgesprochenen Frage, als sich ihr Münder kurz trennten.
Kam das einer Aufforderung gleich? Steve verzehrte sich nach ihrer Leidenschaft, sehnte sich nach Liebe und nach Berührung. Er wagte den Schritt, zog sie eng an sich und schlang seine Arme fest um ihren Körper. Einen Moment schaute er tief in ihre unergründlichen Augen, um sich dann wieder unendlich langsam mit seinen Lippen den ihren zu nähern.
Dieser Kuss war ganz anders. War der erste noch vorsichtig und tastend, glühten jetzt Hunger, Begierde und Sehnsucht in der Verbindung ihrer Lippen. Die Zungen wirbelten in einem wilden Tanz und ihre Körper pressten sich voller Hingabe aneinander. Wie lange hatte er schon nicht mehr so gefühlt? Hatte er überhaupt jemals in seinem Leben so ein inniges Gefühl erlebt?
„Steve, bitte schlaf mit mir.“
Hatte sie das jetzt wirklich gesagt? Fragend schaute er in ihre glühenden Augen.
„Ja, bitte schlaf mit mir!“, wiederholte sie ihre Aufforderung.
„Lacy, wir kennen uns nicht und …“
„Pssst!“, legte sie einen Finger auf seine Lippen und verschloss damit seinen Mund.
Der Kuss, den sie folgen ließ, machte all seine Unsicherheit zu Nichte.
Voller Leidenschaft, aber auch zärtlich und mit liebevoller Hingabe, entkleideten sie sich gegenseitig, bis sie sich völlig nackt gegenüber standen. Ohne Scheu betrachtet Steve diese wunderschöne Frau, das engelsgleiche Wesen, das Abbild der Liebe.
Ohne Hast liebten sie sich, genossen die Zweisamkeit und verwöhnten sich gegenseitig. Nachdem sie eng aneinander gekuschelt eindämmerten und wieder erwachten, liebten sie sich erneut. Sie schenkten sich so viel Zärtlichkeit und Liebe, es fühlte sich an, wie noch nie in seinem Leben.
Er konnte nicht genau sagen, wie die Nacht weiterging, aber irgendwann waren sie beide eingeschlafen.
„Ich muss jetzt leider gehen Liebling!“, hauchte sie an seinem Ohr und ehe er sie festhalten konnte, verschwand sie mit einem hellen Aufleuchten aus seiner Umarmung.
Sie war fort und augenblicklich wurde ihm kalt. Was blieb, war das viel zu helle, grelle Licht. Vergeblich versuchte er es wegzublinzeln, aber es gelang ihm nicht. Außerdem drängte sich ein störendes Geräusch in sein Gehirn. Weg damit! Obwohl er dagegen ankämpfte, wurde es immer lauter.
„Steve, Alter! Mach die Augen auf, oder lebst du nicht mehr?“ War das Danno? Was zum Henker macht der hier und vor allem, warum so laut?
„Holla die Waldfee, da hat ja einer so richtig Weihnachten gefeiert. Ich dachte, du bist allein? Hätte ich gewusst, dass hier die Post abgeht, wäre meine Anstandsbesuch ausgefallen.“
Konnte Danno nicht endlich seinen Monolog einstellen? Steve drehte sich auf den Bauch und zog ein Kissen über seinen Kopf.
„Genau, deck dich zu. Dein Anblick verrät deine Träume, bitte verschone mich damit! Und ehe ich wieder verschwinde, wer ist eigentlich Lacy?“
Die Erwähnung ihres Namens ließ ihn vom Sofa hochfahren.
„Lacy?“, krähte er leicht hysterisch. „Woher weißt du von Lacy?“ Erst jetzt bemerkte er, dass er völlig nackt vor Danno stand. Nervös zerrte er die herumliegende Boxershort über seinen Hintern.
Dabei kreiste sein Blick unauffällig durch den Raum. Träumte er immer noch? Sein Wohnzimmer war noch immer aufgeräumt, alles blitzte und die Reste der Kerzen verströmten noch diesen angenehmen Vanilleduft. Nur das Sofa, die Kissen und Decken waren reichlich zerwühlt. Unruhig strich er sich zum wiederholten Mal durch das Haar.
„Ähmm, Danno …“ Mehr fiel ihm nicht ein. Wie sollte er das hier alles erklären?
„Immer die Ruhe Großer, ich will ja gar nichts wissen. Obwohl … neugierig wäre ich schon“, grinste Danno auffordernd.
„Woher weißt du von Lacy?“, wiederholte Steve seine Frage, denn das war das Einzige, was ihn im Moment wirklich interessierte.
„Naja“, stammelte nun Danno etwas verlegen. „Gesehen habe ich sie ja leider nicht mehr, aber da liegt dieses Blatt auf dem Tisch. Es drängte sich förmlich in meine Argusaugen.“
Ein Blatt auf dem Tisch? Mit weichen Knien ging Steve die wenigen Schritte, nahm das Papier in die Hand und setzte sich in seinem Fernsehsessel. Hier hatte ja irgendwie alles begonnen…
Steve, es war wunderschön bei dir und vor allem mit dir! Danke, dass du mich gerufen hast.
Ich hoffe, du wiederholst das bald, denn ich möchte nicht nur dein Weihnachtsengel sein.
Lacy
by Hexe
Christmas Days - Ein Weihnachtsmärchen
by Annelien
23./24. Dezember
Das war es – einer dieser Tage. Einer dieser Tage, an denen einfach alles schief ging. Für mich. Es war Weihnachten. WEIHNACHTEN. Der Tag, an dem eigentlich Wunder geschehen sollten. Doch nicht für mich.
Ich saß fest. Auf diesem Flughafen. Seit gestern. Ich wollte nach Hause fliegen. Zu meiner Familie. Ich wollte einfach ein ganz normales Weihnachtsfest verbringen. Was man so unter „normal“ versteht. Ich wollte mit meinen Liebsten feiern. Auch wenn mich „der Liebste“ vor vier Wochen verlassen hat. Es lief schon eine Weile nicht mehr so richtig gut zwischen uns. Also keine Überraschung, als er mir mitteilte, dass er gehen wird. Überraschend war jedoch, dass er bereits seit ein paar Monaten eine neue Freundin hatte. Das tat weh. Aber ich kann gut verdrängen.
Und es war nicht schlimm. Ich hatte mein Leben wieder. Ich konnte in die Zukunft sehen. Ich war glücklich – auch wenn ich es nicht sein sollte. Ich war es.
Bis gestern Mittag. Das Flugzeug hätte bereits um acht Uhr morgens abheben sollen. Doch dann war dieser Schneesturm aufgetaucht. Der Schneesturm, der erst morgen unsere Stadt erreichen sollte. Er kam einfach mal so zwei Tage früher. Und nach ewigem Hin und Her hatten sich die Fluggesellschaft und der Flughafen dazu entschieden, dass sie erst wieder starten würden, wenn der Sturm vorüber gezogen wäre. Doch dieser dachte nicht mal daran sich anderswo auszutoben. Ich saß hier fest – was auch daran lag, dass ich aus der gemeinsamen Wohnung mit Shawn ausgezogen war und bei einer Freundin wohnte. Bei der Freundin, die einen Tag früher zu ihrer Familie geflogen war. Was soll ich noch sagen? Ich war so schlau und hatte den Schlüssel der Wohnung IN der Wohnung vergessen, als ich mit meinem Koffer Karens Wohnung verlassen wollte. Die Tür war zu. Der Schlüssel drin. Aber das Ticket hatte ich in der Tasche. Das Ticket, das nun zu nix mehr zu gebrauchen war. Vorerst. Da Karen zwei Tage vor mir zurückkehren würde, habe ich mir auch nichts weiter dabei gedacht.
Mein Leben also. Chaos pur. Wenn es mich traf, dann richtig. Folglich hieß das im Moment für mich, hier auf dem Flughafen sitzen bleiben. Mit all den anderen Leuten, die warten mussten. Ja, ich habe schon versucht ein Zimmer in einem der angrenzenden Hotels zu buchen. Aber ziemlich sinnlos, weil ich ja erst gestern mitten in der Nacht auf die glorreiche Idee des Zimmers gekommen bin. Und andere haben nun mal eher nachgedacht.
Ist ja auch egal. Ich saß hier fest. Und stand auf der Warteliste sämtlicher Hotels.
Und genau in diesem Moment, als ich beginnen wollte, doch in ein wenig Selbstmitleid zu versinken, klingelte mein Handy.
„Hallo?“ ging ich müde an den Apparat.
„Miss Roberts?“ hörte ich eine männliche Stimme fragen.
„Ja, die bin ich“, nickte ich – obwohl mein Gesprächspartner mich ja nicht sehen konnte.
„Hallo, hier ist Peter, vom Hilton“, stellte er sich vor. Vage konnte ich mich erinnern mit ihm vor Stunden gesprochen zu haben.
„Ja?“ standen jede Menge Fragezeichen über meinem Kopf. Wieso rief er an? Wieso ausgerechnet das teuerste Hotel am Ort? Hatte er überhaupt ein Zimmer für mich?
„Sie stehen auf der Warteliste für ein Zimmer ganz oben auf meiner Liste“, erzählte Peter vom Hilton mir. „Und ich darf Ihnen mitteilen, dass wir ein Zimmer frei haben. Zwar mit einem Doppelbett...“
Das ist mir doch egal. „Ich nehme es“, rief ich aufgeregt in den Hörer. Und im nächsten Moment wurde mir bewusst, dass ich wahrscheinlich für dieses Zimmer mein ganzes Erspartes verwenden müsste. Aber das war mir in diesem Moment völlig egal. Ich wollte nur noch unter eine heiße Dusche oder ein Bad nehmen – und dann in ein kuscheliges weiches Bett fallen.
„Das ist toll“, freute sich Peter am anderen Ende. „Dann erwarten wir Sie in der nächsten Stunde hier.“
„Vielen Dank“, rief ich noch, bevor ich auflegte, nach meinem Koffer griff und mich in Richtung Flughafenausgang bewegte. Dabei stieß ich mit einem Mann zusammen, bei dem ich mich eiligst entschuldigte, ihn jedoch keines Blickes würdigte. Hätte ich es getan, hätte ich seinen amüsierten Blick gesehen. Doch das sollte ich ja noch...
Peter erwartete mich bereits und führte mich sofort hinauf in den sechsten Stock des Hotels. Er schloss das Zimmer auf – und ich war überglücklich. Ein riesengroßes Bett nahm diesen Raum ein. Im Badezimmer gab es eine überdimensionale Badewanne, in die in mich gleich zurückziehen würde, sobald Peter das Zimmer verlassen hatte.
„Das Zimmer kostet zur Zeit eintausend Euro pro Nacht“, teilte mir Peter nun endlich die Hiobsbotschaft mit. „Aber es ist mit Frühstück, Mittagessen und Abendessen, falls Sie noch eine Nacht bleiben müssen. Die zweite und dritte Nacht sind dann um 25% günstiger.“
Ich schnaufte tief durch. Wie ich es mir gedacht hatte. Ich überschlug kurz im Kopf – falls der Flughafen also frühestens in drei Tagen wieder öffnen würde, wäre mein Erspartes bis auf ein paar Euros dahin. Aber was solls? Ich war allein – für wen würde ich das Geld sonst verwenden? Ebenso gut konnte ich das hier als kleinen Kurzurlaub einstufen.
„Die Benutzung der Sauna und des Poolbereichs steht Ihnen natürlich für diesen Preis frei zur Verfügung“, teilte mir Peter noch mit, der mein Zögern natürlich bemerkte.
„Okay, wenn ich noch eine Massage dazu bekomme, nehme ich das Zimmer“, grinste ich ihn also frech an. Peter strahlte zurück, nickte und stellte endlich meinen Koffer vor dem Bett ab.
„Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie erst einmal etwas schlafen wollen?“ fragte Peter noch, bevor er das Zimmer verließ.
Sehe ich so furchtbar aus nach einer schlaflosen Nacht auf dem Flughafen?
„Ja, das werde ich tun“, nickte ich und ließ ihn ein schwaches Lächeln sehen.
„Rufen Sie mich an, wenn Sie wach sind“, lächelte er offen zurück. „Ich lasse Ihnen dann einen Snack bringen und sämtliche Informationen unseres Hotels.“
„Vielen Dank, Peter“, bedankte ich mich noch einmal. Dann war ich allein. In diesem Traumzimmer – selbst der Teppich war so dick, dass kein einziger Schritt von mir zu hören war. Das hier war ein Traum. Und ich war mittendrin.
Ich kickte meine Schuhe in die Ecke, zog mich ins Badezimmer zurück und ließ das Wasser in die Wanne einlaufen. Dann zog ich mich aus und wickelte mich noch in einen Bademantel, während ich darauf wartete, dass sich die Badewanne füllte. Eine kleine Auswahl an Badezusätzen stand auf dem Wannenrand – und ich entschied mich für die entspannende Variante. Ich ließ mich von dem Wasserdampf und dem Geruch des Zusatzes einhüllen und wartete darauf, dass ich ins Wasser steigen konnte. Dann endlich war genügend Wasser in der Wanne und ich ließ den Bademantel auf den Boden fallen.
Doch in dem Moment, als meine Zehen die Wasseroberfläche berührten, klopfte es energisch an der Zimmertür. Ich bin nicht da, dachte ich – und stellte meinen Fuß ins Wasser. Himmlisch!
Von wegen. Das Klopfen hörte nicht auf. Im Gegenteil. Es wurde lauter.
Ich stöhnte genervt auf, zog meinen Fuß aus dem Wasser, griff nach dem Bademantel und zog ihn über. Und dann riss ich sauer die Tür auf. Für eintausend Euro pro Nacht erwartete ich schließlich etwas Ruhe!
Vor mir stand Peter. Mit gesenkten Kopf. Er blickte mich entschuldigend an. Neben ihm stand ein größerer Mann. Älter. Graue Haare. Aber ein total autoritäres Auftreten. Mir lief für einen Moment ein Schauer über den Rücken. Das hier bedeutete definitiv nichts Gutes. Was wollten sie?
„Miss Roberts?“ sah mich der strenge Mann durchdringend an.
„Ja?“ entgegnete ich auch fragend.
„Es tut uns sehr leid, aber uns ist bei der Buchung ein Fehler unterlaufen“, teilte er mir ohne irgendeine Gefühlsregung mit.
Und? Was geht mich das an? „Aha“, machte ich nur.
„Wenn es Ihnen möglich ist, würden Sie bitte das Zimmer wieder verlassen?“ knallte er mir entgegen.
„Bitte?“ entfuhr es mir. „Ich habe das Zimmer gebucht und werde es bezahlen...“
„Wie gesagt, uns ist ein Fehler bei der Buchung unterlaufen“, unterbrach er mich sofort wieder in seinem monotonen Singsang. „Das Zimmer ist bereits gebucht gewesen und Peter hier...“
Ich sah zu Peter, der mir furchtbar Leid tat. Aber ich war es, die wieder auf den Flughafen zurück sollte. Mit den ganzen Geräuschen. Ohne Schlaf.
„Nun ja“, fuhr der Mann fort. „Würden Sie einfach Ihre Sachen packen und das Zimmer verlassen? Natürlich bekommen Sie einen Gutschein für unser Haus, den Sie jederzeit benutzen können...“
„Nun, dann tue ich das sofort“, antwortete ich bissig.
Er lächelte müde. „Hören Sie, wir haben einen prominenten Gast, der dieses Zimmer gern hätte und...“
„Ja, und?“ unterbrach ich ihn. Mittlerweile war meine Entspannung wie weggeblasen – ich war auf einhundertachtzig. Was bildete sich dieser Lackaffe hier eigentlich ein? „Und selbst wenn der Pabst persönlich da draußen irgendwo steht... Ist mir doch egal. Ich war zuerst da. Sagen Sie Ihrem Gast, wenn er dieses Zimmer will, wird er es sich mit mir teilen müssen.“ Damit drehte ich mich genervt um und stürmte zurück ins Badezimmer.
Oh Gott! Wer weiß, was das für ein alter ergrauter Star war, dem ich gerade die Hälfte dieses Hotelzimmers angeboten hatte! Eine Gänsehaut lief mir den Rücken hinunter. Ich hörte, wie die Tür endlich geschlossen wurde. Gut, endlich allein. Die hatten sie ja wohl nicht mehr alle! Mir erst ein Zimmer zuweisen und mich dann praktisch auf die Straße entlassen wollen. Geht´s noch? Es war immerhin Weihnachten. Schon mal was von Nächstenliebe gehört?
Nein, ganz ruhig. Ruhig atmen, sagte ich zu mir selbst. Das ganze Badezimmer war von dem Entspannungszusatz eingehüllt. Und endlich wirkte es auch wieder auf mich.
Langsam sank der Bademantel wieder zu Boden. Und endlich umschloss das warme Wasser meine Füße. Dann meine Beine. Und schließlich den gesamten Körper. Oh Gott, tat das gut! Sämtliche Entspannungen durch das lange Sitzen auf den unbequemen Stühlen im Flughafen lösten sich langsam aber sicher in Wohlgefallen auf. Es war himmlisch. Ich schloss meine Augen und entspannte mich. Ich blendete alles aus. Mein ganzes Leben. Hier zählte nur das Hier und Jetzt. Wie lange konnte man eigentlich im Wasser liegen, bevor man sich in Luft auflöste?
Wahrscheinlich hätte ich es an diesem Tag erfahren – wenn es nicht schon wieder an der Tür klopfte. Nein, ich wollte nicht öffnen. Ich dachte gar nicht daran, mich aus meiner Entspannung zu lösen. Doch dann hörte ich, wie die Tür sich öffnete.
Augenblicklich war ich zurück. In der Gegenwart. Das durfte doch nicht wahr sein, oder? Der Manager hatte doch mein Angebot nicht wirklich ernst gemeint? Oder schleppten sie einfach so meine Sachen nach draußen und warteten darauf, dass ich mich anziehen würde? Konnten diese Leute mich wirklich mit Gewalt aus diesem Zimmer entfernen? So war konnte ja auch wieder nur mir passieren.
Schnell stand ich auf, verteilte natürlich das Wasser auf dem Boden. Ich schnappte den Bademantel, zog ihn wieder über. Meine Haare hinterließen eine klatschnasse Spur, als ich das Zimmer verließ.
„Hören Sie“, stürmte ich auch dem Bad ohne weiter lange zu überlegen. „Sie könnten mich nicht zwingen, dieses Zimmer zu verlassen. Und vielleicht behalte ich das Zimmer auch lieber allein für mi...“ Und die nächsten Worte bleiben mir einfach im Hals stecken.
OH MEIN GOTT! Es war Weihnachten, ja. Ohne Zweifel. Und an Weihnachten geschahen Wunder. Aber das hier?
Da stand er vor mir. Mister Perfect. Mister „Man of the Year“. Der Mann mit dem heißesten Body, den ich je gesehen hatte. Der Mann, dessen Augen die Farbe wechseln konnte. Der Mann, dessen Lächeln selbst die Pole zum Schmelzen bringen konnte. Und das würde er – wenn er jemals dort stehen würde.
Da stand er also. In MEINEM Hotelzimmer. Ganz lieb und artig. Und sagte: „Hi.“
„Das ist nicht witzig“, knurrte ich. Denn ich war mir sicher, meine Fantasie spielte mir einen üblen Streich. War ich etwa in der Badewanne eingeschlafen und bereits im Land der Träume angekommen? War ich untergegangen und mein Gehirn bekam nicht genügend Sauerstoff?
Ich wich zwei Schritte zurück – und stieß mit dem Fuß schmerzhaft gegen eine Kommode. Okay, ich war definitiv wach. Aber so was von. Ich verkniff mir einen Fluch und starrte mein Gegenüber wieder an.
„Hi, ich bin Alex“, stellte er sich vor, als wäre es das Normalste auf dieser Welt. Als wäre er nicht soeben in MEIN Hotelzimmer eingebrochen. Als ich nichts sagte, redete er einfach weiter: „Ich finde es toll, dass Sie sich das Zimmer mit mir teilen wollen. Auf dem Flughafen war es grauenhaft...“
Moment mal! Flughafen? ER war auch auf dem Flughafen? So viel also dazu, dass dieses Zimmer bereits seit langem reserviert gewesen ist. Was für ein Lügner! Männer – die logen doch, sobald sie den Mund nur aufmachten.
Alex stellte seinen Koffer ans Fenster. „Ist doch okay, wenn ich diese Seite des Bettes nehme?“ sah er mich fragend an.
„Nein, ist es nicht“, waren die ersten Worte, die ich zu ihm sagte.
Er zog eine Augenbraue nach oben und sah mich irritiert an. Gott, musste MacGarrett so sexy sein? Aber das hier war nicht Steve oder Stan oder Mick... Das hier war der Echte. Und der war auch nur ein Mann. Basta.
„Ich habe es mir überlegt“, teilte ich ihm mit. „Ich werde dieses Zimmer nicht mit einem fremden Mann teilen!“
„Sie kennen meinen Namen“, grinste er mich an und verschränkte seine Arme vor dem Körper.
„Hören Sie, ich war zuerst da“, begann ich von neuem. Nicht, dass die Aussicht, eine Nacht oder mehr mit ihm hier allein in diesem Zimmer zu verbringen, nicht verlockend gewesen wäre, aber wo kämen wir denn da hin, wenn alle machen konnten, was sie wollten? Nein, auch nicht an Weihnachten. Definitiv nicht. Nicht mit mir.
„Ich zahlte auch brav die Hälfte des Zimmers“, sagte er nun.
Man, der Mann hatte Argumente. Argumente, die ich nicht so einfach in den Wind schlagen konnte. Immerhin würde das mein Sparkonto nicht ganz so schmälern. Aber nein! Hier ging es ums Prinzip.
„Die Bettseite zum Fenster ist meine“, hob ich nun herausfordernd mein Kinn. Mein Zimmer. Meine Regeln. Wenn es ihm nicht passte, konnte er ja gehen.
„Heute Nacht“, trat er an mich heran. Ich wich zurück, doch mehr als ein Schritt war nicht drin. Da stand die Kommode. Ich presste meinen Rücken dagegen. „Und morgen tauschen wir.“ Ganz dicht vor mir blieb er stehen. Sein Atem streichelte meine Wange. Ich nahm seinen Duft wahr – und für einen Moment, aber nur einen klitzekleinen Moment, setzte mein Gehirn aus.
„Sie... wollen also nicht... wieder gehen?“ brauchte ich hauchend hervor. Ich verschränkte die Arme vor meinem Körper. Immerhin nahm mein Gehirn seinen Dienst gerade wieder auf – und teilte mir mit, dass ich vor diesem trotzdem fremden Mann nur mit einem Bademantel bekleidet dastand. Immer noch tropfend.
„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Ihre Gesellschaft der von hundert anderen auf dem Flughafen vorziehen“, teilte er mir mit und hielt meinen Blick mit seinem gefangen.
„Aha“, machte ich nicht gerade sehr geistreich.
Alex kam noch einen Schritt näher. Jetzt passte nichts mehr zwischen uns. Kein Blatt Papier. Keine Feder. Nichts. Seine Kleidung berührte meine. Und ich hatte das Gefühl, ich könnte nicht mehr atmen. Es war schon peinlich, vor diesem Traummann zu stehen – und hechelnd zu atmen, als hätte man gerade einen Tausend-Meter-Lauf hinter sich.
„Dann... sollten wir das Zimmer vielleicht teilen“, hörte ich mich sagen. Hallo? Erde an Gehirn? Wo soll das hier noch enden? Wie viel Müll konnte ein Gehirn eigentlich produzieren?
„Das ist nicht Ihr Ernst, oder?“ machte er entsetzt einen Schritt zurück. „Wir sind beide erwachsen...“
„Woher weiß ich, dass Sie nicht gleich über mich herfallen?“ So, die Grenze der Peinlichkeit meinerseits war also erreicht. Ich gratulierte mir selbst und fragte mich, ob in diesem überaus noblen Hotel ein Mauseloch zu finden war, in das ich hineinkriechen konnte.
Ich hörte ihn leise auflachen. Und es klang so... awrrrr... sexy! Er kam wieder den einen Schritt auf mich zu. Oh ja, die Schnappatmung setzte augenblicklich ein. Nein, es war nicht peinlich. Nicht, solange mein Gehirn weiter den Dienst versagen würde.
„Vielleicht werfe ich Sie ja gleich über meine Schulter und entführe Sie zurück ins Badezimmer“, flüsterte er mir zu.
DAS war ja wohl die Höhe! Mein Mund ging auf. Und wieder zu. Und auf... aber es kam nichts heraus. Was bildete sich dieser Mann eigentlich ein? Er hatte sich in MEINEM Zimmer anständig zu benehmen!
Ich drängte mich an ihm vorbei und floh ins Bad. Die Tür flog hinter mir zu. Und ich drehte den Schlüssel um. Dann stand ich da und starrte die Tür an. Ich schüttelte meinen Kopf. Das war hier alles nicht wirklich gerade passiert. Mein Blick fiel auf die immer noch gefüllte Badewanne. Wer weiß, was in diesem Badezusatz gewesen ist? Vielleicht war der ja schon lange abgelaufen. Und ich hypnotisierte. Ja, genau, das musste es sein. Hallo? Wann würde das schon passieren, dass ausgerechnet ER in MEINEM Hotelzimmer auftaucht, wenn ICH an Weihnachten am Flughafen festsaß? Wie groß war die Wahrscheinlichkeit? Ich glaube, ein Lottogewinn wäre wahrscheinlicher.
Okay, ich werde jetzt da raus gehen und mir Sachen holen. Und ich weiß, dass ER nicht mehr da sein wird. Schnell öffnete ich den Abfluss der Badewanne, damit das Wasser ablaufen konnte. Dann zog ich den Knoten am Bademantel noch einmal fester und schloss die Tür wieder auf.
Ja, ich war soweit. Ich drückte die Klinke herunter und öffnete die Tür.
Und... da war... niemand. Nein, da war wirklich niemand. Ich sah mich suchend um. Doch ich entdeckte keinen Alex. Auch keine Tasche. Hatte ich mir wirklich alles nur eingebildet? Ja, wahrscheinlich. Das lag wohl am Schlafmangel der letzten Tage. Schnell zog ich frische Unterwäsche aus meiner Tasche und zog mich an. Dann noch ein Shirt darüber – und ab ins Bett. Ich gähnte verhalten und schloss meine Augen. Der Schlaf übermannte mich schnell. Bevor ich tief ins Land der Träume fiel, hörte ich, wie die Zimmertür geöffnet wurde. Aber das war nur Einbildung. Ich ließ mich nicht zurück in die Wirklichkeit holen. Ich wollte einfach nur schlafen – und genau das tat ich auch.
Ich war mitten in meinem Traum. Wirklich mittendrin. Ich fühlte sogar, was ich träumte. Also warum aufwachen? Es fühlte sich einfach nur gut an. Warm. Geborgen. Ich spürte einen Hauch in meinem Haar, der gleichmäßig wiederkehrte. Was auch immer es war – es nervte nicht. Ich spürte einen Arm, der auf meinem Bauch lag. Finger, die über meine Haut streichelten. Meine Härchen stellten sich auf, ein Kribbeln überzog meinen Körper. Und auch mitten hindurch.
Ich knurrte leise – vielleicht schnurrte ich auch – und drehte mich auf die Seite. Immer noch mitten in meinem Traum. Dachte ich jedenfalls. Doch nun spürte ich den warmen Hauch in meinem Gesicht. Und meine Nase berührte... eine Wange? Egal, es war ein Traum. Ich wollte nicht aufwachen. Diese Wange fühlte sich warm an. Ein klein wenig stachelig, aber angenehm. Mehr als nur angenehm. Ich schob meine Wange an diese andere. Plötzlich spürte ich Lippen. Angenehm weiche Lippen. An meinen. Lippen, die meine Lippen berührten. Die mich küssten. Und ich küsste zurück.
Okay, ich gebe zu, der Traum fühlte sich real an. Und manch anderer hätte früher mitbekommen, dass er real war. Aber ich wollte einfach nicht. Dafür war alles einfach zu perfekt. Und wann war das Leben schon mal perfekt?
Doch der Kuss endete. Und somit auch mein Traum. Denn ich hörte etwas. Worte. Jemanden, der zu mir sagte: „Guten Morgen, Sonnenschein!“
Und das war es dann. Ich war schlagartig wach. Ich meine, ich war so was von wach. Von Null auf Einhundert – und das in weniger als einer Sekunde. Ich riss meine Augen auf – und starrte in ein wundervolles Grün. Oder Blau? Irgendetwas dazwischen. Es riss mich mit sich in eine Tiefe, die ich für einen kurzen Moment nicht verlassen wollte. Bis sich jedoch plötzlich mein Gehirn einschaltete.
Denn da lag jemand in meinem Bett. Mit mir. Und ich war... nun ja, fast nackt. Ich spürte immer noch die Hand auf meinem Bauch, die zärtlich weiter streichelte. Ich spürte den Atem – doch jetzt war der Traum vorbei. Was zur Hölle machte der Kerl in MEINEM Bett? Mit weit aufgerissenen Augen sah ich ihn an und setzte mich auf. Rückte so weit von ihm fort, dass ich beim nächsten Millimeter ganz sicher aus dem Bett gefallen wäre.
„Was machst du hier?“ blaffte ich ihn an und zog an der Decke. Ich wollte wenigstens etwas mehr von meiner Haut verdecken.
Keine gute Idee. Denn nun wurde sein Oberkörper enthüllt. Und er trug nichts weiter als Boxershorts, wie ich feststellen konnte. Also – vielleicht war die Idee doch ganz gut. Bloß nicht sabbern! Das würde sicher komisch aussehen.
„Ich liege im Bett“, drehte er sich auf die Seite und stützte seinen Kopf mit dem Arm ab.
Klasse, das war die Antwort auf meine Frage, die ich wissen wollte. Wie überaus witzig!
„Nein, ich meine, was du HIER machst, in diesem Zimmer“, wollte ich wissen und räusperte mich. „Du warst weg, als ich ins Bett ging...“ Wie spät war es überhaupt? Ohne auf seine Antwort zu warten, angelte ich mein Handy aus der Tasche. Oh, halb sieben Uhr. Abends. So viel also zu dem kurzen Nickerchen. Es war Weihnachten – und ich saß immer noch hier fest.
„Ich war nur kurz etwas essen gewesen“, beantwortete Alex doch noch meine Frage.
„Aha“, machte ich. Meine Gedanken überschlugen sich und ich versuchte sie zu ordnen. Es war Heiligabend. Ich lag mit einem ... Fremden im Bett. Hatte so gut wie nichts an. Und zu allem Überfluss meldete sich jetzt auch noch lautstark mein Magen zu Wort.
Alex lachte heiser auf. Maaaaaaaaan! Wieso raubte mir dieser Mann sämtliche Sinne? Ich wollte meine Gedanken ORDNEN. Aber nein, sie wurden verdrängt. Von Bildern. Nicht jugendfreien Bildern, die vor meinem inneren Auge erschienen. Wieso lag dieser Mann auch einfach so halbnackt in meinem Bett? Gott, ich wünschte, ich wäre ein wenig selbstbewusster... Es gibt sicher Frauen, die meine Gedanken sofort in die Tat umgesetzt hätten. Nur leider war ich ich...
„Wir könnten uns etwas zu essen aufs Zimmer bestellen“, schlug Alex vor und setzte sich auch auf. „Dann könnten wir im Bett bleiben...“ Er ließ den Satz offen. Und ich vermied es ihn anzusehen und versuchte weiter diese Bilder aus meinem Kopf zu verdrängen. Es wäre überaus peinlich gewesen, wenn er meine Gedanken hätte lesen können. Nein, es wäre mehr als peinlich... Also wich ich seinem Blick aus und drehte mich weg.
Genau so hatte ich mir den Weihnachtsabend ja auch vorgestellt. Mitten im Nirgendwo (okay, ich wusste natürlich, wo ich war) mit einem wildfremden Mann (nein, das ist er auch nicht) völlig allein (wenn man von den restlichen Hotelgästen und den Angestellten einmal absah).
„Verrätst du mir wenigstens deinen Namen?“ hörte ich es plötzlich hinter mir fragen.
MEINEN Namen? Warum? Damit ich nächstes Jahr von ihm eine Weihnachtskarte bekommen würde? Ganz sicher nicht. Wir würden vielleicht diese Nacht dieses Zimmer miteinander teilen. Und vielleicht auch noch die nächste. Und dann... ja, dann würden wir uns niemals wiedersehen. Also tat ich, was ich in dieser Situation für richtig hielt. Ich sagte ihm einen Namen – aber nicht meinen.
„Julie“, stellte ich mich vor.
Ich spürte den brennenden Blick in meinem Rücken. Nein, ich konnte mich nicht zu ihm umdrehen und ins Gesicht lügen. Noch nicht. Ich brauchte noch ein paar Minuten um mich zu fangen. So zwei oder drei. Oder zwanzig oder dreißig.
Plötzlich bemerkte ich, wie Alex sich hinter mir bewegte – und plötzlich spürte ich seinen Atem in meinem Nacken. Das Kribbeln war wieder da. Gut, dass er mich nicht sehen konnte, als ich meine Augen schloss.
„Julie“, flüsterte er den Namen. Wieso machte mein Herz diesen Salto? Und setzte dann für einen Moment aus, um danach stark und schnell gegen meine Rippen zu pochen?
Ich fühlte immer noch die Wärme seines Atems an meinem Hals. Ja, allein das erregte mich. Doch wen hätte das nicht? Wenn er mich jetzt küssen würde, an dieser Stelle auf meinem Hals... ich glaube, dann hätte sich mein Verstand verabschiedet. Und hätte Urlaub im Niemandland gemacht. Doch er tat es nicht.
Und so wurde aus der Sparflamme langsam wieder ein Feuer. Und mein Verstand begann zu atmen. Essen. Er hatte gerade wegen Essen gefragt. Und nein, ich wollte nichts hier aufs Zimmer bestellen. Denn ich musste hier raus. Aus diesem Zimmer. Weg von ihm. Unter Leute. Diese Nähe... und diese Zweisamkeit... Himmel, es war Weihnachten. Und hier gehörte ich definitiv an diesem Abend nicht hin!
Das Klingeln meines Handys riss uns nun noch zusätzlich aus der Trance.
„Ja?“ ging ich an das Telefon. Meine Schwester war am anderen Ende der Leitung. „Ich weiß, dass ihr wartet. Ich kann hier nichts machen. Wahrscheinlich komme ich erst übermorgen. Ja, es tut mir auch leid. Nein, ich bin nicht mehr auf dem Flughafen. Ich habe ein Zimmer in einem Hotel. Nein, es ist keine Spelunke. Es ist das Hilton, Mary. Ja, ich kann es bezahlen. Macht euch keine Sorgen. Ich melde mich, sobald ich weiß, wann der Flieger geht. Ja, sag allen einen lieben Gruß. Bis später, Schwesterherz.“ Und damit war das Gespräch beendet.
So, jetzt war ich wieder ich selbst. Ich weiß nicht warum, aber nach dem Gespräch mit meiner Schwester hatte ich mich wiedergefunden. Ich hielt die Decke fest um mich gewickelt, als ich aufstand und mich zu ihm umdrehte.
„Ich werde im Restaurant etwas essen gehen“, teilte ich ihm dann mit.
„Okay, auch gut“, stand Alex ebenfalls auf. Gott, war dieser Mann heiß! „Dann gehen wir ins Restaurant.“
WIR? Wer hatte etwas von WIR gesagt?
„Ist doch okay, wenn ich dir ein wenig Gesellschaft leiste, oder?“ grinste er mich schief an, als hätte er doch meine Gedanken erraten.
„Ähm, klar“, beeilte ich mich zu sagen – und verschwand ins Badezimmer. Oh mein Gott, so hatte er mich gesehen? Völlig entnervt starrte ich in den Spiegel. Notiz an mich: morgen am besten vor ihm wach werden und schon mal Haare kämmen und Make-up auftragen. Schnell erledigte ich meine Morgentoilette – wohlgemerkt am Abend. Dann fiel mir ein, dass meine Sachen ja im Zimmer standen.
Na und? Wir waren beide erwachsene Leute. Hoch erhobenen Hauptes – nicht halb so selbstbewusst, wie es vielleicht aussah – ging ich zurück ins Zimmer und stellte meine Tasche aufs Bett. Alex hatte sich inzwischen angezogen. Halbwegs. Er trug eine Jeans. Und ein Hemd. Offen. Und ich hatte noch einmal den mehr als nur angenehmen Anblick auf seinen Oberkörper frei. Oh man, jetzt über die kleine Härchen streicheln und sich anlehnen... Nein, diese Gedanken waren nicht erlaubt. Schnell weg damit. Als wenn das klappen würde, weil ich in meine Tasche starrte! Ja, genau.
Dann saßen wir im Restaurant. Ich hatte die Karte vor mir liegen – und starrte auf die Preise. Oh man, wenn ich hier ein Menü bestelle, werde ich mindestens zwei Wochen nichts zu essen haben.
„Was nimmst du?“ sah Alex mich plötzlich an – und störte meine Rechnereien.
„Ich weiß noch nicht“, murmelte ich.
„Wenigstens ist das Essen im Zimmerpreis enthalten“, zwinkerte er mir verschmitzt zu. Oh ja, das hatte ich ja ganz vergessen. Was gab es denn hier? Uh, Austern und Hummer...
„Ich nehm die Nudeln“, entschied ich spontan.
„Wirklich?“ sah Alex mich nun überrascht an. „Keinen Hummer?“
„Nein“, schloss ich die Menükarte. Wieso fragte er?
„Interessant“, murmelte Alex und vertiefte sich wieder in seine Karte.
„Bitte?“ hakte ich unwillkürlich nach. Was sollte denn daran interessant sein?
„Nichts“, bekam ich eine Antwort, die keine war. Dann kam auch schon der Kellner und wir bestellten.
„Wein?“ fragte Alex und sah mich an. Es war Weihnachten – ich nickte. Wieso nicht?
Wenig später saßen wir vor unseren Tellern gefüllt mit dampfenden Nudeln mit Soße und stießen auf den Weihnachtsabend an. Ich muss zugeben, ich war froh nicht allein sein zu müssen. Gerade an Weihnachten. Wer war denn auch schon an diesem Abend gern allein?
„Wieso bist du hier?“ platzte ich meine Frage so plötzlich heraus, dass Alex zusammenzuckte.
„Geschäftlich“, antwortete er nur. Gesprächig war wohl was anderes. Wieso hatte er im Zimmer so viel geredet, als wir allein waren? Jetzt saß ein völlig anderer Mann vor mir. – Wobei ich mir eingestehen musste, dass auch ich eine völlig andere war. Ich fühlte mich hier nicht so unsicher. Was war nur los mit uns?
Schweigend aßen wir und tranken den Wein. Ich hätte das zweite Glas vielleicht stehen lassen sollen, denn der Alkohol stieg mir ziemlich schnell zu Kopf. Aber was sollte es? Es war Weihnachten. Zwar ohne den jährlich üblichen kleinen Familienstreit zwischen meinen Geschwistern, aber ansonsten war ich doch so allein wie immer.
Gegen neun gingen wir zurück ins Zimmer. In unser Zimmer. Es fühlte sich alles so eigenartig an. Wir hatten kaum miteinander gesprochen während der vergangenen Stunden beim Essen. Aber es war nicht unangenehm gewesen. Jeder von uns hing wohl eigenen Gedanken nach. Und was konnte er mir schon erzählen? Er lebte ein Leben völlig verschieden von meinem. Und was sollte ich ihm erzählen? Mein Leben war... normal, da gab es nichts Aufregendes.
„Hast du den Zimmerschlüssel?“ fragte ich, während ich mit zitternden Fingern die kleine Handtasche durchsuchte. Der blöde Wein – wieso hatte ich auch noch das dritte Glas getrunken? Ich war nicht unzurechnungsfähig, aber es reichte einfach. Ich wollte mich hinlegen und die Nacht verschlafen. Wenigstens würde ich nicht lange genug wach liegen, um über den Mann nachzudenken, der neben mir im Bett liegen würde.
„Ja, habe ich“, grinste er mich an und öffnete die Tür.
„Danke“, verdrehte ich die Augen und ging an ihm vorbei. Doch kaum war ich durch die Tür, wurde ich an die Wand gedrückt und die Tür fiel ins Schloss. Alex stand vor mir. Ich starrte ihn an. Was hatte er vor?
Er hob seine rechte Hand und strich über meine Wange. Fuhr durch mein Haar, spielte mit einer Strähne. Und die ganze Zeit über hielt er mich mit seinem Blick gefangen. Mit seinen Augen. Ich glaube, in diesem Moment hätte mein Gehirn auch ohne den Alkohol einen Urlaubsantrag gestellt und diesen ohne Genehmigung angetreten.
„Julie“, sprach er den Namen aus, den ich ihm genannt hatte.
„Alex“, flüsterte ich gedankenlos seinen Namen. Sein Daumen strich über meine Lippen. Und ich schluckte trocken. „Was...?“ wollte ich eine Frage stellen, doch er beugte sich vor und küsste mich. Keine Ahnung warum, aber es fühlte sich einfach nur unglaublich an. Unglaublich gut. Fantastisch. Perfekt. Ich erwiderte den Kuss und ließ es zu, dass er sich an mich lehnte. Seine Hände umfassten meine Taille und ich ließ alles einfach nur geschehen.
„Was tust du da?“ wollte ich wissen, als er sich plötzlich samt mir von der Wand löste und uns beide weiter ins Zimmer dirigierte. Es dauerte nur Sekunden, dann spürte ich das Bett hinter mir. Nervös sah ich Alex an.
„Ich glaube, das ist keine gute Idee“, murmelte ich und wollte mich aus seiner Umarmung lösen. Ich wollte gar nicht wissen, mit wem dieser Mann schon alles das Bett geteilt hatte – und ich konnte da ganz gewiss nicht mithalten.
„Ich glaube, das ist eine sehr gute Idee“, hörte ich ihn in mein Ohr flüstern. Uh, da war sie wieder – die Gänsehaut. Überall. Seine Lippen küssten mich an meinem Hals. Er knabberte an meinem Ohr – und ich lachte leise auf. Ja, das kitzelte.
Er griff nach meinen Händen und dann waren meine Arme in der Luft. Ehe ich noch nachdenken konnte, landete mein Shirt auf dem Boden. Jap, der Alkohol machte sich bemerkbar. Normalerweise wäre ich wohl jetzt vor Scham im Erdboden versunken. Doch was dachte ich in diesem Moment? Gleiches Recht für alle – und schon begannen meine Finger die Knöpfe seines Hemdes aufzumachen. Gott, dieser Mann sollte für sein Lächeln einen Waffenschein haben. Und was war nun peinlich? Dass ich diese Worte laut ausgesprochen hatte. Natürlich ohne es zu merken.
„Was?“ sah er mich irritiert an.
„Was was?“ fragte ich ebenso irritiert nach. Mir war nicht bewusst, dass ich ausgesprochen hatte, was ich dachte.
Jetzt grinste er. Verdammt! Selbst mit Alkohol wurde es gerade peinlich.
Doch Alex ließ mir keine Zeit zum Nachdenken. Er schob meine Hände zur Seite und zog sich das Hemd aus. Ich hörte den Stoff leise rascheln, als es zu Boden fiel. Und dann blieb mir fast die Luft weg. Ich meine, wir wissen alle, wie heiß er schon im Fernsehen rüberkommt. Aber das hier? So vor ihm zu stehen? Gott im Himmel, wie konntest du nur so einen Mann erschaffen? Wenn das Adam gewesen wäre – ich glaube, Eva hätte gar keine Chance gehabt ihm zu widerstehen – Schlange und Apfel hin oder her. Und ich wäre so gern Eva gewesen...
Naja, eigentlich bin ich das ja gerade.
Gegen meinen Willen musste ich bei diesem Gedanken grinsen. Ich stand also vor IHM. Vor Alex – und grinste. Ob ich einfach noch auf dem Flughafen saß und träumte?
Als mich nun seine Hand berührte, wusste ich, dass es nicht so war. Ich sah ihm direkt in die Augen, während er seine Hände über meinen Bauch gleiten ließ. Er strich über meine Seiten entlang zum Rücken. Ich schloss für eine Sekunde meine Augen – und als ich sie wieder öffnete, legten sich bereits seine Lippen auf meinen Mund.
Verstand? Abgeschalten. Gedanken? Mit in den Urlaub gegangen. Gefühle? Loderten lichterloh. Ja, ich hatte das Gefühl in Flammen aufzugehen. In seinen Armen. Seine nackte Haut berührte meine. Und ich hätte schwören können, ich verbrannte gerade. Wenn es sich nicht so gut anfühlen würde. Ich weiß nicht, wie er es machte. Doch plötzlich lagen wir beide im Bett. Völlig nackt. Alex lag über mir und sah mich an.
“Frohe Weihnachten“, lächelte er mich an.
Weihnachten? Oh ja, das fiel ja gerade mit Ostern auf einen Tag. Oder nicht? Ich wartete darauf, dass etwas passierte. Dass er dieses Brennen in mir löschen würde. Dass er mich erlösen würde. Dass er das beenden würde, was er angefangen hat. Doch es passierte... nichts. Irritiert sah ich ihn an.
„Was?“ wollte ich wissen, als er mich einfach nur ansah.
„Was willst du?“ entgegnete er mit einer Gegenfrage.
„Das ist nicht dein Ernst, oder?“ stöhnte ich auf. Ich wollte ihn von mir schieben. „Für Spielchen dieser Art bin ich mir echt zu schade“, maulte ich.
„Wer sagt, dass wir hier spielen?“ drückte er mich zurück ins Kissen und küsste mich sanft. Und wieder. Und wieder. Verdammt! Ich wollte mehr. Also hob ich meine Hände und hielt sein Gesicht fest. Ich drückte meine Lippen auf seine und verlangte nach mehr. Was er mir endlich gab. Unsere Zungen berührten sich, das Kribbeln wurde wieder stärker.
Ich ließ nun meine Hände in seinen Nacken wandern, streichelte durch sein Haar. Dann zog ich mit meinen Fingernägeln eine Spur über seinen Rücken. Wenn er spielen wollte, konnte er das haben. Das konnte ich auch!
Alex stöhnte auf, als ich an seinem Lendenbereich angekommen war.
„Warte“, bat er und griff nach meinen Händen. Er drückte sie in die Matratze.
„Worauf?“ fragte ich bissig. Wie lange wollte er mich noch hinhalten? Männer...
Alex sah mir tief in die Augen, dann spürte ich ihn. Ganz langsam. In mir. Ich wagte kaum zu atmen. Das hier geschah wirklich! Ich bog mich ihm entgegen, nahm ihn in mir auf. Und endlich ließ er meine Hände wieder frei.
„Ist alles okay?“ sah er mich fragend an.
„Alex, halt einfach die Klappe“, sagte ich und stahl mir einen weiteren Kuss. „Wenn es nicht okay wäre, würdest du nicht in meinem Bett liegen. In meinem Zimmer...“
„In unserem Zimmer“, verbesserte er mich und lachte heiser auf. „In unserem Bett...“
„Alex, bitte“, jammerte ich und bewegte mich unter ihm.
„Versprich mir, dass du morgen Früh noch da bist“, hörte ich ihn leise fragen. Wo sollte ich denn sonst sein? Ich sah ihn an. Wo kam plötzlich dieser Schmerz in seinen Augen her?
„Ich verspreche dir, dass ich hier sein werde“, erfüllte ich ihm seinen Wunsch. Dann riss er mich mit. In einen Strudel. Voller Leidenschaft. Und... Liebe. Liebe? Ich weiß nicht. War es nicht nur Sex? Wir kannten uns doch gar nicht. Und Liebe war etwas... das passierte zwischen zwei Menschen, die ihre Seele einander offen legten. Doch taten wir das nicht genau in diesem Moment?
Als es passierte, als die Welt um uns herum versank, als das Feuerwerk explodierte... Ich weiß, dass wir es gemeinsam sahen. Ich krallte meine Nägel in seinen Rücken. Und er holte sich einen langen Kuss. Und dann... lagen wir einfach da. Schwer atmend. Ich spürte den Schweißfilm auf seiner Haut. Und auf meiner. In diesem Moment wünschte ich mir die Zeit anhalten zu können. Und für eine kleine Ewigkeit hier liegen bleiben zu können. Für immer.
Doch irgendwann war der Zauber verflogen. Die Magie war vorbei. Nein, das war sie nicht. Alex hob seinen Kopf und ich sah in seine Augen. Sie leuchteten. Nur für mich. Sie veränderten ihre Farbe. Von einem dunklen Grün in ein tiefes Blau. Aber nur, um dann himmelblau zu strahlen. Ich legte eine Hand auf seine Wange und streichelte darüber. Es fühlte sich in diesem Moment so richtig an bei ihm zu sein. War es Schicksal, dass wir beide hier gelandet waren? Vielleicht. Wenn ich an so etwas glauben würde. Doch wer glaubte denn an Märchen?
Irgendwann legte sich Alex neben mich. Doch er entließ mich nicht aus seinen Armen. Er hielt mich fest. Zog die Decke über uns beide. Er küsste mich wieder. Und ich glaube, in dieser Nacht bin ich mit seinem Kuss auf den Lippen eingeschlafen.
Es war eigenartig. Das Erwachen am nächsten Morgen. Ich war nicht allein. Ich lag an Alex gekuschelt, hatte mein Gesicht an seinem Hals vergraben, meinen Arm um seine Hüfte geschlungen. Und spürte seinen Atem in meinem Haar. Ob mir das gefiel? Wem würde es nicht?
„Bist du wach?“ hörte ich ihn flüsternd fragen, als ich mich bewegte.
„Nein“, grummelte ich. Ja, ich war ein Morgenmuffel. Und außerdem wollte ich hier nicht weg. Konnte dieser Moment einfach noch andauern? Gegen 24 Stunden hätte ich nichts einzuwenden.
Okay. Ich spürte seine Hand, die meinen Rücken entlang nach unten wanderte. Meinen Po streichelte und dann wieder nach oben wanderte.
„Bist du jetzt wach?“ flüsterte er nun.
„Nein, jetzt will ich weiter träumen“, flüsterte ich zurück. Ich hörte sein unterdrücktes Lachen. Sexy. Und das früh am Morgen. Awrrrrrrrr! Oder sollte ich lieber schnurren?
„Na gut“, forderte mich seine Stimme heraus. Doch ich blieb liegen, wo ich war. Demonstrativ. Was ihn jedoch nicht interessierte. Alex´ Hand wanderte weiter unter der Decke umher. Und ich konnte nicht sagen, dass es mir nicht gefiel. Seine Lippen wanderten wieder meinen Hals entlang. Und ich genoss es. Als er zärtlich in meine Halsbeuge biss, quietschte ich auf.
„Hör auf“, bat ich ihn und drehte mich auf den Rücken. Ein Fehler – oder auch nicht. Denn schon lag er wieder auf mir. Ich öffnete meine Augen und sah ihn an.
„Was wird das?“ lächelte ich ihn an und versuchte meine Augen offen zu halten. Gar nicht so einfach, weil die Sonne hell durchs Fenster schien.
„Guten Morgen, schöne Frau“, flüsterte Alex dicht an meinen Lippen und küsste mich, bevor er mich wieder ansah. „Du bist noch da.“
„Wo sollte ich sonst sein?“ entgegnete ich. Da! Da war er wieder. Der traurige Ausdruck in seinen Augen.
„Es ist der erste Weihnachtsfeiertag“, lenkte er dann ab.
„Und?“ Ich wusste selbst, dass heute der 25. Dezember war.
„An diesem Morgen darf ich immer meine Geschenke auspacken“, verkündete Alex.
„Aha“, machte ich. „Hast du welche dabei?“
Alex grinste und hob eine Augenbraue. „Eins“, antwortete er frech. „Und es liegt vor mir.“
„Zu blöd, dass du es gestern Nacht schon ausgepackt hast“, ging ich auf seinen Witz ein. „Jetzt hast du dir die ganze Überraschung verdorben.“
Er lachte auf. Anscheinend gefiel ihm mein Humor. Alex nahm mein Gesicht zwischen seine Hände. Es war eigenartig. Es fühlte sich an, als würde ich hierher gehören. Zu ihm. Und er zu mir. Als würden wir uns schon ewig kennen. Und wären uns nicht erst gestern begegnet. Ob er dieses Gefühl auch hatte?
„Du bist süß“, meinte er.
Okay. Ich wurde ja schon vieles genannt. Aber süß? Nein, das war ganz gewiss nicht dabei. Daran würde ich mich erinnern. Alex begann an meiner Lippe zu knabbern. Ich wusste, was gleich passieren würde. Und es war sicher nicht die schlechteste Idee, einen Tag zu beginnen. Ich ließ mich fallen – und genoss es ein weiteres Mal ihm so nah zu sein. Zu nah. Viel zu nah.
Wir verbrachten den ersten Weihnachtsfeiertag komplett im Bett. Alex bestellte etwas zu essen aufs Zimmer. Ich genoss die Zeit mit ihm. Wir lagen da und redeten. Was hieß, ich antwortete auf die Fragen, die er mir stellte. Ich traute mich nicht ihn auszufragen. Ihn irgendetwas zu fragen. Es war zu privat. Auch wenn alles so vertraut wirkte, ich selbst stand dazwischen. Es wirkte alles so unwirklich. Hätte ich mir je träumen lassen, dass ich an Weihnachten in einem Hotelzimmer mein Bett mit Alex teilen würde? Niemals hätte ich das.
Am späten Nachmittag klingelte sein Handy. Ich hörte Alex reden, verstand jedoch kaum etwas, weil er mit dem Telefon ins Bad ging.
„Alles okay?“ fragte ich, als er wieder heraus kam.
„Ja“, lächelte er mich an. Doch ich glaubte ihm dieses Lächeln nicht. Trotzdem hakte ich nicht nach.
Am Abend klopfte es an der Tür.
„Hallo, Peter“, sah ich ihn überrascht an.
„Hallo“, lächelte er mich an. „Ich wollte Ihnen nur bescheid geben, dass die Fluggesellschaft angerufen hat. Ihr Flug geht morgen Mittag um zwei.“
„Danke, Peter“, freute ich mich. Ich würde endlich nach Hause kommen. Zwar mit zwei Tagen Verspätung. Aber es war immer noch Weihnachten. Ich schloss die Tür wieder – und sah Alex an.
„Hast du schon was gehört?“ wollte ich von ihm wissen.
Doch ich bekam keine Antwort. Stattdessen zog mich Alex in seine Arme. Und raubte mir erneut den Verstand. Ich weiß nicht warum, aber es fühlte sich bereits jetzt schon wie ein Abschied an. Auch wenn wir noch die Nacht und den Vormittag für uns haben würden, irgendetwas stimmte nicht. Doch ich sprach es nicht aus. Ich genoss die Zeit mit ihm. Seine Umarmungen. Seine Nähe. Einfach alles.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich allein. Irritiert setzte ich mich auf und sah mich im Zimmer um. Wo war Alex? Und wo war seine Tasche? Ich stand auf und lief ins Badezimmer. Hatte er sich nicht gestern Abend hier noch rasiert? Doch nichts deutete darauf hin, dass jemand mit mir in diesem Zimmer gewesen war.
Hatte ich alles nur geträumt? War ich so müde gewesen, dass ich einen ganzen Tag verschlafen hatte? Dass heute der zweite Weihnachtsfeiertag war, stand ohne Zweifel fest. Das sagte mir mein Kalender.
Ich war völlig verwirrt. Fühlte mich allein. Einsam. Verlassen. Wieso passierte so etwas immer mir? Wieso passierte all das nur in meinen Träumen? Ich beschloss zu duschen und das Zimmer zu bezahlen. Und dann würde ich zum Flughafen fahren. Und in mein Leben zurückkehren. In mein wirkliches Leben.
„Hallo, Peter“, begrüßte ich den Mann hinterm Tresen.
„Guten Morgen, Miss Roberts“, strahlte er mich an. „Sie gehen schon?“
„Ja, ich werde am Flughafen eine Kleinigkeit essen, bevor mein Flug geht“, antworte ich ihm. „Können Sie mir die Rechnung geben?“ Gleich hätte ich den Schock hinter mir.
„Das Zimmer wurde bereits bezahlt“, sah er mich irritiert an, als sollte ich das wissen.
„Aber...“, sah ich ihn noch verwirrter an. „Von wem?“
Jetzt grinste Peter breit. „Von dem Herrn, mit dem Sie es geteilt haben“, antwortete er.
„Aber...“ Das war KEIN Traum gewesen? Wo war Alex?
„Der Flug von ihm ist bereits heute Morgen um sieben Uhr gestartet“, erzählte mir Peter.
„Oh“, machte ich. „Okay.“
Nein, nichts war okay. Er hatte mich also einfach so verlassen. Zwei Tage hatte Alex mit mir verbracht. Zwei Tage hatten wir ein Bett geteilt. Doch das allein reichte nicht. Was hatte ich denn erwartet? Dass er mir ewige Treue schwören würde? Einfach so? Mir? Ich musste mich zusammenreißen, um nicht laut aufzulachen.
„Ich habe noch etwas für Sie“, reichte mir Peter in diesem Moment einen Umschlag. „Von ihm.“
„Danke“, griff ich hölzern danach – und steckte ihn ein.
„Wollen Sie den Brief nicht lesen?“ wollte Peter wissen.
Ich starrte ihn an. Starrte eigentlich durch ihn hindurch. Ich fühlte mich so leer. So wie es immer war. Allein.
„Nein, jetzt nicht“, antwortete ich. „Danke für alles, Peter.“
„Ich wünsche Ihnen alles Gute, Miss Roberts“, lächelte er mich an.
„Das wünsche ich Ihnen auch“, entgegnete ich. Dann griff ich nach meiner Tasche und lief langsam in Richtung Ausgang. Ich ging geradewegs auf ein Taxi zu. Das konnte ich mir ja jetzt leisten. Immerhin hatte er... Wie konnte er nur? Wieso hatte er das getan? Wieso hatte Alex einfach so das Zimmer bezahlt? Ich hätte meine Hälfte auch allein übernehmen können! Und wieso hatte er nicht gesagt, dass er vor mir fahren würde? Wieso hatte er das verschwiegen?
Als ich im Flugzeug saß und über den Wolken schwebte, griff ich in meine Tasche, um nach einem Taschentuch zu suchen. Ja, ich war traurig. Und bevor ich bei meiner Familie war, konnte ich noch ein paar Tränen verdrücken, ohne mich dafür rechtfertigen zu müssen. Und nun hielt ich plötzlich den Brief in der Hand.
Das hätte er sich ruhig sparen können. Ich brauchte keine Abschiedsworte. Keine Zeilen, dass es ihm Leid tat. Und das ganze Blabla. Ich zögerte einen Moment, bevor ich den Brief öffnete. Vorsichtig öffnete ich den Umschlag. Was war das denn? Ein Flugticket? Was sollte das denn?
Ich schob das Ticket zurück ohne es anzusehen. Da war noch etwas darin. Ein Brief. Ein Zettel. Mit zitternden Händen schob ich das Papier auf, dann begann ich zu lesen:
„Hallo Julie. Ich danke dir für das schöne Weihnachtsfest...“ Ich schluckte. Und las weiter: „Ich wünschte, der Flughafen wäre noch länger geschlossen gewesen. Es tut mir leid, dass ich mich nicht von dir verabschiedet habe. Ich konnte es nicht...“ Warum? Aber das werde ich wohl nie erfahren. Weiter im Text: „Ich würde dich gern wiedersehen. Wirklich. Ich habe dir ein Ticket beigelegt. Weißt du, auch in Hawaii gibt es einen Flughafen – wir haben dort zwar keinen Schneesturm, aber vielleicht fällt uns etwas anderes ein...“ Jetzt musste ich lächeln. Ein Schneesturm in Hawaii. Das war wirklich süß.
Moment mal – hieß das etwa... er wollte mich wiedersehen? Ich sollte ihn besuchen?
Schnell las ich den Rest des Briefes: „Der Flug geht bereits in vier Tagen. Ich warte am letzten Tag des Jahres auf dich. Alex“
Das war es. Das war alles, was da stand. Kein „Ich werde dich vermissen“ oder „Du fehlst mir“ oder „Ich liebe dich“. Aber war das Ticket nicht fast dasselbe? Ich zog das Ticket noch einmal aus dem Umschlag. Ein Hinflugticket nach Hawaii. Abflug hier am 30. Dezember. Ankunft am letzten Tag des Jahres.
Lächelnd schob ich das Ticket und den Brief zurück. Dann steckte ich den Umschlag in meine Tasche. Ich würde nun zu meiner Familie fliegen. Es war das schönste Weihnachten, das ich wahrscheinlich in meinem ganzen Leben haben würde. Und ich werde diese Erinnerung immer in mir tragen. Ganz fest in meinem Herzen. Doch ich wusste, dass ich nicht mehr daraus machen würde. Es war perfekt so, wie es gewesen war. Und wenn es am schönsten war, sollte man die Bühne verlassen. Und ich gehörte nicht auf die Bühne. Ich gehörte in ein anderes Leben. In meins. Svester und ...
Was soll ich sagen? Ich verbrachte die Tage bei meinen Eltern und meiner Schwester. Dann flog ich im neuen Jahr wieder zurück nach Hause. Ich bin NICHT nach Hawaii geflogen. Ich wusste nicht, wie ich meiner Familie hätte erklären sollen, dass ich ein Flugticket in ein fremdes Land in der Tasche hatte und dieses von einem mir eigentlich fremden Mann bekommen hatte. Außerdem wollte ich Alex nicht preisgeben. Das war mein Weihnachten gewesen. Mit ihm. Und ich wollte, dass es einfach meins bleiben sollte. Meine Erinnerung. Mein Erlebnis. Einfach nur meins.Nein, ich habe es nicht bereut. Nicht wirklich. Okay, manchmal. Aber eigentlich... Ich wollte meinen Traum behalten. Ich wollte ihn nicht enden lassen. Das Märchen. Es würde kein Happy End geben. Kein „Und sie lebten glücklich und zufrieden...“ Ich hatte ein Weihnachtswunder erlebt. Und mehr konnte ich nicht erwarten. Ich lebte wieder mein Leben. Meins. Und ich war glücklich. Zufrieden. Es war halt mein Leben. Ende.Ja, ich dachte oft an ihn. Jeden Tag. Er war und blieb mein Traum. Ich träumte sogar von ihm. Okay, jede Nacht. Und ich konnte ihn nicht vergessen. Ja, ich vergoss auch ein paar heimliche Tränen. Allein in meiner Wohnung. Wenn ich das Ticket in den Händen hielt. Beinahe jeden Abend versank ich in der Erinnerung. Doch es war einfach nur eine Erinnerung. Und ja, ich fragte mich auch, warum ich nicht geflogen war. Aber ich glaube, es war einfach Angst. Angst davor, einen Traum aufzugeben. Meinen Traum.Das neue Jahr begann – und ich ging wieder arbeiten. Die Tage vergingen. Wochen. Der Januar ging vorüber. Der Februar. Es gab Tage, an denen ich meine Entscheidung mehr als in Frage stellte. Doch dann gab es Tage, an denen ich mir einreden konnte, dass ich das Richtige getan hatte. Dass ich nicht geflogen war. Dass ich nicht in seine Welt eingetaucht war. Ich redete mir ein, dass das Leben ohne Alex einfacher war. Weil mein Herz nicht in noch mehr Scherben zerfallen war.Mein Leben ging einfach weiter. Ich stand morgens auf und ging zur Arbeit. Dort blieb ich bis zum Abend und ging wieder nach Hause. Ich traf meine Freunde, ging aus. Doch es gab niemanden, der mein Herz berührte. Ich lernte zwar hier und da neue Menschen kennen, doch da gab es etwas vor mir. Wie eine Wand. Eine innere Barriere. Ich konnte und wollte einfach niemanden an mich heranlassen.„Was ist denn los mit dir?“ fragte mich Karen, bei der ich immer noch wohnte, eines Abends. Wir waren im Kino gewesen und hatten uns noch in eine Bar gesetzt. Vor fünf Minuten waren zwei Männer zu uns gekommen und hatten uns einen Drink ausgeben wollen. Ich hatte dankend abgelehnt.
„Was soll mit mir sein?“ sah ich Karen fragend an.„Du bist total komisch geworden“, antwortete sie mir. „Ich weiß auch nicht, aber seitdem du Weihnachten bei deinen Eltern warst... Ich weiß ja, dass Shawn dir ganz schön wehgetan hat. Aber das ist doch kein Grund, dass du dich so einigelst.“„Ich igle mich ein?“ Ich war doch ein wenig geschockt über Karens Sichtweise.„Shawn war ein Arsch“, bemerkte Karen. Wieder einmal. „Du kannst doch wegen ihm nicht dein Leben so wegwerfen. Ich seh dich kaum noch lächeln. Süße, ich mach mir einfach Sorgen um dich.“„Das musst du nicht“, spielte ich gedankenverloren mit meinem Glas. Dann sah ich Karen offen an. „Ich verspreche mich zu bessern, okay?“ Es musste doch möglich sein, Alex einfach zu vergessen. Nein, nicht wirklich. Aber der Gedanke an ihn konnte doch nicht meinen gesamten Tagesablauf bestimmen. Ich musste mich wirklich wieder unter Kontrolle bekommen.
Und nach diesem Gespräch tat ich das auch. Ich nahm mein Leben wieder in die Hand. Ich suchte mir endlich eine kleine Wohnung. Es war zwar nur eine Ein-Zimmer-Wohnung im Dachgeschoss, aber es war mein Reich. Es wurde März und der Frühling meldete sich an. Die ersten Knospen traten hervor, die Vögel zwitscherten. Die Sonne verdrängte die Regen- und Schneewolken. Alles wurde heller. Freundlicher. Und auch mein Innerstes wurde wieder ruhiger. Ich fand zurück in mein Leben.Das Flugticket hatte ich in einer kleinen Kiste in meinem Schrank verstaut – und mit ihm alle Gedanken an Alex verborgen. Es brachte ja doch nichts, in diesen zwei Tagen zu verweilen. Die Erinnerung war schön, aber mit der Zeit tat sie einfach nur weh. Wenn ich geflogen wäre – wer weiß, was passiert wäre. Doch ich war es nicht. Dieses „Was wäre, wenn...“ brachte doch alles nichts.
Es war Ende März. Die Sonne hatte diesen Tag schon so warm gestrahlt, dass ich mittags mit meinen Arbeitskollegen zum Eisessen gegangen war. Dafür musste ich zwar länger arbeiten, doch das Licht und die Wärme der Sonne hatten mir einfach nur gut getan. An diesem Freitag war der letzte Arbeitstag vor dem Osterurlaub. Ich musste endlich die restlichen Urlaubstage aus dem alten Jahr nehmen, hatte mir mein Chef vor zwei Wochen ans Herz gelegt. Also würde ich diesen mehr oder weniger gezwungen ab Montag antreten. Ich hatte nichts geplant, würde ein wenig bummeln gehen und für meine Wohnung noch das ein oder andere Dekostück suchen.
„Wir sehen uns dann in zwei Wochen, Emily“, verabschiedete sich Sarah, meine Arbeitskollegin, gerade von mir. Es war spät geworden. Nach halb neun. Es war dunkel – Sarah wurde von ihrem Freund abgeholt. Wie immer. Und ich würde mich jetzt auf den Weg zur U-Bahn machen, um nach Hause zu gelangen.
Sarah umarmte mich gerade, als ich sie sah. Die Gestalt, die aus dem Schatten trat. Den Mann, der da stehen blieb und mich ansah.
„Hallo, Julie“, hörte ich ihn sagen. Ich konnte nicht glauben, dass ich wirklich seine Stimme hörte. Im ersten Moment zuckte ich zusammen und zwinkerte, weil ich der Meinung war, dass ich träumte.
Doch so war es nicht.
Sarah sah irritiert und neugierig von ihm zu mir. „Wer ist das?“ wollte sie neugierig wissen. „Und wieso nennt er dich Julie?“ Okay, sie wollte mich nicht alleine lassen. Ich hätte sie mit einem Fremden auch nicht allein gelassen. Doch dieser Mann da – er war alles andere als fremd.
„Wir sehen uns dann“, hörte ich mich zu Sarah sagen, dann ging ich langsam auf den Mann zu. Ich glaube, ich hatte ihm einiges zu erklären. Und er mir. Was machte er hier? Wieso war er da und stand vor mir?
Ich blieb vor Alex stehen und sah ihn an. „Was machst du hier?“ fragte ich leise.
Alex lächelte unsicher. „Du hast dein Ticket verfallen lassen“, beantwortete er mir meine Frage nicht.
„Ich... es ging einfach nicht“, versuchte ich zu erklären. Doch eigentlich gab es keine Erklärung. „Deshalb bist du hier?“
„Vielleicht“, blieb er immer noch vor mir stehen. Die Hände hatte er in den Taschen seiner Jeans vergraben. Er wirkte unsicher – wegen mir?
In diesem Moment fielen ein paar Regentropfen auf uns herab. Ich sah in den dunklen Himmel. Es waren keine Sterne zu sehen. Vielleicht begann jetzt das Unwetter, von dem sie heute Nachmittag in den Nachrichten gewarnt hatten.
Ich zog Alex mit mir zurück vor den Hauseingang, während ein stürmischer Wind aufzog und der Regen kräftiger wurde.
„In welchem Hotel wohnst du?“ wollte ich wissen. Vielleicht könnten wir uns einfach in den nächsten Tagen noch einmal auf einen Kaffee treffen.
„In keinem bis jetzt“, antwortete Alex.
Jetzt war ich total verwirrt. Er war hier. Hierher geflogen. Hatte ewig lange Stunden im Flugzeug verbracht. Er hatte hier doch sicher irgendwo einen Termin. Und auch ein Hotelzimmer gebucht. Oder nicht?
Der Regen peitschte vom Sturm angetrieben in unsere Richtung und es dauerte keine Minute, bis meine Hose durchnässt war. Die Jacke hielt dem Wasser noch etwas stand, doch lange würde ich es hier so nicht aushalten. Und krank wollte ich meinen Urlaub auch nicht verbringen.
„Ich muss nach Hause“, sah ich ihn an und spürte die Tropfen, die über mein Gesicht liefen. Auch Alex war klitschnass. „Willst du mitkommen?“ Ich fragte einfach. Ohne darüber nachzudenken.
Er nickte. Also griff ich nach seiner Hand und zog ihn mit mir zur U-Bahn-Station. Wir sprachen kein Wort, während wir nebeneinander saßen und dann zu meiner Wohnung gingen. Inzwischen spürte ich die Nässe am ganzen Körper. Ich schloss meine Tür auf und ließ Alex eintreten. Ich wollte nur raus aus diesen nassen Klamotten. Der Stoff klebte an mir. Und Alex sah auch nicht besser aus.
„Willst du zuerst unter die Dusche?“ bot ich meinem Gast an. Keine Ahnung, was er danach anziehen würde. Wieso hatte er eigentlich keinen Koffer bei sich?
Doch Alex antwortete mir nicht. Stattdessen spürte ich plötzlich seine Arme, die mich an ihn heranzogen. Und dann seine Lippen... Ich schloss meine Augen, versank wieder in unserer Welt. Ich hatte ihn mehr vermisst, als ich jemals zugegeben hätte. Das erkannte ich in diesem Moment. Wie eine Ertrinkende schlang ich meine Arme um ihn und hielt ihn ebenso fest wie er mich. War er wegen mir zurückgekommen?
Alex löste sich nach einer Ewigkeit von mir und sah mir in die Augen.
„Es war nicht einfach dich zu finden“, murmelte er. „Du heißt gar nicht Julie, oder?“
Ertappt schüttelte ich meinen Kopf. „Emily“, antwortete ich leise. „Ich heiße Emily.“
„Wieso hast du mir nicht deinen Namen genannt?“ wollte er wissen.
Ich löste mich aus seinen Armen und trat einen Schritt von ihm zurück. „Weil ich... weil du... wozu?“ sah ich ihn dann traurig an. „Es waren zwei Nächte. Und ich... wieso bist du hier? Und jetzt sag ja nicht, du hast mich vermisst...“ Doch, genau das wollte ich aber hören!
„Das habe ich aber“, fiel er mir ins Wort und sah mich ebenso traurig an. „Ich habe jeden Tag an dich gedacht. Am Anfang dachte ich auch noch, dass es nur zwei Tage waren. Zwei Tage, weil wir beide einsam waren. Allein. An Weihnachten. Und doch wollte ich dich wiedersehen. Und ich stand am Flughafen am letzten Tag des Jahres. Aber du bist nicht gekommen.“ Er schluckte – und ich hatte schon fast ein schlechtes Gewissen. „Ich habe in unserem Hotel angerufen, doch dort wurde mir gesagt, dass du das Ticket bekommen hattest. Also hoffte ich auf ein Zeichen von dir...“
„Ich konnte nicht“, flüsterte ich. Alex schwieg nun und sah mich abwartend an. Ich musste niesen und entschuldigte mich. Ich wollte nur raus aus den Sachen, bevor sich die Erkältung noch breit machte.
Ich wollte ein paar Minuten für mich allein haben. Ich musste nachdenken. Darüber, wieso er überhaupt hier war. Und was das alles für mich bedeutete. Also ging ich die wenigen Schritte zum Badezimmer und öffnete die Tür. Doch Alex war sofort hinter mir. Er drehte mich zu sich herum und öffnete mit zitternden Händen meine Jacke. Ich griff nach seiner Hand, die ebenfalls eiskalt war. Jetzt gab es für uns beide nichts mehr zu überlegen. Nur wenige Sekunden später standen wir unter dem warmen Wasser in meiner Dusche und sahen uns an.
„Wieso bist du nicht gekommen?“ flüsterte Alex seine Frage erneut und legte seine Hand um meine.
„Weil du in deiner Welt lebst und ich in meiner“, antwortete ich ihm nun ehrlich.
Alex lachte bitter auf. „So einen Quatsch habe ich ja noch nie gehört“, murmelte er. „Jede andere hätte alles aufgegeben um bei mir zu sein...“
„Ich bin nicht jede andere“, unterbrach ich ihn aufgebracht. Was dachte er denn, wer er war?
„Das habe ich auch bemerkt“, gab Alex zu und ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen. „Und das finde ich auch gut. Deshalb bin ich auch hier...“
„Wie hast du mich überhaupt gefunden?“ wollte ich nun wissen. Seine Finger spielten mit meinen. Und ich spürte das Kribbeln. Wie damals im Hotelzimmer. Was machte dieser Mann in meiner Wohnung? In meiner Welt? In meinem Leben?
„Das war gar nicht so einfach“, gab er zu. Mehr sagte er nicht.
„Du willst es mir nicht erzählen“, stellte ich dann fest.
„Nein“, gab er grinsend zu. Seine Hände wanderten meinen Arm entlang nach oben und legten sich auf meinen Rücken. Inzwischen waren seine Hände warm. Ich spürte das Wasser kaum noch, denn meine Sinne hatten sich auf Alex konzentriert.
„Was machst du?“ wollte ich wissen, als er mich ganz nah zu sich heranzog. Da gab es nichts mehr zwischen uns. Kein einziges Stück Stoff. Noch nicht einmal das Wasser hatte noch eine Chance.
Alex räusperte sich und lächelte dann. „Dort weiter, wo wir aufgehört haben.“
Jetzt sah ich ihn traurig an. Denn die Erinnerung an den Morgen kam wieder. Als ich allein im Hotelzimmer aufgewacht war. „Das heißt, du gehst wieder ohne dich zu verabschieden“, stieß ich hervor und schob ihn von mir. Noch ehe er auch nur den Hauch einer Chance hatte mich aufzuhalten, lief ich aus der Dusche und wickelte ein großes Handtuch um mich. Dann verließ ich fluchtartig das Badezimmer.
Nervös stand ich in meinem Wohn- und Schlafraum. Ja, genau das war es, was ich verdrängt hatte. Die Leere, die ich an dem Morgen gefühlt hatte. Die in mein Herz geschnitten hatte. Wie konnte ich das alles nur verdrängen und in den anderen zwei Tagen verweilen? Wieso war das menschliche Gehirn nur darauf ausgerichtet, von einer Situation nur das Beste zu behalten?
„Emily“, hörte ich auch schon seine Stimme hinter mir.
Nachdenklich drehte ich mich zu ihm um. Alex hatte sich ebenfalls ein Handtuch genommen, dass er locker um die Hüfte geschwungen trug. Und schon meldete sich mein Kopfkino wieder. Kein guter Zeitpunkt. Wenn man versucht seine Wunden zu verbergen.
Er stand da und sah zu mir. Alex bewegte sich keinen Millimeter. Ich sah ihm an, wie er nach den richtigen Worten suchte.
„Ich konnte mich nicht von dir verabschieden“, eröffnete er mir dann.
„Wieso nicht?“ hakte ich natürlich sofort nach. Was war das denn auch für eine Antwort?
„Ich hätte nicht gehen können“, flüsterte er seine Antwort so leise, dass ich sie kaum verstand. Was hieß das denn? Er hätte nicht gehen können? Wenn er sich verabschiedet hätte? Es waren nur zwei Tage. Dass ich an ihm hing, war ja nichts Außergewöhnliches. Ich meine, ich bin immerhin eine Frau. Frauen träumen nun mal. Doch er? Wieso hätte es ihm so viel bedeuten sollen? Er kannte mich nicht. Und er kennt mich immer noch nicht. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm glauben konnte, was er mir zu sagen versuchte.
Alex und ich standen also da. In meiner Wohnung. Und sahen uns an. Was sollte ich tun? Ich konnte ihn nicht wegschicken. Dieses Mal wäre mein Herz richtig zerbrochen. Doch die Frage, warum er wirklich hier war, nagte in mir. Ich konnte nicht glauben, dass er wirklich wegen mir hier war.
Alles, was ich in diesem Moment wusste, war, dass ich ihn nicht gehen lassen konnte. Und Alex wartete auf ein Zeichen. Von mir. Und endlich gab ich mir einen Ruck und ging langsam auf ihn zu. Schritt für Schritt. Bis ich vor ihm stehen blieb. Ich hob meine Hand und strich mit den Fingerspitzen über seinen Oberkörper. Und musste lächeln, weil er sofort auf meine Berührung reagierte.
„Emily, ich bin nicht hier zum Spielen“, flüsterte er plötzlich in mein Ohr.
„Das ist aber schade“, flüsterte ich frech zurück und grinste.
„Ist da ein anderer?“ wollte er nun wissen.
Irritiert sah ich ihn an. „Ein anderer?“
„Gibt es jemanden in deinem Leben, dem dein Herz gehört?“ formulierte er seine Frage neu. Also nickte ich. Ja, es gab jemanden, den ich in mein Herz gelassen hatte. Den ich in den vergangenen Monaten nicht vergessen konnte.
„Oh“, machte er und drehte sich von mir weg.„Du hast nicht gefragt, wem mein Herz gehört“, griff ich nach seiner Hand.
Alex sah mich traurig an. „Ich denke, dass ist nicht wichtig.“
„Ich denke aber schon“, zog ich ihn zurück zu mir. „Und ich hoffe, du passt gut darauf auf!“ Oh ja, ich hatte es ihm gesagt. Einfach so. Ich wusste nicht, wie er darauf reagieren würde. Und ja, ich hatte Angst vor seiner Reaktion. Aber immerhin war er hierher gekommen, oder? Zu mir.
Ich beobachtete Alex´ Gesicht. Die Trauer wich einer Erkenntnis – und dann strahlte er plötzlich. Und seine Lippen lagen auf meinen. Ich glaube, wir hatten beide so vieles nachzuholen. Es war die Sehnsucht, die ich spürte. Und die auch von ihm ausging. Alex´ Hände bahnten sich ihren Weg unter mein Handtuch – und meine taten dasselbe bei ihm. Ich weiß nicht mehr, wie ich zu meinem Bett gekommen war. In mein Bett. Doch ich werde mich immer an den Augenblick erinnern, als er mich ansah – und wir zu einem Ganzen verschmolzen.
„Versprich mir, dass du morgen Früh noch da sein wirst“, stellte ich dieselbe Forderung, die er damals an mich gestellt hatte.
„Ich verspreche es dir“, sah Alex mir tief in die Augen. Ich versank in dem dunkelblauen Meer.
„Versprich mir, dass du dich dieses Mal verabschieden wirst“, sprach ich die Worte aus.
„Das werde ich nicht“, schüttelte er mit dem Kopf.
Und ich spürte die einsame Träne, die aus meinem Auge tropfte. Er hatte vor wieder zu gehen. Einfach so. Und ich würde wieder allein zurück bleiben...
„Ich werde mich nicht mehr verabschieden“, küsste er mich wieder und wieder. „Ich habe nicht vor zu gehen.“
„Wirklich?“ sah ich ihn ungläubig an. „Ich meine, du...“„Wir finden einen Weg“, unterbrach er meine Zweifel und die tausend Gedanken, die gerade in meinem Kopf hallten. „Hey, immerhin bist du doch mein Weihnachtsgeschenk gewesen. Und Geschenke behält man doch.“ Er lächelte mich an, begann sich langsam zu bewegen.
„Alex“, stöhnte ich seinen Namen. Unfähig noch einen normalen Gedanken zu beenden. Als es dann soweit war, als das Feuerwerk erschien, als die Erde sich bewegte, als wir zwei gleichzeitig unseren Himmel erreichten, hatte ich das Gefühl zu schweben. Es war das zweite Mal, dass ein Märchen wahr wurde. Meins. Doch würde ich es dieses Mal wirklich halten können?
Alex nahm mein Gesicht zwischen seine Hände. „Würdest du es versuchen? Mit mir?“
„Zusammen zu sein?“ fragte ich nach. Er wollte das wirklich?
Alex nickte. „Ich habe die ganzen Monate jeden Tag an dich gedacht“, erzählte er.„Mir ging es genauso“, gab ich zu.
„Aber du hättest dich nicht gemeldet“, stellte er fest.
„Nein“, hauchte ich. „Aber du bist ja jetzt da.“
„Und ich werde auch hier bleiben“, lächelte Alex. „Ich liebe dich.“
Wirklich? Mein Herz machte einen Extra-Sprung.
„Du kennst mich doch noch gar nicht“, gab ich zu Bedenken. „Wer weiß, vielleicht magst du mich in einer Woche schon gar nicht mehr. Oder in einem Monat...“
„Vielleicht magst du mich ja auch gar nicht mehr“, fiel Alex mir ins Wort.
„Du bist ein Mann“, stellte ich nüchtern fest. „Ihr seid doch alle gleich.“ Und ich grinste.
„So?“ fing Alex an mich zu kitzeln. „Das nimmst du zurück!“
„Nein“, lachte ich auf und wand mich unter seinen Fingern. Doch Alex hatte kein Erbarmen. „Bitte, aufhören!“ jammerte ich irgendwann.
„Ergibst du dich?“ fragte Alex.
„Ja“, japste ich nach Luft und endlich hörte er auf. „Das ist Erpressung“, protestierte ich dann.
„Nein, ist es nicht“, suchte Alex meinen Mund und ich genoss es einmal mehr ihm so nah zu sein.
„Glaubst du wirklich, das mit uns könnte funktionieren?“ fragte ich ihn später.
„Wenn wir es nicht ausprobieren, werden wir es nie wissen“, antwortete Alex. Und traf den Nagel auf den Kopf. Und seit diesem Tag lebe ich mein Märchen. Mit meinem Prinzen an meiner Seite. Manchmal glaube ich, der Weihnachtsmann hatte sich nur einen kleinen Scherz erlauben wollen – doch daraus war die große Liebe geworden. Ein Weihnachtswunder. Unser Weihnachtswunder.
Ende
Weihnachten in New York by Pazoro
Kapitel 1: Der mysteriöse Unbekannte
Es war ein wunderschöner, sonniger Tag, als ich mich auf dem Weg zu meinem Auto machte. Schwer bepackt mit den Weihnachtsgeschenken, die für meine Familie bestimmt waren und meinem Koffer für die kommenden Weihnachtstage.
Ich hatte eine lange Fahrt vor mir… einmal quer durch Amerika. Von Kalifornien nach New York brauchte man schon eine ganze Weile. Ich hätte natürlich auch fliegen können, aber das war nichts für mich, Flugzeuge waren mir einfach zu unheimlich.
Ich war nicht wirklich begeistert, in die Kälte zu kommen. In Kalifornien war es immer warm, zu jeder Jahreszeit, und ich wusste, dass in New York inzwischen schon der erste Schnee gefallen war. Bei dem Gedanken schüttelte sich mein ganzer Körper. Ich bin nicht umsonst vor ein paar Jahren nach Kalifornien zum Studieren gegangen. Diese gleichbleibenden Temperaturen und die warme Sonne hatten schon immer eine magische Anziehungskraft auf mich. Aber was tat man nicht alles, um die Familie mal wieder zu sehen. Es war inzwischen schon wieder 6 Monate her, seitdem ich das letzte Mal dort war. Ich legte die Geschenke auf den Rücksitz meines schwarzen Minis und setzte mich hinter das Lenkrad. Ich hatte meinen dicken Wintermantel aus der hintersten Ecke meines Schrankes gekramt, und legte ihn jetzt sorgfältig auf den Beifahrersitz. Ich öffnete das Fenster, um noch einmal die sonnige Luft einzuatmen, und startete meinen Wagen.
Während der Fahrt ging mir einiges durch den Kopf. Was würde wohl dieses Jahr wieder auf mich zukommen? Ich erinnerte mich daran, dass meine Mutter bei unserem letzten Telefongespräch zu mir gesagt hatte, dass ich große Augen machen würde. Meine Großeltern würden kommen und jemanden mitbringen, den ich noch nicht kannte. Als ich sie nach Einzelheiten ausfragte, meinte sie nur, dass ich ihn mir selber anschauen sollte. Ich war schon neugierig auf diesen Jemand. Warum machte sie so ein Geheimnis daraus? Die Stunden vergingen schneller als ich dachte. Meine Lieblings-CD, die Filmmusik von Twilight, dudelte durch die Boxen rauf und runter. Bei dieser Musik versank ich in Gedanken. Ich stellte mir vor, dass dieser mysteriöse Typ wie Edward aussehen würde und schmunzelte bei dem Gedanken. Ja so ein Edward würde mir auch gefallen… ich hatte die Bücher regelrecht verschlungen und wünschte mir auch so einen Beschützer. Naja gut, ich war nicht so tollpatschig wie Bella, aber der Gedanke an so eine schöne Romanze brachte auch mein Herz zum Schmelzen.
Ich überfuhr die Landesgrenze von New York, und wie auf Kommando fing es an zu schneien. Dicke, weiße Schneeflocken segelten mir auf meiner Windschutzscheibe entgegen. Ich zügelte meine Geschwindigkeit, da ich leider nicht daran gedacht hatte, Schneeketten mitzunehmen. Warum sollte ich auch an sowas denken? Immerhin war es in Kalifornien ja immer noch ziemlich warm. Ich schlich dem Haus meiner Eltern langsam näher… da die Schneeflocken mir keine gute Sicht ließen. Ich bog in die Straße ein und sah von weitem schon das Lichtermeer. Ja, unser Haus war wieder über und über mit kleinen Lichtern geschmückt und mit dem weißen Glanz des Schnees, der das Dach und den Garten bedeckte, sah es einfach himmlisch aus wie ein Häuschen aus einem Märchen.
Ich parkte meinen Mini direkt hinter dem Mercedes meines Vaters, schnappte mir meinen Wintermantel vom Beifahrersitz und versuchte gleichzeitig, meinen Mantel anzuziehen und aus dem Auto zu steigen. Das erwies sich als schwerer, als ich gedacht hatte. Ich verlor mein Gleichgewicht und versuchte mit schwingenden Armbewegungen, meine Standhaftigkeit zurückzubekommen. Was mir leider nicht gelang und so landete ich direkt mit der Nase im frisch gefallen Schnee. Jetzt wusste ich wieder, warum ich den Schnee hasste, er war kalt und ziemlich nass und in dem Moment war mir wieder klar, warum ich nach Kalifornien gezogen war.
„Shit“ fluchte ich… und versuchte aufzustehen. Irgendwie war der Boden aber zu glatt, ich schaffte es nicht mal, meine Schuhe richtig aufzusetzen. Plötzlich spürte ich einen leichten Druck auf meiner Schulter, dann etwas stärker an meiner Taille. Es hielt mich jemand fest und zog mich von diesem nassen, kalten Boden. Ich drehte mich um… ich dachte, es sei mein Vater und wollte ihm gerade um den Hals fallen… als ich in diese wunderschönen blau-grün-grauen… undefinierbaren Augen sah. Mein Atem stand still und mein Herz raste. Noch nie hatte ich sowas gesehen… so vollkommene Augen. Mein Blick wanderte weiter über sein Gesicht. Er hatte unnatürlich lange Wimpern und perfekt geschwungene dunkle Augenbrauen. Sein Mund öffnete sich zu einem leichten Grinsen, das von Grübchen begleitet wurde. Dieses Gesicht war einfach vollkommen.
„Hast Du Dir wehgetan?“, hörte ich auf einmal diesen Mund sagen. Es klang wie Musik in meinen Ohren. Ich merkte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg und versuchte mich zu sammeln. Es dauerte ca. 10 Sekunden, bis ich wieder alle Sinne beisammen hatte… „Nein, das geht schon“… Ich befreite mich aus seinen Armen und versuchte mit meinen schweißnassen Händen meinen Mantel von dem Schnee zu säubern. „Bist Du Dir sicher?... Ich heiße Alex und Du musst Sophia sein“… Ich hatte wieder diesen lieblichen Klang seiner Stimme im Kopf. Ich nickte und wandte mich zu meinem Kofferraum, damit er nicht sehen konnte, dass ich schon wieder errötete. Mit einer geschickten Handbewegung öffnete ich die Klappe und zog meinen Koffer raus.
In dem Moment öffnete sich die Haustür und meine Mutter rannte auf mich zu. „Sophia,… schön, dass Du endlich da bist“… Sie sprang mit weit ausgebreiteten Armen auf mich zu und umschloss mich mit diesen. „Oh Sophia, kennst Du Alex schon?“… fragte sie mich, löste die Umarmung und drehte mich in seine Richtung. „Mom, wir hatten gerade das Vergnügen“… stotterte es aus mir heraus. Jetzt konnte ich ihn mir aus ca. 2 Meter Entfernung genau ansehen. Er hatte nicht nur ein wunderschönes Gesicht, sondern auch noch dunkle, kurze Haare. Seinen Körper hatte er mit einem langen Wintermantel umhüllt, der nur erahnen ließ, was darunter sei. Meine Mutter riss mich aus meinen Gedanken. „Alex ist der neue Nachbar von Grandma und Grandpa… Er hat keine Familie und kümmert sich ein bisschen um den Garten und die Einkäufe von deinen Großeltern. Als Dankeschön haben sie ihn mit hierher genommen, damit er Weihnachten nicht alleine ist.“… „Und ich bin sehr froh darüber, dass Sie mich so freundlich aufgenommen haben Susan“… sprach Alex.
In meinem Kopf schwirrte wirres Zeug umher… ich konnte überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen. Der Typ konnte unmöglich echt sein… er sah einfach zu perfekt aus. Ich schloss kurz meine Augen, um mich davon zu überzeugen, dass das alles nur ein Traum war. Dann atmete ich dreimal tief durch und…. Er stand immer noch an derselben Stelle wie vorher. Mit dem einen Unterschied, dass er jetzt auch noch ein schiefes Lächeln aufgelegt hatte. Oh mein Gott, was für ein Lächeln. Mir schossen auf einmal wieder meine Lieblingsbücher durch den Kopf. Er ist kein Traum…. Ich versuchte mich zu konzentrieren…. Sag jetzt bloß nichts Falsches, ermahnte ich mich….
„Edward,“ kam laut und deutlich über meine Lippen. Alex sah mich stutzig an… „Wie hast Du mich gerade genannt?“… Seine Stirn legte Falten und seine Augen starrten in meine… er wartete auf eine Antwort. Oh Gott, wie sollte ich ihm diese peinliche Lage jetzt erklären? Ich hatte diese Bücher einfach zu oft gelesen. Die Liebesgeschichte zwischen Edward und Bella hatte sich einfach schon zu tief in meinem Hirn eingebrannt. Wie sollte ich aus dieser Lage bloß herauskommen, ohne dass es noch peinlicher wurde.
Ich drehte mich vorsichtig um die eigene Achse, und während ich den Abstand zwischen mir und diesem traumhaften Mann vergrößerte, indem ich schnurstracks Richtung Haustür ging, murmelte ich… „Sorry, aber Du erinnerst mich an jemanden“. Naja, das stimmte natürlich nicht ganz. Er hatte ja überhaupt keine Ähnlichkeit mit Edward aus den Biss-Romanen. Aber irgendwie fühlte ich mich wie Bella, als sie ihren Edward das erste Mal gesehen hatte.
Ich ging ins Haus und begrüßte den Rest meiner Familie. Zuerst meinen Vater, dann meinen kleinen Bruder und zum Schluss noch meine Großeltern. Sie waren alle versammelt im Wohnzimmer und unterhielten sich. Ich quetschte mich zwischen meinen Grandpa und meine Grandma, weil ich die beiden wirklich lange nicht mehr gesehen hatte… das letzte Mal vor einem Jahr. Sie hatten bestimmt einiges zu erzählen… vor allem, wie sie diesen Mann, der jetzt ebenfalls das Wohnzimmer betrat, kennen gelernt hatten.
Alex betrat den Raum und es wirkte, als würde er noch heller werden. Die Lichter schienen richtig zu glühen. Er holte sich einen Stuhl aus dem Essbereich und setzte sich direkt mir gegenüber. Er sah zu mir rüber und schenkte mir wieder dieses schiefe Lächeln…. Sophia reiß´ Dich zusammen… Du bist nicht Bella und das ist nicht Edward! Wer weiß, warum er sich so sehr mit Deinen Großeltern beschäftigt… Vielleicht ist er ein Schwerverbrecher oder sogar ein Mörder… Du weißt doch gar nichts über ihn. Du solltest Dich erst mal erkundigen, wer er überhaupt ist. Meine Mutter war inzwischen dabei, das Abendessen vorzubereiten… Ich dachte, wenn ich ihr zur Hand gehen würde, könnte sie mir auch gleich mehr über Alex erzählen. Ich erhob mich vom Sofa… meine Grandma hielt mich an der Hand fest… „Was ist denn los, Kindchen“… sie merkte wohl, dass mit mir etwas nicht stimmte. „Nichts, Grandma, ich möchte Mom nur in der Küche helfen“… antwortete ich und zog meine Hand zurück. „Das ist eine gute Idee, mein Kind… Da komme ich doch auch gleich mit“. Sie folgte mir vorsichtig durch den Essbereich in die Küche.
Als ich die Küchentür öffnete, kam mir ein köstlicher Duft entgegen… „Gänsebraten mit Rotkohl und Klößen?“ riet ich…. Meine Mutter drehte sich um und lächelte… „Ja,… ich weiß doch, dass das Dein Lieblingsessen ist“. Meine Mom war wirklich eine tolle Köchin… und diesen Weihnachtsbraten liebte ich über alles. Bei dem Gedanken an das Essen lief mir jetzt schon das Wasser im Mund zusammen. Da ich meiner Mutter bei den Vorbereitungen nicht mehr groß helfen konnte weil das Essen bereits auf dem Herd bzw. im Backofen war, beschloss ich, den Geschirrspüler mit dem dreckigen Geschirr zu füttern. Meine Grandma setzte sich an den Küchentisch und beobachtete mich. „Sophia, erzähl doch mal, wie es Dir in Kalifornien geht“… forderte sie mich auf. „Ganz gut, Grandma… Es ist wirklich schön da… vor allem, dass es da immer warm ist“… schwärmte ich.
Eigentlich hätte ich sie ja lieber über Alex ausgefragt, aber ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte, ohne dass sie Verdacht schöpfte. Wie kann ich sie über ihn ausfragen, ohne dass Grandma gleich Lunte riecht. Sie ist nicht doof, … Sie kennt mich schon mein ganzes Leben. Sie wird sofort merken, dass ich an ihm Interesse habe… Aber vielleicht ist das gar nicht so schlecht…. Schließlich war sie ja auch mal jung… Vielleicht versteht sie mich ja sogar. Ich frage sie einfach ganz direkt. „Duuu Grandma“ stotterte ich. Sie schaute mich fragend an. „Was ist denn, Kindchen“… Ich schloss den befüllten Geschirrspüler und setzte mich mit an ihren Tisch. Meine Mutter war zum Glück mit dem Essen beschäftigt und kümmerte sich nicht weiter um uns. Ich rang nach den richtigen Worten, während ich meine Großmutter genau musterte. Sie hatte sich in den letzten Jahren überhaupt nicht verändert. Sie war ein bisschen pummelig und hatte graue Haare, die sie zu einem Dutt zusammengebunden hatte. Ihr Gesicht war schon ziemlich faltig, man konnte aber erkennen, dass sie früher mal eine wunderschöne Frau war. Ihre blauen Augen sahen mich strahlend an. „Was liegt Dir denn auf dem Herzen, Süße“… ihre Stimme war immer so verständnisvoll. „Wer ist dieser Alex?“… sprudelte es einfach aus mir raus.
Oh Gott, jetzt ist es raus… Jetzt gibt es kein Zurück mehr… Meine Großmutter fing an zu lachen… Warum lacht sie jetzt… So komisch war die Frage doch auch nicht… Ich meine, er ist hier in unserem Haus… Er soll hier Weihnachten mit uns verbringen… Dann darf ich wohl doch mal fragen, wer das ist. „Was ist so lustig an meiner Frage?“… Grandma holte tief Luft, um ihrem Lachen ein Ende zu setzen. „Du solltest mal sehen, wie Du aussiehst… Kann es sein, dass Dir Alex gefällt?“ Ich hatte vor Aufregung leider nicht bemerkt, dass mir mein Blut in den Kopf schoss… ich musste purpurrot sein. Diese ganze Situation war mir ziemlich unangenehm. „Naja nun gut, Kindchen… Dann werde ich Dir ein bisschen über Alex erzählen. Er ist vor ungefähr 6 Monaten in das Haus nebenan gezogen. In das Haus, wo die Newtons gewohnt haben… Du erinnerst Dich?“… Ich nickte… Natürlich erinnerte ich mich an die Newtons… Das waren die mit dem schrecklichem Köter, der immer so gesabbert hat. Ich lauschte dem Fortgang ihrer Geschichte. „Alex zog da ganz alleine ein und renovierte das Haus komplett, sogar den Garten gestaltete er um. Eines Tages kamen wir ins Gespräch. Ich erwähnte, dass Dein Grandpa und ich nicht mehr ganz so gut zu Fuß sind und das Autofahren würde auch nicht mehr funktionieren… Er bot uns an, für uns die Besorgungen zu erledigen… Seitdem kam er täglich zu uns rüber und hilft uns bei sämtlichen Arbeiten, die wir nicht mehr alleine schaffen können… Am Anfang wollte ich ihn ja für seine Dienste bezahlen, aber er hat sich strikt dagegen gewehrt. Da mir die Sache aber immer unangenehmer wurde, dass er so viel für uns tat ohne Gegenleistung, beschlossen wir gemeinsam, dass ich jetzt immer für ihn mit kochen würde. Von nun an ist er täglich bei uns… wie unser eigener Sohn. Er macht und tut, wo er nur kann… und dafür bekommt er von uns Familienanschluss… Der arme Junge… er hat schon früh seine Eltern verloren und Geschwister hat er nicht.“
Ich konnte gar nicht glauben, was ich da hörte… Das kommt mir alles wirklich sehr verdächtig vor. Welcher junge, gutaussehende Mann kümmert sich um eine altes Rentnerpärchen… nur so zum Spaß? Er muss! etwas im Schilde führen!.. Aber auf der anderen Seite sind meine Großeltern nicht doof. Mein Grandpa war früher ein hohes Tier bei der Polizei… Er würde bestimmt merken, wenn mit Alex etwas nicht stimmen würde. Meine Gefühle spielten total verrückt… Ich wollte diesem Geheimnis auf den Grund gehen… Nein, noch mehr… Ich wollte diesen Mann unbedingt näher kennen lernen.
Ich erhob mich von meinem Stuhl, schenkte meiner Grandma ein Lächeln, um mich zu bedanken und machte mich daran, den Festtagstisch zu decken.
„Der Tisch sieht aber sehr festlich aus“… hörte ich plötzlich wieder diese klingelnde Stimme hinter mir sagen, während ich gerade die letzte Kerze anzündete. Ich drehte mich um und sah wieder dieses fantastische Lächeln. Das Kerzenlicht spiegelte sich in seinen Augen, so dass sie funkelten. Ich konnte nicht antworten… ein schwerer Kloß steckte in meinem Hals, der es unmöglich machte, auch nur einen Ton herauszubekommen…. So musste er sich eben nur mit meinem Lächeln zufrieden geben. Nervös drehte ich mich um, um so schnell wie möglich wieder in die Küche zu kommen. Mit meiner Grandma und meiner Mom zusammen stellte ich das Essen auf den Tisch. Dann setzten wir uns alle gemeinsam an den Tisch… Alex hatte sich direkt gegenüber von mir hingesetzt… und wir genossen den leckeren Braten.
Ich hatte das Gefühl, dass er mich nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen hatte… Wieso guckt er mich immer so an? Meine Güte, der Typ hat aber auch eine Ausstrahlung… dieser Oberkörper… Da kann man ja durch das Shirt jeden einzelnen Muskel erkennen…. Und diese Hände… so schlank und groß… ich darf mir gar nicht vorstellen, was er damit alles machen könnte… Diesen Gedanken wollte ich ganz schnell wieder aus meinem Kopf streichen, weil mir plötzlich ein Schauer über den Rücken lief.
Nachdem wir zu Abend gegessen und ich meiner Mutter in der Küche geholfen hatte, zog ich es vor, mir noch ein bisschen die Beine zu vertreten. Okay, es lag zwar schon ein paar Zentimeter Schnee draußen und ich mochte den Schnee auch nicht wirklich... aber ich wollte trotzdem einen kleinen Spaziergang machen. Außerdem wäre es gar nicht mal so schlecht, wenn mir der kalte Wind wieder mein Hirn zurechtrückte. Ich sagte meinen Eltern Bescheid und lief in den Flur, um mir meinen Mantel anzuziehen.
Kapitel 2: Passiert das alles wirklich?
Ich ging aus der Tür und ein kalter, eisiger Windstoß flog mir über die Nase… aber wenigstens hatte es aufgehört zu schneien. Ich zog meinen Kragen höher bis zum Kinn und bewegte mich in Richtung Straße. Ich schlenderte auf dem Gehweg entlang und betrachtete die Häuser in der Nachbarschaft. Diese vielen Lichter und der Schnee, das war wirklich ein wunderschöner Anblick… Wenn nur diese blöde Kälte nicht wäre! Meine Gedanken schweiften langsam von der Kälte und den hübsch geschmückten Häusern ab. Ein Gesicht machte sich vor meinen Augen breit… ein ganz bestimmtes Gesicht… ein faszinierendes Gesicht… sein Gesicht. Ich betrachtete seine Konturen und wollte jedes einzelne Detail aufsaugen… bis ich merkte, dass es kein Traum war. Er stand wirklich und wahrhaftig vor mir… „Bist Du mir gefolgt?“… Alex schaute ein wenig verlegen auf den Boden... „ Entschuldige, aber ich brauche auch etwas Bewegung und da dachte ich mir…“… er sprach nicht weiter. Er sah immer noch nicht vom Boden auf. Er wartete wohl auf meine Reaktion. „...dass wir zusammen einen Spaziergang machen könnten“, beendete ich seinen Satz.
Sein Blick kam höher und traf genau meinen. „Wenn es Dir nichts ausmacht?“… Ich nickte und deutete mit meiner Hand, dass wir weitergehen sollten. Wir gingen nebeneinander her, ohne uns zu berühren. Er passte sich meinen kurzen Schritten an. Nach einer Weile brach er das Schweigen: „Deine Großeltern haben mir erzählt, dass Du in Kalifornien lebst… Ist es Dir jetzt hier nicht zu kalt?... Ich meine… wir haben bestimmt einen Temperaturunterschied von 20 Grad“. In dem Moment fing ich wirklich an zu frösteln… aber das war bestimmt nicht wegen der Kälte. Meine Güte… er sieht einfach fantastisch aus… Wie gerne würde ich mich jetzt von ihm wärmen lassen. Ich merkte, wie ich Schwierigkeiten hatte, den Kloß hinunter zu schlucken, der in meinem Hals festsaß… „Ach, das geht schon“… antwortete ich mit kraftloser Stimme. Ich war froh, dass er mich in diesem Moment gerade nicht ansah.
Wir gingen eine ganze Weile zwischen immer kleiner werdenden Häusern, einige enge Straßen entlang, bis wir eine Ansammlung von Menschen über die Straße gehen sahen. „Magst Du Kirchen?“…hörte ich seine liebevolle Stimme fragen. Ich hatte mit Kirchen noch nie was am Hut. Klar bin ich als Kind mal in einer Kirche gewesen, aber ich habe seit Jahren keine mehr von innen gesehen. „Nicht wirklich, warum?“… „Hast Du Lust, mit mir die Abendmesse zu besuchen?“… In dem Moment nahm er mich an die Hand und zog mich zu der Menschenmenge… Er wartete nicht auf meine Antwort. In dem Moment war ich wie beflügelt… Wow, träume ich jetzt??? Er hält meine Hand… Wie warm sie ist… und wie weich sich seine Haut anfühlt… Ich war wie in Trance. Wir drängelten uns durch die Menschenmenge und betraten durch das hohe Tor den hell erleuchteten Raum der Kirche. Alles war hübsch geschmückt, auf dem Altar standen brennende Kerzen und in der hinteren Ecke stand ein riesiger, bunt geschmückter Weihnachtsbaum. Mir war irgendwie nicht richtig wohl bei der Sache… Ich verkrampfte mich und wollte wieder umdrehen. Aber Alex drückte meine Hand fester und schob mich mit der anderen Hand vor sich her… zu freien Plätzen auf einer der Bänke. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich dort hinzusetzen, und Alex setzte sich ganz dicht neben mich.
Es stellte sich heraus, dass es keine gewöhnliche Kirche war. Es wurden keine traditionellen Weihnachtslieder gespielt… sondern es sang ein Gospelchor. Die Mitglieder trugen dunkelblaue, seidige Gewänder, die fast bis zum Boden gingen. Der Gesang hörte sich so wunderschön an, dass er mir Gänsehaut bereitete. Der dunkelhäutige Pastor hielt seine Predigt auf angenehme, frische Weise… dass man gar nicht merkte, wie schnell die Zeit verging. Zwischendurch prüfte ich immer wieder Alex' Gesichtsausdruck und stellte fest, dass ihm die Messe genauso gut gefiel wie mir. Nachdem die Messe vorbei war, zog Alex mich wieder an der Hand mit sich hinaus in den Schnee. „Oh mein Gott, das war wunderschön“…schrie ich begeistert, als wir wieder alleine auf der Straße gingen. „Nicht wahr???... Habe ich Dir zu viel versprochen?“… Ich schüttelte den Kopf. Alex hielt immer noch meine Hand fest… Ich dachte auch gar nicht daran, das zu ändern. Es fühlte sich so richtig an… seine große, schützende Hand mit meiner verschmolzen….
„Wer ist eigentlich Edward?“… erkundigte er sich neugierig. Ich merkte, wie mir wieder dir Röte ins Gesicht stieg und hoffte, dass er es nicht bemerken würde. „Ähm“… Mit dieser Frage hatte ich jetzt nicht gerechnet… Wie sollte ich da bloß wieder rauskommen… Ich kann ihm doch nicht erzählen, dass ich von dem Typen aus Twilight spreche… Er würde mich doch für komplett bescheuert erklären. Ich muss mir irgendeine plausible Erklärung einfallen lassen… „Edward war ein alter Freund von mir… wir haben zusammen studiert“…log ich. Alex grinste forschend… „Und ich erinnere Dich an ihn?“ Oh Mann, hört das denn gar nicht auf??? Ich nickte und war froh, als er endlich nicht weiter nachbohrte.
„So, da sind wir wieder“… erklärte Alex, als wir wieder vor dem Haus meiner Eltern standen. Ich hätte noch stundenlang so weiter mit ihm gehen können… Hand in Hand. „Danke, das war ein sehr schöner Spaziergang.“ Ich stellte mich extra in eine dunklere, schattigere Ecke vor der Haustür, damit Alex nicht sehen konnte, dass ich schon wieder rot anlief. Alex lächelte… „Ja, das finde ich auch“… Er kam näher… Sein Kopf beugte sich über meinen…. Ich merkte, daß ich vergeblich versuchte, nach Luft zu ringen… Jetzt waren seine Lippen schon so nah, dass sie meine gleich berührten… In dem Moment öffnete sich die Haustür…. „Ah, da seid Ihr ja wieder“… Meine Mutter stand grinsend vor uns, während Alex sich schnell zurückzog. „Und war es ein schöner Spaziergang?“… wollte meine Mutter wissen. Ich lächelte sie stumm an und ging vorsichtig an ihr vorbei ins Haus. Was war das??? Wollte er mich eben wirklich küssen??? Ein merkwürdiges Flattern tauchte plötzlich in meiner Magengegend auf. Warum hatte Mom immer so ein gutes Timing??? Hätte sie nicht ein paar Sekunden später die Tür öffnen können??? Sophia, reiß´ Dich zusammen… tadelte ich mich selber… Wer weiß, wofür das gut war… Es kommt nicht so gut, wenn man sich schon am ersten Abend auf sowas einlässt. Meine Güte, ich habe ihn doch schließlich erst vor ein paar Stunden kennen gelernt.
Der Rest der Familie war immer noch im Wohnzimmer versammelt. Mein Vater, mein Grandpa und mein Bruder hatten gerade eine Diskussion über die letzten Footballspiele… meine Grandma sah ziemlich gelangweilt aus. Sie lächelte, als ich zur Tür hereinkam und klopfte mit einer Hand auf den freien Platz neben sich, um mir zu sagen, dass ich mich dort hinsetzen sollte. Alex betrat auch wieder das Wohnzimmer und schloss sich dem Gespräch der vertieften Männer an.
„Und?... Wie findest Du ihn?“…flüsterte mir meine Grandma zu… Die Schmetterlinge in meinem Bauch waren noch nicht verschwunden… ich merkte, wie sie meinen ganzen Körper zum Zittern brachten. „Er ist wirklich sehr nett“… antwortete ich ein bisschen verlegen. Doch ich war noch nie gut darin, meiner Grandma etwas vorzumachen… natürlich wusste sie ganz genau, dass es schon um mich geschehen war. Sie lächelte… „Du wirst schon sehen… er ist ein Geschenk des Himmels“.
Ein Geschenk des Himmels… Ein Geschenk des Himmels…. Diese Worte meiner Großmutter hallten immer wieder in meinem Kopf… wie ein Echo. Ich stand auf einer schneebedeckten Wiese… rundherum standen Fackeln, die die Wiese zum Strahlen brachten. Der Himmel war dunkel und klar… viele tausend Sterne funkelten von dort herunter. Ich blickte an meinem Körper hinunter und bemerkte, dass ich nur ein Nachthemd anhatte. Einen Moment lang wunderte ich mich, da ich trotz meiner spärlichen Kleidung nicht fror. Im Zentrum der Fackeln stand ein riesiges Himmelbett, mit cremefarbener, seidener Bettwäsche… welche übersät war mit dutzenden roten Rosenblättern. Hinter dem Bett konnte ich eine große Gestalt erkennen. Sein maskuliner Anblick brachte mich fast um den Verstand. Er stand da… nur mit einer dunkelblauen Boxershorts bekleidet und lächelte mich sanft einladend an. Seine Haut schimmerte im Feuer der brennenden Fackeln, und die Linien seines muskelösen Oberkörpers brannten sich in mein Gehirn. Er hob eine Hand und streckte sie nach mir aus… ganz langsam ging er Schritt für Schritt auf mich zu. Er nahm meine Hand und führte mich behutsam zu dem wunderschön geschmückten Himmelbett.
Ich ließ mich fallen und landete sanft zwischen den duftenden Blütenblättern. Vorsichtig beugte er sich über mich. Sein Atem kam immer näher… mein Herz fing an zu tanzen. Seine Lippen berührten meine, sie waren warm und weich… Die Schmetterlinge in meinem Bauch flatterten wie verrückt. Mein Atem wurde schneller... ich zog ihn näher an mich heran… mein Körper sehnte sich danach, ihn zu spüren. Meine Hände wuselten durch seine perfekten Haare…
Dann hörte ich ein donnerndes Klopfen… „Sophia, bist Du wach?... Das Frühstück ist fertig“… Die Stimme, die zu meiner Mutter gehörte, in diesem Moment aber völlig unpassend war, kam von Wort zu Wort näher. Ich öffnete meine Augen und sah mich um… ich befand mich in meinem alten Zimmer. Mein Blick fiel rechts und links neben mich… aber ich war alleine. Wow, warum gerade jetzt? Der Traum fing doch gerade erst richtig an. Ich schob meine Bettdecke zur Seite und stand auf. Dann fiel mir ein, dass Alex in einem unserer Gästezimmer geschlafen hatte und sicherlich auch beim Frühstück war. Ich nahm mir ein paar Sachen aus dem Koffer und verschwand ins Badezimmer, um mich fertig zu machen.
Als ich die Treppe hinunter kam, kroch mir schon der Duft von frischem Kaffee in die Nase. Diesem Duft folgend und voller Vorfreude, Alex wieder zu sehen, stolzierte ich ins Esszimmer. Aber da saßen nur meine Mutter, Grandma und mein kleiner Bruder… „Wo sind denn die Männer hin?“… In diesem Moment kam mir der gestrige Abend nur noch wie ein Traum vor. „Sie machen noch ein paar Besorgungen… Sie müssten bald zurück sein“… antwortete meine Mutter. Meine Laune besserte sich auf Anhieb… dann war der gestrige Abend also doch echt. Zufrieden und mit einem Grinsen im Gesicht setzte ich mich an den gedeckten Tisch und ließ mir das Frühstück schmecken. „Du hast heute Morgen aber sehr gute Laune“…stellte meine Grandma fest. „Das hat doch nicht etwa was mit Alex zu tun?“... Manchmal war es mir wirklich zu unheimlich, wie gut meine Grandma mich kannte… als könnte sie in meinen Kopf gucken und meine Gedanken lesen. Ich ignorierte ihre Worte und wechselte schnell das Thema. Ich fragte meine Großmutter, wie es denn ihrer besten Freundin Betty gehe… ich wusste, dass sie mir dazu immer viel zu erzählen hatte. Sie holte tief Luft und erzählte und erzählte… Ich hörte nur mit einem halben Ohr hin… war aber froh, dass sie mich nicht noch weiter löcherte, was Alex betraf.
Nach dem Frühstück räumten wir alle gemeinsam den Tisch ab und halfen meiner Mutter in der Küche. Dann hörten wir ein Auto auf die Auffahrt rollen. „Oh, sie sind zurück“… meine Mutter ging zur Haustür, um sie für die Männer zu öffnen…langsam folgte ich ihr. Alex kam als erstes hinein und umschloss mit seinen Armen eine riesige Tanne. „Wo soll der Baum hin, Susan?“…fragte er meine Mutter höflich. Sie zeigte nur schnell in eine Ecke im Wohnzimmer und verschwand gleich wieder in die Küche. Alex lächelte mich an… „Guten Morgen, hast Du gut geschlafen?“… Da ist es wieder… dieses wunderschöne Lächeln…Reiß Dich zusammen Sophia!!! „Ähm… ja… die Nacht war ganz okay“… krächzte es aus mir heraus. Wenn er wüsste, dass ich von ihm geträumt habe… Seine Augen sahen mich prüfend an… aber er ging nicht weiter darauf ein. Stattdessen stellte er den Baum in den Fuß, den meine Mutter bereit gestellt hatte. „Geht das so?“… er hielt den Baum mit einer Hand an der Spitze fest und sah mich fragend an… „Perfekt“, antwortete ich und half ihm, den Baum zu befestigen.
Der Baum stand jetzt so fest, dass ihn nicht mal mehr ein Windstoß hätte umhauen könnte. Alex war durch und durch zufrieden mit seinem Werk. Meine Mutter kam herein… mit ein paar Kisten, befüllt mit Weihnachtskugeln und Lichterketten, bepackt. Sie breitete die Kartons vor dem Baum aus und gemeinsam machten wir uns daran, den Baum zu schmücken. …. „Wow, der Baum ist wunderschön geworden“…stellte ich fest, als Alex die goldene Spitze anbrachte. „Ja, wir haben uns mal wieder selbst übertroffen"… bestätigte meine Mutter. „Ich werde jetzt mal wieder in die Küche gehen. Da wartet noch ein bisschen Arbeit auf mich. Sophia, könntest Du die Kisten wieder in den Keller bringen?“ Meine Mutter machte auf dem Absatz kehrt und verschwand durch die Küchentür. Ich beugte mich über die Kartons, um sie zusammenzustellen. „Warte, ich helfe Dir“… mit Alex großen Händen als Hilfe ging das natürlich viel schneller.
Wir verstauten die Kartons in der hintersten Ecke vom Keller… da wurden die Weihnachtssachen immer aufbewahrt. Das Licht der Deckenlampe war nicht besonders hell und der Schein kam nicht bis in die Ecke. Als ich die Kartons gerade abstellte, spürte ich seine Hand auf meiner Schulter. Vor Schreck fing ich an zu schreien. „Psst, nicht so laut!“ Mit der anderen Hand hielt er mir behutsam den Mund zu. „Habe ich Dich erschreckt?“…er grinste mich mit seinem bezaubernden Lächeln an. „Ja“, prustete ich durch seine Finger. Daraufhin befreite er meinen Mund… Ich atmete tief durch. „Tut mir leid… Es ist nicht leicht, Dich mal alleine anzutreffen. Irgendjemand aus Deiner Familie ist immer in Deiner Nähe. Dabei möchte ich doch nur…“ Er sprach nicht weiter… Fragend sah ich ihn an… „Was möchtest Du?“… Er wusste wohl nicht, wie er es mir sagen sollte… sein Gesicht war nachdenklich. Dann sah er mir tief in die Augen und schmunzelte. „Das, was ich gestern schon tun wollte“…
Sein Gesicht kam langsam näher… Mein Puls schlug schneller und meine Beine wollten nachgeben. Ich starrte auf seine wundervollen Lippen, die sich von Sekunde zu Sekunde immer mehr rantasteten… bis sie schließlich meine berührten. Ganz vorsichtig umschlossen seine Lippen meine… Immer und immer wieder… der Kuss war richtig fordernd. Mir wurde ganz schummrig… Ich hatte richtige Probleme, mich noch weiter auf meinen Beinen zu halten…. Bis sie schließlich ganz nachgaben. Ich sackte unter meinem Gewicht zusammen und fiel ihm in die Arme. „Huch, was hast Du denn jetzt?“… Alex konnte sich einen herzhaften Lacher nicht verkneifen. „Entschuldigung“… krächzte ich, während ich versuchte, mich wieder auf die Beine zu stellen. Das war mir jetzt wirklich peinlich…. Sophia, das kann doch nicht wahr sein… Warum fällst Du um, wenn er Dich küsst???... Als ich wieder sicher auf meinen Beinen stand, drehte ich mich verlegen um und rannte die Kellertreppe hinauf, ohne mich noch mal nach Alex umzusehen. Nur an seinen Schritten konnte ich erkennen, dass er mir folgte.
Ich war total durcheinander und wollte ihm jetzt nicht unter die Augen treten… also nahm ich auch gleich die nächste Treppe, verschwand in meinem Zimmer und schloss die Tür hinter mir zu. So, nun bist Du sicher… Oh mein Gott!!! Er hat mich geküsst… Wow, und was für ein Kuss!!! Bei dem Gedanken daran, wie mir die Beine versagten, musste ich jetzt lachen. Sowas kann auch nur Dir passieren!!! Ich überlegte angestrengt, wie ich mich ihm jemals wieder unter die Augen trauen sollte. Er musste ja denken, dass ich nicht alle Tassen im Schrank hatte. Sowas ist ihm bestimmt vorher noch nie passiert. Ich beschloss, den Rest des Tages in meinem Zimmer zu bleiben… hier war ich sicher und brauchte nichts erklären.
Kapitel 3: Der Wahrheit ins Auge sehen
Ich saß inzwischen schon seit 3 Stunden in meinem verschlossenen Zimmer. Immer wieder musste ich daran denken, was im Keller geschehen war. Mir wurde ganz warm ums Herz bei dem Gedanken, dass er mich geküsst hatte. Ja, er hatte mich tatsächlich geküsst. Und das fühlte sich einfach himmlisch an. Würde sich das jemals wiederholen? Ich zweifelte daran… Diese Chance hatte ich mit meinem Abgang wohl gehörig verbockt. In den letzten Stunden hatte ich immer mal wieder den Versuch gestartet, mein Zimmer zu verlassen… Ich stand auf… schlich leise zur Tür… horchte… und dann verließ mich wieder der Mut. Sophia, du kannst nicht den Rest deines Lebens in deinem alten Zimmer verbringen!!! tadelte ich mich selbst. Mir war natürlich klar, dass ich ihm früher oder später wieder über den Weg laufen musste… besser später als früher!!! Ich war mir noch nicht mal mehr sicher, was mir peinlicher war… Dass ich in seinen Armen zusammengebrochen war, oder dass ich vor ihm weggelaufen war. Bei diesen Gedanken schüttelte ich immer wieder den Kopf… beides war ziemlich peinlich.
Ich hörte, wie leise Schritte die Treppe hinauf kamen, sich dann meiner Tür näherten und vor ihr verstummten. Dann vernahm ich ein leises Pochen an meiner Tür… „Wer ist da?“… fragte ich neugierig, obwohl ich mir das eigentlich schon gedacht hatte. Ich kannte den Schritt meiner Großmutter ganz genau. „Ich bin`s Kindchen… Möchtest Du uns nicht beim Essen Gesellschaft leisten?“… Meine Stimme hörte sich nicht überzeugend an… „ Ich habe keinen Hunger!“…erklärte ich. „Sophia, Du bist jetzt schon seit Stunden in Deinem Zimmer… Was ist los mit Dir? Willst Du mir nicht erzählen, was passiert ist?“…die Stimme verstummte. Ich überlegte, bevor ich eine Antwort gab. Vielleicht sollte ich mich wirklich jemandem anvertrauen…. Wem könnte ich sowas besser erzählen als meiner Grandma? Sie versteht mich bestimmt besser als Mom!... „Okay!“… ich stand von meinem Bett auf und öffnete die Tür. Meine Grandma lächelte mich mit ihrem faltigen Gesicht an. „Du kannst dich doch nicht die ganzen Feiertage hier einschließen“… sagte sie, während sie mich vorsichtig zur Seite schob, damit sie eintreten konnte.
Sie setzte sich auf mein Bett und klopfte auf den Platz neben sich. Ich folgte ihrer Geste. „So, nun erzähl mal, was so Schreckliches passiert ist, dass Du Dich seit Stunden hier einschließt.“ Ich schluckte… Wie sollte ich anfangen?... „Hmm,… Er hat mich geküsst!“… Ich merkte, wie mir die Spucke wegblieb. Meine Großmutter lächelte… „Das ist alles?... Und deshalb schließt Du Dich hier ein?“… Sie schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich dachte, er gefällt Dir?“… sie musterte mich ganz genau, als wenn sie die Antwort in meinen Gedanken lesen würde. „Das ist noch nicht alles“… klärte ich sie auf. Ich erzählte ihr noch, dass ich in seinen Armen zusammengebrochen war und, dass es mir so peinlich war, dass ich die Treppe hinauf in mein Zimmer rannte. Meine Großmutter folgte interessiert meinen Worten und schmunzelte, als ich fertig war. „Aber Süße!... Das ist doch noch lange kein Grund, sich hier stundenlang im Zimmer einzusperren… Alex ist total durcheinander… und hat schon überlegt, abzureisen.“… „Was???... Warum das denn?“… ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. „Er wollte nicht erzählen, was passiert war… Er meinte lediglich, dass es besser wäre, wenn er so schnell wie möglich nach Hause fährt… Er ist bereits dabei zu packen… Er lässt sich von niemandem aufhalten… Dein Grandpa und ich, wir haben es beide versucht“.
Das gefiel mir gar nicht… Er kann doch jetzt nicht einfach so verschwinden… Das kann ich nicht zulassen… Ich erhob mich von meinem Bett, gab meiner Grandma einen kleinen Schmatzer auf die Wange und lief die Treppe hinunter zum Gästezimmer. Die Tür stand offen… Alex hatte seinen Koffer auf das Bett gelegt und war dabei, seine Sachen hineinzulegen. „Du willst wirklich abreisen?“…flüsterte ich… Er drehte sich um und sah mich mit einem düsteren Blick an. „Ich denke, es ist besser so“… antwortete er kurz und knapp, drehte sich wieder zu seinem Koffer und legte weitere Sachen hinein. Jetzt bekam ich ein schlechtes Gewissen… Du blöde Kuh hast ihn verletzt!!! Deinetwegen wird er Weihnachten ganz alleine verbringen!... Ich machte vorsichtige Schritte auf ihn zu… „Bitte bleib doch noch!“… fing ich an zu betteln. Er reagierte nicht auf meine Worte… „Bitte Alex, ich will nicht, dass Du gehst.“… Meine Worte schienen ihn jetzt zu erreichen. Er wandte mir sein Gesicht zu. „Bist Du Dir sicher, dass ich bleiben soll?“… seine Stimme hatte einen skeptischen Unterton. Ich nickte… „Es tut mir leid, was….“ meine Stimme brach… Ich merkte, wie meine Augen nass wurden… ein paar kleine Tropfen liefen mir über die Wange.
Jetzt fing er an zu lächeln… „Ist es Dir so wichtig?“… Er kam auf mich zu und mit seiner rechten Hand wischte er vorsichtig die Tränen von meiner Wange. Ich hatte meine Stimme immer noch nicht wiederbekommen… deshalb nickte ich nur schnell. Dann umschloss er mich mit seinen wundervollen, starken Armen und drückte mich vorsichtig an seine Brust. Mit einer Hand hielt er mich fest… mit der anderen streichelte er mein Haar. Wir standen da und schwiegen beide… Nach einigen langen Sekunden… meine Augen hatten sich inzwischen getrocknet… brach er das Schweigen. „Warum bist Du vorhin vor mir weggelaufen?“ Er schob mich vorsichtig von seiner Brust weg und legte die Hand auf meine Schultern, damit er mir in die Augen sehen konnte. Ich merkte, wie mir mal wieder das Blut in meinen Kopf schoss. Ich suchte nach den richtigen Worten… Er bemerkte natürlich mein rotes Gesicht und fing an zu lachen. „Das ist nicht komisch!“… beschwerte ich mich. „Doch, das ist sogar sehr komisch… Schau dich mal an… Du bist knallrot“… Jetzt fühlte ich nur noch Enttäuschung… So hatte ich mir das nicht vorgestellt… Ich befreite mich von seinen Armen und drehte mich zur Tür. Ich wollte nur noch weg… schon wieder!...
Diesmal war er schneller, griff nach meiner Hand und hielt mich fest. „Das braucht Dir doch nicht peinlich zu sein“… flüsterte er in einem bestimmenden Ton. Er zog mich zurück in seine Arme und gab mir einen noch heißeren und fordernderen Kuss als vorher im Keller. Er drückte mich so fest an sich, dass ich fast keine Luft bekam… In meinem Bauch tanzten wieder die Schmetterlinge und mein Körper schien mir nicht mehr zu gehorchen. Nach einem langen Kuss gab er mich frei. Er sah mich an und grinste… „Du bist wunderschön, wenn Du rot bist“… Diesmal erwiderte ich sein Lächeln… „Bleibst Du jetzt hier?“… meine Stimme klang mir fremd… das war eher ein Glucksen. Er nickte und gab mir nochmals einen kurzen zärtlichen Kuss. „Und?... Wie soll es jetzt mit uns weitergehen?“… fragte er dann. Darüber hatte ich mir noch gar keine Gedanken gemacht… Ich wollte mich nicht damit auseinandersetzen, was die Zukunft bringt… Ich wollte jetzt einfach nur jeden einzelnen Moment mit ihm genießen. „Keine Ahnung“… ich zuckte mit den Schultern. „Ich denke, wir sollten jetzt erst mal etwas essen“… schlug ich vor und zog ihn an der Hand hinter mir her ins Esszimmer.
Der Rest der Familie wollte nicht mehr warten, also waren sie schon fast fertig. Als wir gemeinsam den Raum betraten, strahlte meine Grandma mich freudig an. Sie murmelte etwas, das ich nicht richtig verstehen konnte… das hörte sich an wie „Gott sei Dank“. Mein Vater und mein Grandpa registrierten uns gar nicht… sie waren wieder vertieft in eins ihrer Männergespräche… und meine Mutter und mein Bruder grinsten um die Wette. Wir setzten uns an den Tisch und genossen das leckere Essen, das meine Mutter mal wieder gezaubert hatte. Auch diesmal half ich meiner Mutter wieder, das Geschirr weg- und die Küche aufzuräumen. Alex setzte sich inzwischen ins Wohnzimmer zu meinem Vater und Grandpa und schloss sich ihrem Gespräch an.
„Läuft was zwischen euch?“… wollte meine Mutter wissen, als wir alleine in der Küche waren und aufräumten… „Mom!!!“… ich war empört über diese Frage… „Ich meine ja nur… Er ist wirklich sehr nett… Und ihr würdet ein tolles Paar abgeben.“…erklärte sie… Plötzlich kam mir der Gedanke, dass das alles ein eingefädeltes Spiel war… „Mom… Du hast doch nicht etwa vor…“ meine Mutter unterbrach mich… „Sophia, du bist jetzt schon so lange alleine… Und er sieht doch wirklich gut aus, oder?“… „Also doch!!!“… Die Wut stieg mir in den Hals…“Ihr wolltet mich von Anfang an mit ihm verkuppeln!“… strotze es nur so aus mir heraus. „Sophia, beruhige Dich!“… ihre Stimme klang ziemlich weich… „Wir haben das doch nicht böse gemeint… Schau ihn dir doch mal an… Der Mann ist wie für dich geschaffen“. Jetzt blieben mir die Worte im Hals stecken. Natürlich sieht er gut aus… Und Ja! Ich habe mich wohl auch in ihn verliebt… Aber, dass das ein abgekatertes Spiel ist… Das kann ich nicht glauben. Jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen… Er war auch eingeweiht… meine Großeltern hatten ihm schon vorher von mir erzählt… Er wusste genau, was auf ihn zukam… Wahrscheinlich hatten sie ihm vorher schon Fotos von mir gezeigt… Ich war die Einzige, die keine Ahnung davon hatte… Aber spielt das wirklich eine Rolle??? Ich meine, warum sollen sie nicht ein bisschen Amor spielen… Sie haben ja immerhin meinen Geschmack getroffen… Und außerdem haben sie es ja nur gut gemeint. Langsam beruhigte ich mich wieder… ich beschloss, nicht mehr böse zu sein. Ist doch eigentlich auch egal… ohne sie und ihren miesen Plan, beim dem Gedanken musste ich grinsen, wäre ich ihm nie begegnet.
Alex kam durch die Tür hinein, sah sich um und fragte meine Mutter, ob er mich entführen dürfe. Ich sah ihn verdutzt an… „Meinst Du nicht, dass Du mich das fragen solltest?“… sagte ich mit einem scherzenden Unterton. Alex nahm meine Hand… zog mich in den Flur… half mir in den Mantel und schob mich hinaus in den Schnee. „Wollen wir wieder einen Spaziergang machen?“… fragte ich ihn neugierig… Alex Gesichtsausdruck sah aus, als wollte er mir etwas verheimlichen. „Laß` Dich überraschen“… antwortete er nur. Dann ging er zu dem Auto meines Großvaters und öffnete mir die Beifahrertür… „Wo fahren wir hin?“… Jetzt wollte ich endlich wissen, was er im Schilde führte. Alex antwortete nicht… stattdessen startete er das Auto und konzentrierte sich auf die Straße.
Wir waren inzwischen ungefähr 30 Minuten unterwegs… von der Stadt war nicht mehr viel zu sehen… Die Gegend wurde immer ländlicher und die Wege immer holpriger… „Sind wir bald da?“… ich wurde langsam ungeduldig. „Es ist nicht mehr weit.“… Sein Blick war immer noch auf den Weg konzentriert… Dann sah ich am Ende unseres Weges ein kleines Häuschen stehen. Es war aus Holz und mit braunroter Farbe gestrichen… Durch die kleinen Fenster schienen viele kleine Lämpchen… die sich in dem Schnee spiegelten. Um das Häuschen herum standen viele Bäume, die auch mit kleinen Lämpchen geschmückt waren. Ich traute meinen Augen nicht… ich blinzelte einige Male und kniff meine Augen zusammen… als wollte ich, dass das Haus wieder verschwindet… aber es stand immer noch da.
Alex stieg aus dem Auto… ging um die Kühlerhaube rum… und öffnete mir die Tür. „Und gefällt es Dir?“… fragte er mich neugierig, während ich aus dem Auto stieg. „Es ist wunderschön“… stammelte ich… Ich konnte mich gar nicht sattsehen. Das Haus kam mir vor, als wenn es aus einem Märchen entsprungen wäre. … Jetzt wurde ich langsam stutzig… „Was wollen wir hier?“… Alex nahm mich wieder an die Hand und zog mich zum Eingang… „Ich möchte mal mit Dir ganz alleine sein… ohne Deine Familie im Rücken“… Diese Worte hallten in der kalten Luft… „Mit mir alleine sein?“… obwohl ich geflüstert hatte, verstand er jedes Wort. „Wir können auch wieder zurückfahren, wenn Du das nicht willst.“… Seine Stimme hatte einen enttäuschten Klang. „N… n… nein“…erwiderte ich…“das kommt nur so überraschend.“… „Keine Angst, Sophia! Ich werde nichts tun, was Du nicht auch möchtest“… versprach er, holte einen Schlüssel unter der Fußmatte hervor und öffnete die Haustür.
Wir kamen in einen kleinen, dunkel vertäfelten Raum, der überall mit strahlenden Kerzen dekoriert war… erstaunt sah ich mich um. Auf der rechten Seite war ein aus Natursteinen gemauerter Kamin, in dem die Flammen miteinander tanzten. Vor diesem stand ein kleines. kuscheliges, braunes Sofa, das einen dazu einlud, Platz zu nehmen. Auf der anderen Seite war eine offene Küchenzeile, der man die Jahre, die sie schon hinter sich hatte, nicht ansah. Alles in allem war das ein sehr gemütlicher Raum. Alex lächelte mich an, nahm meine Hand und zog mich langsam zum Sofa. „Beweg Dich nicht von der Stelle“… sagte er und machte auf dem Absatz kehrt, während ich mich auf das Sofa plumpsen ließ. Er ging kurz in das Nebenzimmer, kam mit einem kleinen Päckchen in der Hand zurück und setzte sich neben mich. „Das ist für Dich!“… Ich sah ihn fragend an, und mit einem Lächeln im Gesicht überreichte er mir das Geschenk. Vorsichtig öffnete ich die kleine, schwarze, samtige Dose… „Wow, das ist wunderschön!“…es kam ein goldenes, schlichtes Herz zum Vorschein, das in zwei Hälften geteilt war. Beim längeren Hinsehen, erkannte ich, dass es zwei Kettenanhänger waren. „Das ist ein Zeichen dafür, wie ich mich fühle… Jeder von uns ist eine Hälfte… nur zusammen sind wir ein Ganzes.“… erklärte Alex. Dann griff er in seine Hosentasche und zog eine schlichte goldene Kette raus, fädelte diese durch einen der Anhänger durch und legte mir die Kette um den Hals. Die andere Hälfte fädelte er um eine ähnliche Kette, die er bereits um den Hals trug.
Ich beobachtete jede seiner Bewegungen… mir wurde plötzlich klar, dass ich gar kein Geschenk für ihn hatte… Vor allem, wie kam er nach so kurzer Zeit darauf mir so ein Geschenk zu machen? Ich stutzte… „Sorry, aber das kann ich nicht annehmen… Wir kennen uns doch kaum.“… Alex sah mich irritiert an… „Ich weiß, das ist eigentlich noch ein bisschen früh... Aber ich habe in Dir meine Seelenverwandte getroffen… Ich bin mir ganz sicher, dass Du die Richtige bist“. Sein Blick hatte etwas Magisches, als wenn er in mich eindringen wollte. Darauf konnte ich nichts erwidern, der Kloß in meinem Hals war einfach zu fest. Seelenverwandte??? Ist das sein Ernst??? Also, wenn das alles ein schlechter Scherz ist, dann… Ich verbot mir, diesen Gedanken weiter zu führen. Stattdessen schenkte ich ihm mein schönstes Lächeln. „Du bist so wunderschön“… Alex Gesicht rückte vorsichtig näher an meins… behutsam tasteten sich seine Lippen von meiner Wange bis zu meinem Mund. Ich spürte seinen warmen, süßen Atem über meine Haut streicheln. Seine Lippen öffneten sich vorsichtig und seine Zunge bahnte sich ihren Weg zu meiner. Ich ließ sie gewähren und unseren Zungen schienen miteinander zu verschmelzen und zu tanzen. Mein Körper vibrierte und mein Atem wurde schneller… ich wollte mehr… Ich zog ihn dichter an mich heran… fordernd wollte ich ihn ganz dicht an mir spüren, als er plötzlich von mir abließ.
„Oha, Du gehst aber ganz schön ran!“… sein Lächeln war unbeschreiblich. Ich merkte, wie mein Gesicht wieder errötete und sein Lächeln wurde jetzt mehr zu einem Grinsen. „Haha, Du wirst schon wieder rot“… neckte er mich. Nach einem kurzen Moment, in dem ich versuchte, meinen Körperteilen zu befehlen, mir zu gehorchen, setzte ich ein Pokerface auf und meinte so cool wie möglich: „ Glaub ja nicht, dass das an Dir liegt… Das Feuer im Kamin ist so warm“. Er sah mich ziemlich perplex an … mit dieser Antwort hatte er jetzt wohl nicht gerechnet… und wir fingen beide an, herzhaft zu lachen.
Kapitel 4 Überraschungen
Himmlischer konnte ich mir diesen Abend gar nicht erträumen. Er war einfach perfekt… Alex und ich saßen engumschlungen auf dem Sofa vor dem Kamin und tranken eine Flasche Wein. Jedes Mal, wenn sich unsere Blicke trafen, merkte man, wie es zwischen uns knisterte. Die Verlegenheit zwang mich, mich an seine Brust zu kuscheln und die Flammen im Kamin zu beobachten, ohne auch nur einen Blick auf ihn zu richten. Mit einer Hand streichelte er mir zärtlich über das Haar… was mir jedes Mal einen weiteren Schauer über den Rücken laufen ließ. In dem Moment war mir klar, dass ich den Abend nicht einfach so ausklingen lassen wollte… Nein, ich wollte definitiv mehr... Aber wie sollte ich anfangen??? Wir waren vorhin schon so weit gewesen, aber er musste ja aufhören, als es am schönsten wurde. Mein Mut verließ mich… ich wusste nicht, wie ich ihm zeigen sollte, dass ich ihn begehrte. „Woran denkst Du?“… Alex lehnte sich ein bisschen auf, mit seiner freien Hand hielt er mein Kinn fest und sah mir tief in die Augen…. Wie soll ich ihm erklären, dass ich mehr von ihm will??? Meine Güte, wie er mich ansieht… diese Augen... dieses Lächeln…
Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen… Ich wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen… aber gegen alle Vernunft… ich konnte einfach nicht anders, als ihm meine Lippen entgegenzustrecken und ihm einen leidenschaftlichen Kuss zu geben. Diesmal war es meine Zunge, die sich ihren Weg in seinen Mund bahnte… Seine Lippen waren warm und weich… und unsere Zungen fingen an miteinander zu spielen. Mein Körper bebte vor Anspannung und mein Atem wurde schneller… Diesmal werde ich an mein Ziel kommen…
Meine Hände wanderten unter seinen Pullover… seine Haut darunter war genauso warm und weich wie seine Lippen… Meine Fingerspitzen krabbelten vorsichtig… erst über seine Brust, seine Seite, über den Rücken und wieder zu seinen Seiten. Mit einer schnellen Handbewegung zog ich ihm den Pullover über den Kopf… Also, wenn er den Hinweis jetzt nicht versteht, dann weiß ich auch nicht… Er schenkte mir sein zauberhaftes Lächeln… Hmm, er hat kapiert!!!... Dann stand er auf, nahm meine Hand und zog mich in das andere Zimmer. Dort stand ein Bett… mehr konnte ich nicht mehr wahrnehmen, weil Alex sofort wieder meine Aufmerksamkeit auf sich zog und ich mich nur noch fallen lassen brauchte.
Das helle Tageslicht schien mir in die Augen, als ich sie öffnete…. Sofort kniff ich sie wieder zusammen. Meine Hände tasteten blind suchend neben meinen Seiten, bis sie Alex endlich fanden. Puuh, er ist noch da… Das war also kein Traum… diesmal nicht! Zufrieden und überglücklich versuchte ich gegen die Helligkeit anzukämpfen und einen Blick zu riskieren. Er lag tatsächlich neben mir… eingekuschelt wie ein kleines Kind, halb bedeckt, so dass sein traumhafter, nackter Oberkörper zum Vorschein kam und mit einem leichten Lächeln auf dem Gesicht. Nein, es war wirklich kein Traum… Das war die schönste Nacht meines Lebens!!!... Ganz vorsichtig hob ich meine Beine aus dem Bett raus und wollte gerade aufstehen, als mich etwas am Arm packte… „Wo willst Du hin?“… seine Stimme klang immer noch genauso himmlisch wie vorher. Er zog mich zurück ins Bett, drehte sich über mich und gab mir einen sanften Kuss… „Guten Morgen“… Die Schmetterlinge in meinem Bauch fingen wieder wie wild an zu flattern… „G g guten M m morgen“… stotterte ich.
„Du wolltest Dich doch nicht etwa aus dem Staub machen“… fragte er ein wenig empört. „Nein, ich wollte nur mal ins Bad“… erklärte ich ihm, während ich ihn vorsichtig von mir wegdrückte. „Okay, das ist akzeptabel“… erwiderte er und ließ mich gehen. Nachdem ich im Bad fertig war und in die Küche kam, staunte ich nicht schlecht. Er hatte in der Zwischenzeit Kaffee gekocht, Brötchen aufgebacken und den Tisch gedeckt. Ich setzte mich hin und ließ mich von ihm verwöhnen. „Und was machen wir heute?“ … er zuckte mit den Schultern… „Hast Du einen besonderen Wunsch?“ Er stand auf und nahm mich in seine starken Arme… „Alles was Du willst“… flüsterte er mir leise ins Ohr. Ich überlegte… Am liebsten würde ich den ganzen Tag mit ihm im Bett verbringen… aber das kann ich wohl nicht verlangen… Da fiel mir plötzlich wieder meine Familie ein… „Wir sollten zurück zu meinen Eltern fahren... Heute ist der 1. Weihnachtstag und ich habe vergessen, die Geschenke unter den Baum zu legen. Alex nickte „Wenn Du das so möchtest“… und schenkte mir wieder sein magisches Lächeln… „Aber vorher habe ich noch eine kleine Überraschung für Dich“… „Überraschung???... Noch eine?...“… „Zieh Deinen Mantel an!... Wir machen vorher noch einen kleinen Ausflug.“… Ich folgte seiner Anweisung… dann zog er mich hinaus in den Schnee. Ich wunderte mich, dass er gar nicht das Auto ansteuerte, stattdessen gingen wir zu Fuß die Straße hinunter. Er legte mir seinen Arm über die Schultern und ich legte meinen um seine Mitte. Engumschlungen wanderten wir ein paar Minuten über den ca. 10 cm hohen Schnee… das Knirschen unter unseren Füßen war deutlich zu hören. Als wir zu einem Bauernhaus kamen, blieb er stehen. „Warte hier!... Das geht ganz schnell“… Er drehte sich um, ging auf die Haustür zu und sprach mit einem älteren Mann, der genauso mysteriös aussah, wie die kleine Hütte, in der wir geschlafen hatten. Mysteriös… aber nicht unheimlich… er hatte irgendwas Magisches in seinem Gesichtsausdruck. Der Mann bat Alex ins Haus und verschloss hinter sich die Tür.
Ich stand da vor dem Haus wie angewurzelt… keinen Schritt konnte ich mich bewegen. Nach ca. 5 Minuten hatte das Warten ein Ende. Die Tür ging auf und Alex verabschiedete sich von dem Mann. Dann drehte er sich in meine Richtung und kam auf mich zu. Auf seinem Arm hatte er ein kleines, flauschiges Hundebaby, das eine rote, große Schleife um den Hals trug. „Und?... Gefällt er Dir?... fragte er, während er mir den Hund auf den Arm gab… „Das ist A. J.“ „Wer ist das?“… ich hatte nur noch Fragezeichen im Kopf... „Alex Junior“… erklärte er… Diese Erklärung brachte mich zum Lachen …“Das ist jetzt nicht Dein Ernst, oder?“ Als ich dir Worte aussprach wollte ich sie eigentlich schon wieder runterschlucken, es schien sein voller Ernst zu sein. „Ich dachte mir, wenn Du wieder in L. A. bist, hast Du etwas bei Dir, was Dich an mich erinnert“. Jetzt verstand ich diese Geste… Oh mein Gott, das ist nicht zu glauben… Er hat mir tatsächlich ein Hundebaby gekauft, damit ich an ihn denke… Wie süß ist das denn… Ich betrachtete das kleine Wesen auf meinem Arm und kuschelte meine Nase in sein Fell. „Okay, A. J., dann wollen wir Dich mal mitnehmen!“… sagte ich mit einem ironischen Unterton. Er hätte sich ja jedenfalls einen passenderen Namen einfallen lassen können.
Auf dem Rückweg sprachen wir nicht viel. Alex konzentrierte sich auf den Verkehr und ich spielte mit dem kleinen Hündchen auf meinem Schoß. Der Kleine ist wirklich süß… diese Pfötchen, die kleine Nase… Inzwischen fand ich den Namen auch gar nicht mehr so schlecht… Irgendwie passte das… ich war begeistert von Alex… meine Gedanken kreisten in den letzten Tagen immer nur um ihn… und ich war total angetan von dem kleinen A. J. Wahrscheinlich werde ich mich im Laufe der Zeit an den Namen gewöhnen… bei dem Gedanken musste ich lächeln.
Als wir zurück bei meinen Eltern waren, war die Bescherung natürlich schon gelaufen. Ich holte noch schnell die Geschenke aus meinem Wagen und übergab sie meiner Familie. Von ihnen bekam ich immer ziemlich praktische Sachen geschenkt… Ein neues Topfset, etwas zum Anziehen und Parfüm. Wir saßen alle zusammen im Wohnzimmer… Alex direkt neben mir und A. J. auf meinem Schoß… während meine Mom und meine Grandma einige Weihnachtslieder sangen. Mein Grandpa machte sich wie jedes Jahr über die beiden Frauen lustig, weil er der Meinung war, sie könnten nicht singen, und mein Dad verzog sich mit meinem Bruder nach oben, um dem Gesang zu entfliehen. Nur wir hielten tapfer durch.
Es war inzwischen schon spät geworden, als wir mit dem Abendessen und dem Aufräumen in der Küche fertig waren. Ich ging zurück ins Wohnzimmer, wo sich Alex ganz angeregt mit meinem Grandpa und meinem Bruder unterhielt. A. J. lag auf einer Decke neben dem Weihnachtsbaum und schlief. Ich setzte mich zu Alex, kuschelte mich an ihn ran und flüsterte leise… „Wollen wir nach oben gehen?“… in sein Ohr. Er nickte, nahm meine Hand und zog mich behutsam hinter sich her. „Gute Nacht Ihr Lieben… Passt gut auf den Hund auf“… sagte er noch zum Abschied, aber die beiden waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie unseren Abgang gar nicht wahr nahmen.
Ich war so glücklich, endlich wieder mit Alex alleine zu sein, dass ich mich nicht mehr beherrschen konnte. Wir hatten kaum die Tür hinter uns verschlossen, da fiel ich ihm um den Hals und küsste ihn. Er erwiderte meinen Kuss nicht und drückte mich behutsam von sich weg… „Psst, glaubst Du, dass sie uns hören können?“… Ich zuckte mit den Schultern… „Keine Ahnung!… Interessiert mich auch nicht!“ Meine Lippen suchten schon wieder seine. „Mich aber!“… protestierte er unter meinen Lippen… „Ich kann Deinen Eltern morgen nicht in die Augen sehen.“… „Alex!... Wir sind zwei erwachsene Menschen… Wir müssen meine Eltern nicht fragen, ob wir Sex haben dürfen… Und jetzt küss mich endlich“… Dieses Argument hatte gewirkt… Alex nahm mich in seine starken Arme, drückte mich ganz fest an sich und küsste mich so leidenschaftlich, dass der Boden unter meinen Füßen nachgab. Bevor ich fallen konnte, fing Alex mich auf und legte mich auf das Bett. Er rutschte zu mir, nahm mein Gesicht in die Hände und flüsterte lächelnd… „Ich habe mich unsterblich in Dich verliebt“. Wow, diese Worte brachten mal wieder meinen ganzen Körper zum Zittern. Niemals hätte ich auch nur im Entferntesten damit gerechnet, diese Worte aus seinem Mund zu hören. Meine Hände machten sich selbständig und wanderten über seinen Rücken bis hinauf zu seinem Kopf. Meine Finger spielten mit seinen Haaren, dann drückten sie ihn ganz vorsichtig näher an mich heran. Ich umschloss zielsicher seine Lippen mit meinen. Sein Atem wurde schwerer und schneller… unsere Küsse wurden immer fordernder. Ich wusste, dass er mich jetzt genauso wollte wie ich ihn.
Ich öffnete meine Augen, es war bereits morgens. Vorsichtig drehte ich mich um, aber diesmal war die andere Seite leer. Enttäuscht sah ich mich in meinem Zimmer um… aber es war kein Hinweis darauf zu finden, dass Alex wirklich hier gewesen war. Ich führte meine Hände an meine Stirn und versuchte mir die Erinnerung wieder zurückzuholen. Habe ich das alles nur geträumt???... Nee Sophia, das kann nicht sein… Das ist wirklich passiert!!!... Ich schob die Decke beiseite, zog mir schnell eine Jeans und ein T-Shirt an und sprang geschwind die Treppe hinunter, um nachzusehen, ob es ihn gab oder ob er wirklich nur meiner Fantasie entsprungen war. Meine Blicke wanderten suchend ins Wohnzimmer… dort lag eine Wolldecke auf dem Fußboden… direkt dort, wo A. J. gestern geschlafen hatte. Ich seufzte erleichtert… Ich habe mir das also wirklich nicht eingebildet… Trotzdem wunderte ich mich, wo er und A. J. abgeblieben waren… und wo war der Rest meiner Familie? Ich machte vorsichtige Schritte auf die Küchentür zu, während ich horchte, ob sich dort etwas tat. Als ich leichtes Klimpern und Klirren hörte, öffnete ich die Tür.
„Guten Morgen, meine Liebe“… sagte meine Mutter, während sie den Geschirrspüler einräumte. „Du hast aber ganz schön lange geschlafen“… erklärte sie weiter. Mein Blick fiel auf die Wanduhr, die über dem Küchentisch hing… „Was?... Schon 13.00 Uhr?... Ich habe ja den halben Tag verschlafen“… Meine Mutter drehte sich zum Tresen und nahm einen Briefumschlag, den sie mir gleich überreichte… „Den soll ich Dir von Alex geben. Sie mussten heute Morgen früh los. Du weißt ja, dass sie einen weiten Weg vor sich haben“. Ich merkte, wie meine Augen nass wurden… kleine Tränen liefen mir über die Wange und ein schwerer Kloß breitete sich in meinem Hals aus, während ich den Brief öffnete.
Liebste,
es tut mir leid, dass ich Dich auf diese Weise verlassen muss.
Ich wollte Dich nicht wecken… Du hast so schön geschlafen.
Ich hoffe, dass wir uns bald wieder sehen… Ich rufe Dich an, okay?
Dein Alex!!!
Während ich versuchte, den Kloß runterzuschlucken, ächzte ich… „Ich konnte mich noch nicht mal mehr von ihm verabschieden“… mein Körper fing an zu zittern… aber diesmal war es anders, ich spürte gähnende Leere. Meine Hände suchten die Tischkante und ganz vorsichtig setzte ich mich auf den nächsten Küchenstuhl. Enttäuscht und immer noch völlig verheult, las ich die Zeilen immer und immer wieder. „Du wusstest doch, dass er wieder nach Hause muss“… belehrte mich meine Mutter. Diese Worte waren genau das Gegenteil von dem, was ich hören wollte… Aber ich hatte auch keine Lust, mich deshalb mit ihr auseinanderzusetzen. Ich wollte nur noch eins… Ich würde es an diesem Ort keine Minute länger aushalten… Ich wollte zurück nach L. A… Entschlossen, meine Sachen zu packen, sprintete ich die Treppe hinauf in mein Zimmer. Meine Hände packten von ganz alleine… Mein Gehirn hatte keine Gewalt mehr über sie, da es die ganze Zeit damit beschäftigt war, die Erinnerungen an Alex zu erhalten.
Fertig bepackt, ging ich zu meinem Auto…. Irgendwas fehlte… suchend sah ich mich um, während ich den Koffer auf den Rücksitz schmiss. „Mom?... Mom?“… Meine Mutter sah mich fragend durchs Wohnzimmerfenster an… „Mom, wo ist A. J.?“… Sie lächelte… „Dein Bruder ist mit ihm draußen, er muss gleich wiederkommen“. … Wie auf Kommando kamen die beiden um die Ecke… Erleichtert sprang ich auf sie zu, verabschiedete mich von meinem Bruder und setzte A. J. auf den Beifahrersitz. Dann blickte ich nochmal zum Haus… meine Eltern standen inzwischen beide in der Tür „Willst Du wirklich schon fahren, Baby?“… fragte mein Vater zögerlich. „Mom, Dad… seid mir bitte nicht böse, aber ich möchte jetzt alleine sein… Versteht ihr das?“… Sie nickten… dann nahmen sie mich nacheinander in ihre Arme und ließen mich abfahren.
In den Tagen nach meiner Abreise drehten sich meine Gedanken nur noch um Alex. Jedes Mal, wenn ich mit A. J. vom Gassi gehen kam, lief ich zum Telefon und überprüfte meinen AB... sonst saß ich immer direkt daneben und hoffte bei jedem Klingeln, dass er es war…. Aber er rief einfach nicht an! Weihnachten war schon seit Tagen vorbei und inzwischen war der Silvesterabend angebrochen. Ich setzte mich auf mein kleines Sofa und starrte in den Fernseher, aber das Programm war alles andere als interessant. Meine Gedanken drifteten immer wieder ab. Eine Freundin hatte versucht, mich zu einer Party zu überreden, aber dazu hatte ich keine Lust… außerdem wollte ich A. J. nicht alleine lassen.
Um Mitternacht hörte ich, wie mein Nachbar seine Party auf den Hausflur verlegte. Schrille Musik und Stimmenwirrwarr hörte man deutlich durch die dünnen Wände, als es plötzlich an meine Tür klopfte. Ich rannte genervt und wutschnaubend hin und wollte ihm gerade meinen ganzen Wortschatz an Beleidigungen an den Kopf werfen, als plötzlich und unvorhersehbar Alex vor meiner Tür stand, als ich sie öffnete.
Ich traute meinen Augen nicht… Das hatte ich nicht erwartet… Er lächelte mich entschuldigend an und sagte kurz und knapp „Frohes Neues Jahr!“ Dann schloss er seine starken Arme um mich, drückte mich ganz fest an sich und seine Lippen suchten meine. Mit seinem ganzen Gewicht schob er mich vorsichtig zurück in meine Wohnung und schloss hinter sich die Tür. +++ENDE+++